Hausdurchsuchungen
Nicht ungewöhnlich sind im Zusammenhang mit größeren Aktionen, nach Festnahmen oder im Rahmen offensiver staatlicher Razzien Hausdurchsuchungen. Auf die eigentlich notwendige richterliche Durchsuchungsanordnung wird oft wegen behaupteter “Gefahr im Verzug” verzichtet.
Hausdurchsuchungen gehören zu den gemeinsten Übergriffen des Staatsapparats: neben dem vordergründigen Ziel, etwas zu finden, mit dem sie dir was anhängen können, ist das Eindringen in deine Wohnung auch immer ein Versuch, dich zu demütigen, zu demoralisieren und “Allmacht” über dich zu demonstrieren. Dem kannst du am besten widerstehen, wenn du einen ruhigen Kopf bewahrst! Wenn sie dich morgens geweckt haben, werde erstmal richtig wach, setz dir einen Kaffee auf, geh aufs Klo…
Wenn sie erstmal in Deiner Wohnung stehen, kannst du die Durchsuchung nicht mehr verhindern. Aber du kannst einiges tun, damit sie nicht zur Katastrophe wird:
Das Wichtigste: Keine Aussage, kein Wort von dir z.B. zu dem Vorwurf, aufgrund dessen die Durchsuchung stattfindet. Du solltest ja ohnehin nie mehrere Exemplare von “brisanten” Flugblättern im Haus haben (dir könnte “Verbreitung” vorgeworfen werden), vor Demos oder größeren Ereignissen räumst du deine Bude ohnehin gründlich auf (auch das Piece und die Quittung vom letzten Versicherungsbetrug!) — falls sie trotzdem was “belastendes” finden: kein Wort von dir dazu! Auch nicht: “Das gehört mir nicht” o.ä., einfach gar nix!
Versuche Zeug*innen herbeizuholen, rufe Freund*innen an und lass den Hörer daneben liegen, damit der*die Angerufene so ungefähr mitbekommt, was abgeht. Wenn möglich, informiere deine*n Rechtsanwält*in. Lass dir die Duchsuchungsanordnung zeigen, verlange eine Kopie; bei “Gefahr im Verzug” lass dir zumindestens den Grund der Durchsuchung genau sagen und die Sachen, nach denen gesucht wird und schreib dir alles auf. Schreib dir Namen und Dienstnummern der Beamten auf. Verlange, dass deine Beschwerde (ohne inhaltliche Begründung!) zu Protokoll genommen wird.
Du hast das Recht, bei jedem einzeln durchsuchtem Raum dabei zu sein. Verlange deshalb, dass ein Raum nach dem anderen durchsucht wird. Wird etwas mitgenommen, Beschlagnahmeverzeichnis verlangen, aber nicht unterschreiben! Wenn nichts beschlagnahmt wurde, lass dir auch das bescheinigen.
Wenn sie wieder weg sind, detailliertes Gedächtnisprotokoll anfertigen, EA, Prozessgruppe, Rote Hilfe oder Anwält*in informieren. Dann lade enge Freund*innen ein, denn nach einer solchen Sache bist du mit den Nerven erstmal fertig und hast jedes Recht, dich auszuquatschen, auszuheulen und/oder verwöhnen zu lassen!
Vorladungen
Wochen oder Monate nachdem du dich an einer Aktion/Demo beteiligst hast, bekommst du Post von den Bullen oder der Staatsanwaltschaft, manchmal rufen sie auch an.
Egal, ob du Zeug*in oder Beschuldigte*r in ihrem Spielchen sein sollst, spätestens jetzt ist es Zeit, dich an EA oder Rote Hilfe zu wenden und eine Anwält*in zu suchen. In den meisten Fällen ist jetzt der Zeitpunkt, die Sache öffentlich zu machen, politischen Protest zu organisieren und Solidarität einzuwerben.
Auf keinen Fall ist eine Vorladung Grund, in Panik zu geraten oder plötzlich einer*m Anwält*in mehr zu trauen als den eigenen politischen Überzeugungen und auf irgendeinen Handel mit der Staatsgewalt zu spekulieren. Hier gilt wie immer: Ruhe bewahren — Widerstand organisieren! Bisher war der Repressionsapparat noch immer eher bereit, seine Verfolgung zurückzunehmen, wenn in einem Fall großer öffentlicher Druck aufgebaut werden konnte, als wenn die Verfolgten sich einschüchtern ließen!
Aussageverweigerung als Beschuldigte*r/Angeklagte*r
Als Beschuldigte*r (so heißt das im Ermittlungsverfahren) oder Angeklagte*r (im Strafprozess) hast du jedes Recht, die Aussage zu verweigern, in jeder Phase des Verfahrens. Das solltest du zu Beginn der Verfolgung auf jeden Fall tun! Nie ein Wort “zur Sache” nach der Festnahme, Hausdurchsuchung oder beim Verhör. Wirst du von der Polizei vorgeladen, musst du nichtmal hingehen. Zur Staatsanwaltschaft und zum*r Ermittlungsrichter*in (und natürlich ggf. zu Deinem eigenen Prozesstermin) musst du erscheinen, aber nichts sagen. Ob du später im Prozess eine Erklärung, “politisch” oder “zur Sache”, abgeben willst, kannst du später immer noch in Ruhe mit Genoss*innen, EA, Roter Hilfe oder Rechtsanwält*in besprechen.
Aussageverweigerung als Zeug*in
Als Zeug*in ebenfalls kein Wort zur Polizei oder Staatsanwaltschaft! Auch hier gilt: zur Polizei nicht hingehen, zur Staatsanwaltschaft und Richter musst du hin, sonst können sie dich festnehmen und hinschleppen.
In der ersten Phase des Verfahrens, unmittelbar nach der Aktion, nach Festnahme, Durchsuchung, im Verhör, bevor du dich mit Beschuldigten, Prozessgruppe, Roter Hilfe, EA, Anwälten usw. besprechen konntest, ist jede Aussage nur falsch und schädlich, da solltest du auf jeden Fall deinen Mund halten, egal mit was sie drohen oder was sie versprechen. Es gibt in dieser Phase keine “Entlastungsaussagen” und auch keine “harmlosen Aussagen”! Einfach kein Wort, das ist das einfachste und auch der schnellste Weg, aus der Mühle wieder raus zu kommen.
Wirst Du später als Zeug*in von der Staatsanwaltschaft oder zum Gerichtsprozess geladen, solltest du dich genau mit den anderen Beteiligten, vor allem den Angeklagten, beraten, was welche Aussage von dir bringen oder schaden kann. Weil die Staatsjustiz in politischen Prozessen immer mehr veranstaltet, als die Überführung und Verurteilung Einzelner, nämlich z.B. das Ausforschen von Widerstandszusammenhängen, Entsolidarisierung durch Herausgreifen Einzelner, Spalten durch Fordern von Unterwerfungsgesten usw. usw. — darum ist sehr oft auch im Gerichtsprozess das einzige richtige Zeug*innen-Verhalten: konsequente und umfassende Aussageverweigerung.
Als Zeug*in besteht grundsätzlich, sofern kein Zeugnisverweigerungsrecht (z.B. als Verwandter, hierzu zählen auch die/der Verlobte) besteht, die Pflicht zur Aussage. Sie kann mit Ordnungsgeld und Beugehaft durchgesetzt werden.
Der “§55”
Bei bestimmten Fragen hast du das Recht diese nicht zu beantworten, wenn du dich eventuell damit selbst belasten könntest, das sogenannte Aussageverweigerungsrecht (§ 55 StPO). Einige empfehlen dies als Mittel, nichts zu sagen und trotzdem der Beugehaft zu entgehen.
Da du aber begründen musst, warum die Antwort auf diese Frage dich belasten würde, sagst du meist doch ähnlich viel aus, als würdest du die Frage selbst beantworten. Im Gegenteil lieferst du der Gegenseite meist weitere Informationen.
Außerdem gibt es immer Fragen, bei denen eine Selbstbelastung völlig undenkbar ist, die du bei dieser “Taktik” also beantworten müsstest und schon bist du im Reden und die Praxis zeigt, dass niemand mehr in dieser Situation eine selbstbestimmte Grenze ziehen kann. Schließlich lieferst du der Staatsjustiz damit auch die von ihr geforderte Unterwerfungsgeste und trägst ggf. zu einer Spaltung innerhalb der Gruppe der Zeug*innen und Angeklagten bei, denn eine gemeinsame Prozessstrategie ist dann meist nicht mehr möglich.
Daher warnen wir nachdrücklich vor dem Versuch, sich mit der Methode “Aussageverweigerung wegen Selbstbelastung” aus der Affaire ziehen zu wollen!
Beugehaft
Wer nicht als Zeug*in aussagt, obwohl er*sie müsste (also weder Zeugnis- noch Aussageverweigerungsrecht hat), kann mit dem Zwangsinstrument der Beugehaft belegt werden. Damit sollen in erster Linie Aussagen erzwungen werden, es wird aber auch gegen Widerspenstige, bei denen die Ermittler genau wissen, dass sie auch nach Beugehaft keine Aussagen bekommen werden, als Schikane und reine Repressionsmaßnahme genutzt. Es darf Beugehaft von insgesamt sechs Monaten angeordnet werden, also auch mehrmals eine kürzere Dauer, die zusammengerechnet maximal sechs Monate ergeben.
Beugehaft wird manchmal bereits von der Staatsanwaltschaft angedroht, aber auch hier gilt: Ruhe bewahren. Nur der*die Richter*in darf Beugehaft anordnen, nicht die Staatsanwaltschaft! Vor einer eventuellen Beugehaft steht also in der Regel die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten, eine Kampagne zu planen, für die Miete u.ä. zu sorgen, die Folgen für Arbeitsplatz und Schule zu minimieren usw. Wem droht, in diese Situation zu kommen, der*die sollte sofort Kontakt zur Prozessgruppe, EA oder Roten Hilfe aufnehmen.
Schnellverfahren
Seit 1994 bzw. 1997 gibt es das sogenannte “beschleunigte Verfahren” und die “Hauptverhandlungshaft ” — ausdrücklich eingeführt, um “reisenden Gewalttätern”, also Demonstrant*innen, für “kleinere Delikte” (Höchststrafe ein Jahr) einen kurzen Prozess zu machen. Du wirst festgenommen und gleich dabehalten (maximal eine Woche), bis dir einige Tage später der Prozess gemacht wird, mit eingeschränkten Verteidigungsrechten und ohne die Möglichkeit, dich angemessen vorzubereiten.
Schon daraus wird ganz klar: Am Schnellverfahren beteiligen wir uns niemals aktiv! Keine Aussagen, keine Kooperation. Das kann mensch nur “durchstehen” und über sich ergehen lassen, wie einen Regenschauer, da gibt es auch keine Verteidigung! Da von extremen Ausnahmen abgesehen, im Schnellverfahren nur Bewährungs- oder Geldstrafen verhängt werden können, kommst du sofort nach dieser Karikatur einer Gerichtsverhandlung wieder auf freien Fuß. Dann kannst du durchatmen, überlegen, besprechen und wenn du innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegst, dich in aller Ruhe auf den “richtigen Prozess” vorbereiten.
In Hauptverhandlungshaft solltest du versuchen, eine*n Anwält*in zu erreichen, schon damit diese das Schnellverfahren abzuwenden und dich rauszuholen versuchen kann.
Auch macht es natürlich Sinn, in einem Schnellverfahren eine*n Anwält*in dabei zu haben, auch wenn eine sinnvolle Verteidigung gar nicht möglich ist. Auf gar keinen Fall aber solltest du, wenn kein*e Anwält*in dabei ist, irgendwelche Prozessanträge o.ä. selber stellen, auch wenn du vom Gericht belehrt wirst, dass du das kannst! Vor allem keine “Entlastungszeug*innen” benenen oder ähnliches: es hilft dir nichts und du reitest sie rein. Es haben schon Zeug*innen, die von unverteidigten Angeklagten benannt wurden, erstens selber dasselbe Verfahren bekommen und zweitens noch eins wegen “Meineid” in dem Verfahren, in dem sie Zeug*innen waren! Also: Keine Anträge stellen, keine Zeug*innen benennen!
Strafbefehl
Statt eines Prozesses kann dir als Beschuldigter*m nach einer Aktion auch ein sogenannter Strafbefehl ins Haus flattern. Das ist quasi ein Urteil ohne Verhandlung. Legst du dagegen innerhalb von zwei Wochen Widerspruch ein, bekommst du einen ganz normalen erstinstanzlichen Prozesstermin und der Strafbefehl ist dann nur noch die Anklageschrift. Den Widerspruch brauchst du und solltest du nicht begründen. Es gilt, wie nach einer Vorladung: sofort Kontakt aufnehmen zu EA, Roter Hilfe oder anderen Beschuldigten wegen derselben Aktion und zur Rechtsanwält*in.
Wichtig ist, dass du die Zweiwochenfrist einhältst, sonst wird der Strafbefehl rechtskräftig! Solltest du dies wegen Abwesenheit von deiner Wohnung einmal nicht können, z.B. wegen Urlaub, musst du dich sofort nach der Rückkehr beim Gericht melden und das mitteilen und nachweisen (sog. “Wiedereinsetzung in den vorigen Stand”).
Mögliche ausländerrechtliche Folgen politischer Strafverfolgung
Schon während eines Ermittlungsverfahrens (also vor der Verurteilung) kann die Ausländerbehörde versuchen, dich abzuschieben. Voraussetzung ist der Vorwurf einer “schweren” Straftat, z.B. schweren Landfriedenbruchs. Dagegen kann jedoch in den meisten Fällen erfolgreich durch die Einschaltung einer*s Anwält*in vorgegangen werden.
Für Menschen ohne deutschen Pass ist die Hilfe durch Unterstützer*innen-Gruppen und durch Anwält*innen noch viel wichtiger als ohnehin! Am Größten ist die Gefahr, dass du abgeschoben wirst, nach der Verurteilung.
Den relativ größten Schutz gegen Abschiebung haben Geflüchtete, deren Asylantrag anerkannt ist oder die eine Duldung wegen drohender Folter oder drohender Todesstrafe erhalten haben; sie stehen unter dem Schutz der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention, wonach in solchen Fällen eine Abschiebung verboten ist. Doch die politische Zusammenarbeit, z.B. zwischen der BRD und Türkischer Republik, hat es auch in diesem Bereich schon zu praktischen und juristischen Aufweichungen kommen lassen.
Am meisten bedroht durch eine Abschiebung sind Menschen, die sich illegal in der BRD aufhalten, z.B. Geflüchtete, deren Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und die auch keine Duldung erhalten haben. In solchen Fällen sollte sofort nach einer Verhaftung durch die Polizei mit anwaltlicher Hilfe ein (zweiter) Asylantrag gestellt werden, dadurch kann die drohende Abschiebung zumindest verzögert werden und es wird Zeit gewonnen, um weitere Schritte zu überlegen.
Einerseits droht bei politischer Aktivität zunehmend die strafrechtliche Verurteilung, andererseits können dadurch auch neue Asylgründe entstehen. So kann ein sog. Asylfolgeantrag damit begründet werden, dass du in einem Strafverfahren als Aktivist*in gegen den Staat, dessen Staatsangehörigkeit du hast, angeklagt wirst.
Weitere Infos:
Flyer Hausdurchsuchungen