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Flucht & Migration

Falsche Prioritäten bei der Beratung von Geflüchteten

Nach­dem in der let­zten Woche bekan­nt wurde, dass die unab­hängige Rechtsmit­tel­ber­atung für abgelehnte Asyl­suchende an allen Stan­dorten der Erstauf­nah­meein­rich­tung gestrichen wer­den soll1, wird nun mit Blick in den Haushalt­sen­twurf für 2021/2022 deut­lich, dass gle­ichzeit­ig die Mit­tel für eine lan­de­seigene Rück­kehrber­atung in fast gle­ich­er Höhe aufge­stockt wer­den sollen.

Dabei bieten schon jet­zt ver­schiedene Stellen eine „frei­willige“ Rück­kehrber­atung an. Die Teil­nahme an solchen Beratun­gen erfol­gt oft­mals unfrei­willig, teil­weise wird in Einzelfällen auch Druck auf Geflüchtete aus­geübt, an den Ange­boten teilzunehmen. Die Unter­stützungs- und Beratungsange­bote sollen nach Plä­nen der Lan­desregierung in diesem Bere­ich mit 1,2 Mil­lio­nen Euro finanziert werden.

Die Pläne der rot-schwarz-grü­nen Lan­desregierung gehen völ­lig am Bedarf der Rat­suchen­den vor­bei. Nach Infor­ma­tio­nen des Flüchtlingsrats wird die Rück­kehrber­atung im Ver­hält­nis zur Asylver­fahrens- und Rechtsmit­tel­ber­atung weitaus weniger nachge­fragt. So entste­ht im Bere­ich der Rechtsmit­tel­ber­atung der Bedarf unter anderem durch die zunehmend fehler­haften Asy­lentschei­dun­gen des Bun­de­samtes für Migra­tion und Flüchtlinge (BAMF).

Seit einiger Zeit häufen sich gravierende Ver­fahrens­fehler in den Asylver­fahren, die zu falschen Entschei­dun­gen führen.2 Ver­mehrt wer­den Asy­lanträge — ohne Berück­sich­ti­gung der Flucht­gründe und der indi­vidu­ellen Umstände des Einzelfalls — als „offen­sichtlich unbe­grün­det“ abgelehnt. Die Beschei­de des BAMF sind inhaltlich fehler­haft, mitunter euro­parechtswidrig, beziehen sich auf jahre­lang ver­al­tete Infor­ma­tio­nen oder wer­den noch am sel­ben Tag der Anhörung aus­gestellt, was darauf hin­weist, dass die Entscheider*innen sich schon allein aus zeitlichen Grün­den kaum mit dem vor­ge­tra­ge­nen Schutzge­such auseinan­der geset­zt haben kön­nen. Entsprechend übernehmen in solchen Fällen die Gerichte aktuell die Prü­fung der Schutz­gründe und kor­rigieren die Entschei­dun­gen des BAMF, in dem sie den Betrof­fe­nen immer wieder Schutz zusprechen.

Ohne eine externe unab­hängige Beratung und Unter­stützung wür­den Asyl­suchende auf­grund der hohen Hür­den bei ein­er Ablehnung als „offen­sichtlich unbe­grün­det“ es kaum schaf­fen, den Schutz zu bekom­men, den Gerichte ihnen später zus­prechen. Denn die Fris­ten in dem Ver­fahren sind extrem kurz, die Kla­gen müssen umfassend begrün­det sein und durch die isolierte Lage der Stan­dorte der Erstauf­nah­meein­rich­tung ist der Zugang zu Rechtsanwält*innen erschwert.

Durch die beab­sichtigte Stre­ichung der unab­hängi­gen Rechtsmit­tel­ber­atung und den gle­ichzeit­i­gen mas­siv­en Aus­bau der Rück­kehrange­bote set­zt Bran­den­burg flüchtlingspoli­tisch falsche Pri­or­itäten, die an der Real­ität der aller­meis­ten Betrof­fe­nen völ­lig vor­bei gehen. Das Land muss auch weit­er­hin durch unab­hängige Beratungsange­bote den effek­tiv­en Zugang zu Rechtsmit­teln und somit zur Schutzgewährung für Geflüchtete ermöglichen“, fordert Ivana Domazet.

1 https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/zugang-zu-unabhaengiger-rechtsmittelberatung-in-gefahr-fluechtlingsrat-brandenburg- kritisiert-plaene-des-brandenburger-innenministeriums/

2 Es ist nicht das erste Mal, dass das BAMF in Eisen­hüt­ten­stadt neg­a­tiv auf­fällt. In den let­zten Jahren wur­den die Außen­stellen des BAMF hin­sichtlich ihrer Entschei­dung­sprax­is über­prüft. Auf­fäl­lig ist, dass einzelne Außen­stellen des BAMF immer wieder deut­lich schlechtere Schutzquoten bei gle­ichen Herkun­ft­slän­dern im Ver­gle­ich zu anderen BAMF-Außen­stellen aufweisen, darunter auch Eisen­hüt­ten­stadt in Bran­den­burg, siehe auch http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/136/1813670.pdf

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