Die Antwort der brandenburgischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE ist alarmierend. Die Abgeordneten Andrea Johlige und Isabelle Vandre erfragten, wie Kinder und Jugendliche in Brandenburg vor Menschenhandel und Ausbeutung geschützt werden.
Laut des zuständigen Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport werden keine Daten zu möglichen minderjährigen Opfern von Menschenhandel erfasst. Im Fall von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die besonders vulnerabel sind, existieren bei den Jugendämtern keinerlei Statistiken, die über einen Verdachtsfall Auskunft geben könnten. Verschwinden diese Kinder und Jugendlichen aus einer Inobhutnahme, so endet die Zuständigkeit der Jugendämter gemäß SGB VIII nach 48 Stunden; wo der oder die Minderjährige sich befindet, wird dann nicht weiterverfolgt.
Paul Stieber, Landeskoordinator für den Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) für Brandenburg, kritisiert die fehlende Vernetzung der beteiligten Institutionen und das Desinteresse an einer Datenerhebung: „>Nicht erfasst< bedeutet nicht, dass das Phänomen nicht existiert. Mitten in Deutschland werden Kinder und Jugendliche Opfer von Menschenhandel und niemand schaut hin. Schlimmer noch: Die zuständigen Behörden haben nicht einmal das nötige Wissen und Instrumentarium, um einzugreifen. Die Landesregierung muss endlich ihrer Verantwortung nachkommen gegenüber diesen besonders verletzlichen und schutzbedürftigen Kindern und Jugendlichen. Mitarbeiter*innen in den Jugendämtern, bei Polizei, Gerichten, Staatsanwaltschaften und in den Einrichtungen der Jugendhilfe müssen kompetent geschult und sensibilisiert werden. Außerdem brauchen wir Runde Tische auf Landesebene und in den Kommunen.“
Nach erschütternden Missbrauchsfällen in Lügde und Bergisch-Gladbach in NRW wurde die Rolle der Jugendämter auch in Brandenburg intensiv diskutiert. Der Landesregierung liegen jedoch keine Erkenntnisse vor, ob daraus konkrete Handlungsempfehlungen für die hiesigen Behörden erarbeitet wurden.
Es ist belegt, dass die Pandemie zu einer Zunahme von Gewalt gegen Kinder geführt hat. Barbara Eritt vom katholischen Verband IN VIA, Beraterin für Frauen, die von Menschenhandel betroffen sind, ist alarmiert und sieht viele Anzeichen, dass Missbrauchsfälle vermehrt verdeckt ablaufen: „Das tatsächliche Ausmaß der schwersten Form der Verletzung von Kinderrechten ist schwer einzuschätzen. Die Identifizierung von betroffenen Kindern innerhalb der bestehenden Strukturen ist kaum möglich. In Brandenburg ist das Phänomen des Handels mit Kindern im öffentlichen Diskurs nicht angekommen. Auch im politischen Spektrum gibt es hierzu keine Resonanz! Dabei muss der Aufbau von adäquaten und bedarfsgerechten Beratungs- und Unterstützungsangeboten priorisiert werden. Hierzu braucht es unbedingt die Kooperation aller zuständigen Akteure und den Aufbau von nachhaltigen und institutionalisierten Strukturen.“