COTTBUS Rechtsradikale Parolen sind in Brandenburg auch aus Kindesmündern zu hören. “Schon in der Grundschule äußern Kinder solche Parolen”, sagte der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Karl-Ludwig Böttcher, an Samstag in Cottbus. Solange an deutschen Stammtischen rechtes Gedankengut geäußert werde, müsse sich niemand über das Verhalten des Nachwuchses wundern. In Cottbus haben sich rund 50 Koordinatoren gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt aus den südbrandenburgischen Kommunen zu einem Erfahrungsaustausch getroffen. Teilnehmer berichteten über einen Wandel der Erscheinungsformen des Rechtsradikalismus. Das betreffe sowohl die Themen als auch den Personenkreis. Laut Böttcher gibt es in der rechten Szene immer mehr intellektuelle Themen und Personen.
WITTSTOCK/NEURUPPIN Ein Aktionsbündnis gegen Gewalt bildete sich in Wittstock. Ins Leben gerufen wurde es vom in der Stadt lebenden neuen Superintendenten des Kirchenkreises Wittstock-Ruppin, Heinz-Joachim Lohmann, und dem Wittstocker Bürgermeister Lutz Scheidemann (FDP).
Die Synode des Kirchenkreises erklärte am Sonnabend in Neuruppin, das Gespräch mit rechtsradikal denkenden Jugendlichen suchen zu wollen. Lohmann: “Das Bündnis richtet sich gegen den organisierten Rechtsradikalismus, der in letzten Wochen mehrfach in Wittstock demonstrierte. Wir wollen den Rechten zeigen, dass sie hier nicht willkommen sind.”
Erstes großes Bekenntnis wird eine Demonstration “Für ein tolerantes Wittstock” am Nachmittag des 8. Dezember sein. Nach dem Friedensgebet will der Zug — leuchtende Kerzen tragend — schweigend durch die Altstadt ziehen. Alle Wittstocker und friedliebenden Menschen der Region sind zur Teilnahme aufgerufen. Dann sprechen Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und Wolfgang Huber, Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Zum Bündnis gehören Vertreter von SPD, FDP, CDU und PDS, Wählergruppen und Religionsgemeinschaften, darunter Landrat Christian Gilde (SPD) und Standortkommandant Wolfgang Engel (CDU).
NEURUPPIN Seinen kleinen Fischereibetrieb hatte Klaus Daniels gestern im Stich gelassen. Stattdessen trieb es den Händler aus Kunsterspring am Mittag in die Kälte vor das Neuruppiner Rathaus — zur Demo gegen den geplanten Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide. Gut 50 Leute machten dort aus ihrer Meinung keinen Hehl, selbst die Bürgerinitiative gegen Fluglärm aus Fehrbellin war vertreten.
Zwar hatte die Bundeswehr diesmal auf ihr mit Musik untermaltes Werbevideo von Tieffliegern und Bombenabwürfen verzichtet und erklärt, das damit keinesfalls eine Provokation beabsichtigt gewesen sei. Zufrieden waren die Vertreter der Anliegergemeinden dennoch nicht. “Die von der Bundeswehr vorgelegten Unterlagen sind äußerst dürftig. Nicht einmal ein Lärmgutachten ist enthalten”, sagte Rheinsbergs Bürgermeister Manfred Richter. Nur eine Passage gibt es dazu in den Unterlagen — und diese stammt laut Landrat Christian Gilde vom Hersteller des Eurofighters.
Doch fehlen ebenso Aussagen zu den Emissionen, zu den Auswirkungen auf die Natur. Immerhin handelt es sich bei dem 144 Quadratkilometer großen Gebiet um ein Areal, dass zu großen Teilen vom Land unter Naturschutz gestellt und als Flora-Fauna-Habitat (FFH) an die Europäische Union gemeldet wurde.
Ungeklärt ist laut Richter zudem, auf welcher Rechtsgrundlage dieses Anhörungsverfahren eigentlich basiert. Eine Antwort darauf hat der Rheinsberger Bürgermeister nicht einmal von den Vertretern der gemeinsamen Landesplanungsabteilung Berlin-Brandenburg, die das nichtöffentliche Verfahren leiten, erhalten. Die Gemeinden forderten gestern deshalb erneut die Einstellung des Verfahrens und zumindest einen Aufschub ihrer Stellungnahme bis Ende März 2002. Die Erklärung der Anliegergemeinden sollte bis 4. Januar vorliegen. Das ist aber schon aus formellen Gründen kaum zu schaffen, da nicht mehr alle Gemeindevertretungen rechtzeitig tagen. Zudem ist nicht sich, ob bis dahin die Bundeswehr die geforderten Unterlagen nachgereicht hat.
Doch auch ohne diese steht für Klaus Daniels schon jetzt eines fest: Er würde lieber 500 Touristen bewirten, als die vereinzelten Soldaten.
Anhörung blieb ohne Annäherung
Landrat Gilde sieht viele Fragen unbeantwortet
NEURUPPIN Die zweite Anhörung zum geplanten Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide in Neuruppin hat gestern keine Annäherung der Standpunkte von Bundeswehr und Bombodrom-Gegnern gebracht.
Landrat Gilde (SPD) sagte, es sei völlig offen geblieben, welche Auswirkungen der Schießplatz auf die Bebauungspläne der Anrainergemeinden, auf die Belange des Naturschutzes und auf die Umwelt haben werde. Die betroffenen Gemeinden hätten deutlich gemacht, dass sie eine Verlängerung der Anhörung über den ursprünglich geplanten Termin des 4. Januar 2002 hinaus für notwendig halten. Dazu erklärte Standortkommandant Oberstleutnant Wolfgang Engel, die Bundeswehr werde dieses Anliegen prüfen.
Frei Heide-Sprecher Benedikt Schirge kündigte an, die Bürgerinitiative werde ihre politischen Aktionen auf künftig in der bisherigen Weise fortsetzen.
Anhörung mit sich selber
Scharfe Kritik von Freie Heide-Sprecher Benedikt Schirge an Bundeswehr
NEURUPPIN Die Bürgerinitiative Freie Heide blieb gestern vor dem Neuruppiner Rathaus unter sich. Anders als am Mittwoch in Wittstock, gab es keine Befürworter des Schießplatzes, die ihren Standpunkt öffentlich demonstriert hätten.
Während vor dem Neuen Rathaus in der Neuruppiner Karl-Liebknecht-Straße die Bombodrom-Gegner ihre Transparente und Plakate in die Höhe hielten, rüsteten sich im Rathaussaal die Kontrahenten für das Anhörungsverfahren. Die Tischplatte vor Oberstleutnant Wolfgang Engel, Kommandant des Truppenübungsplatzes Kyritz-Ruppiner Heide, war mit Broschüren und Papieren bedeckt. Die Frage, ob die Bundeswehr auch das Video wieder zeigen wird, das in Wittstock einen Eklat hervorgerufen hatte, beantwortete Engel so: “Nur, wenn der Wunsch danach besteht”.
Frei Heide-Sprecher Benedikt Schirge wertete das Video als “eine Frechheit”. Der Vorgang beweise, dass die Bundeswehr die Anhörung nicht ernst nehme. Es sei ohnehin der Mangel des Verfahrens, dass die Bundeswehr die Anhörung mit sich selber durchführe. Alle Einwände — gehört werden die Anrainergemeinden des Schießplatzes, der Landkreis und die Planungsgruppe Prignitz/Oberhavel — würden an die Bundeswehr gehen, einen neutralen Bewerter gebe es nicht, beschwerte sich Schirge.
Ohnehin hatte in Wittstock der Anwalt der Freien Heide Dr. Reiner Geulen, bereits die Rechtmäßigkeit des Verfahrens angezweifelt. In diesem Sinne äußerte sich gestern auch Landrat Christian Gilde (SPD). Das Verfahren müsse wegen schwerer rechtlicher Mängel eingestellt werden, meinte Gilde. Der Landrat kritisierte zudem, dass die Nachbarkreise im Norden, Müritz und Mecklenburg-Strelitz nicht in das Anhörungsverfahren einbezogen wurden. Er habe deren Landräte für die kommende Woche zu einem Gespräch eingeladen, um sie auf die neuesten Informationsstand zu bringen. Zu der gestrigen Anhörung meinte Gilde, die Bundeswehr habe viele Fragen offen gelassen. So sei weiter völlig unklar, wie sich der Bombenabwurf-Platz auf die Flächennutzungs- und Bebauungspläne der Gemeinden, auf den Naturschutz und die Umwelt auswirken werde. Auch zur Lärmbelästigung habe es nur sehr vage Angaben gegeben. Die Bürgermeister der Gemeinden und namentlich das Neuruppiner Stadtoberhaupt Otto Theel (PDS) hätten kritisiert, dass die Unterlagen, die die Bundeswehr zur Verfügung stellte, völlig unzureichend sind.
Der Zempower Bürgermeister Wolfgang Bauer habe darauf hingewiesen, das Grundstücksbesitzer mit drastisch sinkenden Bodenpreisen rechnen müssten, wenn der Schießplatz kommt.
Oberstleutnant Wolfgang Engel betonte gestern, dass Bundesministerium der Verteidigung strebe eine rasche Nutzung des Schießplatzes unter Einbeziehung des Anhörungsverfahrens an. Zu diesem Anhörungsverfahren wurde die Bundeswehr vom Bundesverwaltungsgericht verpflichtet. Sie hat dafür den Zeitraum vom 2. Oktober diesen Jahres bis 4. Januar 2002 vorgesehen. Die Gemeinden können sich während dieser Zeit schriftlich oder mündlich äußern. Letzterem dienten die so genannten Erörterungstermine am Mittwoch in Wittstock und gestern in Neuruppin. In der Terminfrage deutete Engel gestern ein mögliches Einlenken der Streitkräfte an. Da viele Gemeinden auf eine Verlängerung drängten, werde die Bundeswehr prüfen, ob sie dem entgegenkommen könne.
Benedikt Schirge meinte gestern, auch in Neuruppin sei deutlich geworden, dass die Bundeswehr-Vertreter das Anhörungsverfahren nicht ernst nähmen. “Wenn die Bundeswehrvertreter uns beispielsweise lapidar erklären, dass sich Truppenübungsplatz und Tourismus miteinander vertragen werden, haben sie nicht begriffen, dass wir das Bombodrom hier absolut nicht wollen”.
WITTSTOCK Das erste Anhörungsverfahren zum Schießplatz Kyritz-Ruppiner Heide endete gestern im Wittstocker Rathaus mit einem Eklat. Als Bundewehroffiziere einen Werbefilm der Streitkräfte vorf¨¹hrten, verließen die Vertreter der Gemeinden nahezu geschlossen die Anhörung. Das teilte Landrat Christian Gilde (SPD) dem RA mit. Zuvor hatte bereits der Anwalt der B¨¹rgerinitiative Freie Heide, der Berliner Rechtsanwalt Dr. Reiner Geulen, gefordert, das Anhörungsverfahren einzustellen. Geulen begr¨¹ndete seinen Antrag damit, dass die Bundeswehr bisher nicht nachgewiesen hat, welche Flächen in der Heide ihr tatsächlich gehören. Zudem kritisierte er, das die Bundeswehr den Anrainergemeinden des Schießplatzes f¨¹r das Anhörungsverfahren nur unzureichende Unterlagen zur Verf¨¹gung gestellt hat.
Eine weitere Anhörung soll heute in Neuruppin stattfinden.
Politplakat und Bibelvision
Anhörung: Pro Bundeswehr und Freie Heide waren auf Wittstocker Markt präsent
WITTSTOCK “Scharping, schick?Soldaten her, Wittstock braucht die Bundeswehr”, forderte ein Plakat. Daneben flatterte ein Transparent mit der biblischen Vision, “Schwerter zu Pflugscharen.”
Vertreter der Initiative Pro Bundeswehr und der B¨¹rgerinitiative (BI) Freie Heide standen sich gestern auf dem Marktplatz Auge in Auge gegen¨¹ber. Die erste Anhörung zum Truppen¨¹bungsplatz nutzten beide Seiten, um ihren Standpunkt öffentlich darzustellen.
Rein zahlenmäßig besaß die Freie Heide eindeutig das Übergewicht. Die Anhänger von Pro Bundeswehr hatten allerdings zwei Gestelle mit Losungen optisch wirksam vor dem Rathaus postiert. Bundeswehr und Tourismus — kein Problem, versicherte eines ihrer Plakate. Inge und Wilhelm Hoffmann aus Preußisch Oldendorf in Westfalen sahen das anders. Wenn hier ein Bombenabwurfplatz eingerichtet werde, w¨¹rden sie Wittstock nicht mehr besuchen, so das Rentnerehepaar. Auch Reiner Kruse aus Ganz bei Herzsprung glaubt nicht daran, dass sich Tourismus und Bundeswehr miteinander vertragen w¨¹rden. Er habe in Ganz ein größeres Anwesen gekauft, das er später touristisch nutzen wolle. “Aber wenn die Berliner mitbekommen, das sie mit Fluglärm konfrontriert sind, rechne ich mir keine Perspektive aus”, sagte Kruse.
Horst Bredlow aus Basdorf ist strikt gegen die Bundewehrpläne. “Die wollen uns zur¨¹ckbomben in die Russenzeit”, glaubt er. Damals seien die Jagdbomber Tag und Nacht ¨¹ber die Dächer des Dorfes gedröhnt. Nicht mal zu Weihnachten hätten die Snowjets den Flugbetrieb eingestellt. “Als meine Kinder noch klein waren, kamen sie manchmal weinend angelaufen, wenn die Bomben oder Granaten zu nahe an unserem Dorf explodierten. Sie hatten solche Angst” erinnert sich Bredlow. Er sei trotz Stasi¨¹berwachung am 9. November 1989 mit anderen Basdorfern zur großen Demonstration nach Berlin gefahren, “weil wir das in unserem Dorf nicht mehr aushalten konnten”.
Politische Unterst¨¹tzung darf der Basdorfer von Monika Böhme und Johannes Oblaski erwarten, die als Vertreter der Großgemeinde Temnitzquell zur Anhörung nach Wittstock gekommen waren. Temnitzquell wende sich geschlossen gegen jegliche Schießplatz-Pläne, versicherten die Gemeinderäte.
Während sich die Anhänger der Freien Heide auf dem Platz vor dem Rathaus zu einem Kreis formierten, flatterten vom Balkon bunte Flugblätter. Auf einem stand zu lesen: “Das sagt mal später Euren Kindern, die Freie Heide wollt´s verhindern: Die riesige Investition im Umfang hunderter Millionen”. “Euch gehts nur ums Geld” ruft eine Anhängerin der Freien Heide empört zum Balkon hinauf.
Politischen R¨¹ckhalt findet Pro Bundeswehr beim Wittstocker B¨¹rgermeister Lutz Scheidemann (FDP). Der zählt auf, was er sich von der Armee erhofft: Eine Garnison mit etwa 800 Soldaten, dazu etwa 150 Zivilbeschäftigte, Investitionen im Umfang von rund 120 Millionen Mark sowie 400 bis 600 Arbeitsplätze f¨¹r zehn bis zwölf Jahre f¨¹r die von der Bundeswehr angek¨¹ndigte Beräumung des Schießplatzes von Blindgängern. Scheidemann f¨¹hlt sich durch den Ausgang der B¨¹rgermeisterwahl in der Dossestadt am 11.November bestätigt. Mit 53,16 Prozent der Wählerstimmen hatte sich der Amtsinhaber, der sich im Wahlkampf f¨¹r den Truppen¨¹bungsplatz aussprach, klar gegen die Konkurrenten durchgesetzt. Mitbewerber Pierre Schwering, der sich ebenso eindeutig gegen den Schießplatz ausgesprochen hatte, blieb mit 26,93 Prozent Stimmenanteil hinter Scheidemann zur¨¹ck. “Wittstock hat gewählt: Bundeswehr”, verk¨¹ndete denn auch ein Transparent, das Anwohner an einem Balkon gegen¨¹ber dem Rathaus befestigt hatten. Während der Neuruppiner Heide-Aktivist Wolfgang Freese ¨¹ber seine Verstärkeranlage den Marktplatz mit ohrenbetäubendem Fluglärm erf¨¹llte, begaben sich um 14 Uhr die Vertreter der Gemeinden und der Bundeswehr zur Anhörung ins Rathaus. Die Dienste der Polizei, die vorsorglich mit einigen Uniformierten vor Ort war, wurden nicht gebraucht.
Heute wird es in Neuruppin eine weitere nichtöffentliche Anhörung geben. Sie beginnt um 13 Uhr im Neuen Rathaus.
“Sieg Heil”-Rufe in Perleberg
PERLEBERG Wegen “Sieg Heil”- Rufen sowie einem Überfall auf einen 17-Jährigen sind zwei Jugendliche in Perleberg festgenommen worden. Die alkoholisierten 16- und 18-Jährigen und ein dritter junger Mann sollen am Dienstagabend den Jugendlichen angegriffen haben, so die Polizei in Oranienburg. Einer habe das Opfer mit Fäusten und Tritten traktiert. Das leicht verletzte Opfer wurde bis zur Wohnung verfolgt. Als eine Nachbarin mit der Polizei drohte, hätten die Täer rechte Parolen skandiert.
NEURUPPIN Die rechtsextreme Szene in Brandenburg wird offensichtlich immer dreister. Der 18-jährige Marco S. hatte auf seinem T‑Shirt den Schriftzug “NSDAP” im Neuruppiner Amtsgericht so provokativ zur Schau gestellt, dass der Staatsanwalt den Prozessbesucher noch während der Verhandlung vorläufig festnehmen ließ. Die etwa 25 Gesinnungsgenossen, die zu dem Prozess gegen fünf Angeklagte aus der Wittstocker Neonazi-Szene angereist waren, reagierten schweigend auf die Festnahme. “Die waren wohl geschockt, dass ein Staatsanwalt so durchgreift”, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt von Neuruppin, Gerd Schnittcher, gestern. Seine Behörde habe keinen Haftbefehl beantragt, weil Marco S. wegen dieses Vorfalls und anderer Delikte im Zusammenhang angeklagt werden soll.
Der Prozess selbst endete am Montag mit der Verurteilung des Wittstockers Dennis St. Nach Auskunft des Neuruppiner Amtsgerichtes wurde der 18-Jährige wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung und zahlreichen anderen Delikten zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Verfahren gegen die vier anderen Angeklagten wurde abgetrennt. Es wird zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt. Laut Anklage sollen sie, wie der verurteilte 18-Jährige, im Mai dieses Jahres in die Wohnung eines Schwarzafrikaners in Wittstock eingedrungen sein. Dabei hätten sie “Wo ist der Neger?” gerufen.
Der 23-jährige Manuel G. sei aus Furcht vor seinen Verfolgern zunächst auf den Balkon seiner Wohnung geflüchtet und dann auf einen Nachbarbalkon geklettert. Von dort sei er abgerutscht, so Neuruppins Chefankläger Schnittcher. Bei seinem Sturz aus dem dritten Stockwerk habe G. sich schwer verletzt.
Laut Oberstaatsanwalt Schnittcher ist in jüngster Zeit “in bedenklich kurzen Abständen” eine Zunahme rechtsextremer Gewalt in Wittstock zu beobachten. “Das bereitet uns erhebliche Sorge”, sagte er. Seine Behörde habe das Problem bereits mit der Polizei erörtert und über geeignete Gegenmaßnahmen beraten.
Obwohl die Polizeibefugnisse mit der Änderung des Polizeigesetzes im Dezember 2000 erneut erheblich ausgeweitet wurden, ist die brandenburgische Polizei in den letzten Monaten mehrfach sogar ueber ihre weitreichenden Befugnisse hinausgegangen. Bereits vor einigen Wochen wurde dem Widerspruch gegen die anlaesslich des Castortransportes verhaengten Aufenthaltsverbote durch das Oranienburger Polizeipraesidium stattgegeben. Wenig spaeter erklaerte das Potsdamer Amtsgericht die Durchsuchung des Wohnprojektes in der Potsdamer Breitscheidstrasse 6 fuer rechtswidrig.
NUNMEHR GAB DAS POLIZEIPRÄSIDIUM ORANIENBURG AUCH NOCH EINEM WIDERSPRUCH GEGEN DIE ANLÄSSLICH DES G 8‑GIPFELS IN GENUA ERTEILTEN MELDEAUFLAGEN ZUR VERHINDERUNG EINER AUSREISE STATT.
Alle drei Polizeieinsaetze waren vom Innenausschuss des Landtages diskutiert und fuer rechtmaessig erklaert worden. Offenbar ist nicht nur die Polizei damit ueberfordert, den Stellenwert der Individualrechte hinreichend bei ihren Massnahmen zu beruecksichtigen, sondern auch der dafuer zustaendige Landtag nicht in der Lage, eine effektive Kontrolle der Polizei sicherzustellen.
GERADE DIE IN DER FORM VON MELDEAUFLAGEN VERHÄNGTEN REISEVERBOTE SIND EIN TIEFER EINGRIFF FÜR DIE BETROFFENEN. MEHRERE PERSONEN WURDEN LEDIGLICH AUFGRUND IHRER POLITISCHEN MEINUNG DARAN GEHINDERT, IN DEN URLAUB ZU FAHREN. DABEI WURDEN FEHLERHAFTE DATENSPEICHERUNGEN DER POLIZEI ÜBER EINZELNE PERSONEN UND VÖLLIG ABWEGIGE BEDROHUNGSSZENARIEN ZUGRUNDEGELEGT.
Reiseverbote und Aufenthaltsverbote erinnern nicht nur stark an Massnahmen von Staatssicherheit und Volkspolizei, sondern belegen, dass die DDR-Sicherheitsorgane offenbar fuer das CDU-gefuehrte Innenministerium noch heute eine Vorbildwirkung innehaben.
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Die Polizei ist immer dabei
Gutgelaunt und medienwirksam nahm Landesinnenminister Jörg Schönbohm am Freitag in Erkner bei Berlin die erste Videoüberwachungsanlage der Polizei in Brandenburg per Knopfdruck in Betrieb. Mit zwei Kameras wird der Vorplatz des S- und Fernbahnhofs der Kleinstadt sowie der Parkplatz Parken und Reisen (P&R) ab sofort von Polizeibeamten vor zwei Monitoren in der Einsatzzentrale aus rund um die Uhr überwacht.
Weitere Überwachungsanlagen in Brandenburg werden zunächst bis zum Ende des Jahres auf dem Bahnhofsvorplatz in Bernau, vor der Diskothek Dancehouse in Rathenow und im Bereich des Hauptbahnhofes der Landeshauptstadt Potsdam geschaltet, andere Anlagen befinden sich in der Planung. Vorausgegangen war der »Scharfschaltung« der Anlage, so O‑Ton Schönbohm, eine Änderung des Brandenburger Polizeigesetzes im Dezember 2000. Demnach darf die Polizei »zur Erfüllung ihrer Aufgaben öffentlich zugängliche Straßen und Plätze mittels Bildübertragung offen beobachten, wenn auf der Grundlage von Lageerkenntnissen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß an diesen Orten Straftaten drohen«. Die Gesetzesänderung ist bis zum Jahr 2006 befristet. Dann soll der Landtag darüber befinden, ob aufgrund der erzielten Ergebnisse die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen dauerhaft festgeschrieben wird. Bis dahin soll die Überwachungsaktion der Polizei lediglich ein »Pilotprojekt« bleiben, welches den Steuerzahler einmalige 70000 Euro für die Installation und jährlich 255000 Euro für den Betrieb kostet.
Schönbohm beeilte sich, den anwesenden Journalisten zu versichern, daß jeder Mißbrauch der Videoüberwachung der Bürger durch die Polizei ausgeschlossen sei. Denn schließlich sei »die Kameraeinstellung so zu wählen, daß bei Übersichtsaufnahmen die Erhebung von identifizierenden Merkmalen nicht möglich ist«. Erst bei einem »begründeten Anfangsverdacht« dürfe der observierende Beamte den Zoom betätigen und die Aufzeichnungsanlage einschalten. Aufzeichnungen, die nicht als gerichtstaugliche Beweismittel in Strafverfahren eingesetzt werden, müßten nach dreißig Tagen automatisch gelöscht werden. Außerdem würden die beobachteten Bürger, so Schönbohm, durch zwei auf dem Gelände aufgestellte Warntafeln von der deswegen »offen« genannten Videoüberwachung informiert. Bürger, die mit der visuellen Bespitzelung »Probleme haben«, könnten auf einer von der Polizei eingerichteten Telefonleitung eine Nachricht hinterlassen. »Wir rufen dann bestimmt zurück«, versprach Polizeidirektor Ulrich Ilus, Schutzbereichsleiter des Kreises Fürstenwalde.
Die Polizeipräsidien Brandenburgs hatten dem Innenministerium zehn Vorschläge für zu beobachtende öffentliche Räume unterbreitet. Die Wahl war unter anderem auf Erkner gefallen, weil hier im Jahre 2000 auf dem P&R‑Parkplatz ganze 176 Fahrräder gestohlen und immerhin 33 Autos aufgebrochen worden waren. Durch die offene Videoüberwachung erhofft sich die Polizei nun einen deutlichen Rückgang der Diebstähle aufgrund des präventiven Effektes. Aber auch für die Präsentation der neuen Polizeistrategie gegenüber den Medienvertretern bot sich der Überwachungsort Erkner-Bahnhofsvorplatz trefflichst an. Auf den Überwachungsmonitoren waren nämlich außer geparkten Autos und abgestellten Fahrrädern tatsächlich keine Bürger zu erkennen. Lediglich die zu Demonstrationszwecken einbestellten Polizeibeamten in Zivil, die sich als Pseudo-Autoknacker von der heraneilenden Besatzung eines Funkstreifenwagens festnehmen ließen, sorgten für Bewegung auf den Monitoren. Möglicherweise hätte eine gleichsam inszenierte Inbetriebnahme der Überwachungskameras auf dem Pahnhof Potsdam oder vor der Diskothek Dancehouse in Rathenow einen bedenklicheren Eindruck hinterlassen.
Doch machte Ex-General Schönbohm deutlich, daß ihm an Kritik und negativer Publicity hinsichtlich der nun in Gang gesetzten raumgreifenden Video-Überwachung in Brandenburg keineswegs gelegen ist. Über eine Äußerung des brandenburgischen Bildungsministers Steffen Reiche (SPD) zeigte sich Schönbohm entrüstet. Reiche soll sich demnach gegen »neue Videotechnik aus alten Stasi-Einrichtungen« ausgesprochen haben. Dies sei die »dümmste Bemerkung«, die er »jemals gehört habe«, erklärte er. Ansonsten weiß der brandenburgische Innenminister offensichtlich eine breite politische Front hinter sich. So beeilten sich der Bürgermeister von Erkner, Joachim Schulze (SPD), und der Landtagsabgeordnete Jörg Vogelsänger (SPD), dem Innenminister zu der neuen Videoüberwachung zu gratulieren und ihm ihre uneingeschränkte Solidarität zu versichern. Nur bei PDS und Grünen in Erkner soll es »Bedenkenträger« gegen die Vollzeit-Überwachung geben. Schönbohm fragte sich dagegen ganz öffentlich, warum die Berliner CDU in ihrem vergangenen Wahlkampf das Thema Videoüberwachung nicht stärker auf die Agenda gesetzt hatte. »Dabei habe ich denen doch angeboten, daß ich da mit reingrätsche«, bedauerte Schönbohm. Sofort fielen ihm überwachbare Plätze wie der Breitscheidplatz oder das Kottbusser Tor in der Hauptstadt ein. Doch hin und wieder hat selbst ein Jörg Schönbohm einen besinnlichen Augenblick. »Wer weiß, ob ich 2006 noch Innenminister bin«, sinnierte der CDU-Politiker, »vielleicht ist ja dann schon Schill in Brandenburg das Zünglein an der Waage.«
Hakenkreuze in Perleberg
Unbekannte Täter haben im Stadtgebiet von Perleberg (Prignitz) Gebäude und Wahlplakate mit rechten Symbolen beschmiert. Dabei handele es sich um Hakenkreuze, Davidsterne mit dem Buchstaben “J” in der Mitte, SS-Runen und Keltenkreuze. Zu den Schmierereien, dessen Beseitigung veranlasst wurde, war es in der Nacht zum Samstag gekommen. Es laufen Ermittlungen wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.