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(Anti-)Rassismus

Wir werden weiter kämpfen“

Geflüchtete in Brandenburg/Havel machen Spon­tan-Kundge­bung vor der Aus­län­der­be­hörde. Sozialamt und DRK nehmen Gespräch­sange­bot an. Inte­gra­tions­beauf­tragte von Stadt und Land vor Ort.

So, wie wir heute hier ste­hen, wün­schen wir uns die Gesellschaft: Geflüchtete ste­hen mit Deutschen Seite an Seite und arbeit­en als Team“. So eröffnete Eric Mbi­akeu am Dien­stag (30.3.21) eine angemeldete Kundge­bung auf dem Neustädtis­chen Markt. Ins­ge­samt 100 Geflüchtete sowie 20 Unterstützer_innen nah­men teil, auch Frau Lem­mer­meier und Frau Tietz als Inte­gra­tions­beauf­tragte des Lan­des und der Stadt hörten sich die Rede­beiträge an.

Von der einge­planten Musik beka­men sie dabei kaum zu hören: Die Bewohner_innen der Sam­melun­terkün­fte Flämingstraße und Upstall­straße hat­ten so viel zu sagen, dass die angemelde­ten drei Stun­den durchge­hend mit Rede­beiträ­gen und poli­tis­chem Gesang gefüllt waren. Ins­ge­samt bracht­en 13 Men­schen aus neun Län­dern ihre Sor­gen, Hoff­nun­gen und Forderun­gen zum Ausdruck.

Wir sind gekom­men, um hier zu bleiben“ stellte etwa Franklin aus Kamerun klar — und ergänzte: „Wir wollen ein aktiv­er Teil der deutschen Gesellschaft wer­den“. Doch die Leben­sträume viel­er junger Geflüchteter stün­den vor ein­er harten Probe: „Wenn du jahre­lang in einem Lagerst wohnst, hörst du auf zu Träumen“.
Unter den Redner_innen nah­men einige zum ersten Mal an ein­er poli­tis­chen Ver­samm­lung Teil. So etwa ein 17-jähriger Junge aus Tschetsche­nien: „Ich lebe seit sieben Jahren in Deutsch­land, ich kenne das Land mein­er Eltern kaum. Deutsch­land ist meine Heimat. Aber wegen mein­er Dul­dung darf ich keine Aus­bil­dung anfan­gen. Was soll ich machen?“.

Andere Forderun­gen wie bezahlbares Wohnen, gute öffentliche Mobil­ität, starkes Inter­net und faire Löhne hät­ten dabei all­ge­meine Gültigkeit: „Den Kampf um soziale Gerechtigkeit müssen ja nicht nur die Geflüchteten führen: Wir kön­nen nur eine offene und sol­i­darische Gesellschaft wer­den, wenn alle Men­schen gute Lebens­be­din­gun­gen haben — egal ob als deutsche Rent­ner­in, Allein­erziehen­der oder eben als neuer Mit­bürg­er“, erk­lärt Josch­ka Waas von See­brücke Pots­dam die poli­tis­che Hal­tung der Teilnehmenden.

Zwis­chen­drin gab es auch ruhige Momente. Mit ein­er Schweigeminute gedacht­en die Men­schen der jüng­sten Todes­fälle Bran­den­burg­er Lagerbewohner_innen, darunter Salah Tay­yar. Der Mann aus dem Tschad hat­te sich vor zwei Wochen offen­bar auf­grund der dro­hen­den Abschiebung in Eber­swalde das Leben genommen.
„Wie viele sollen in den Lagern noch an Coro­na, Gewalt und dro­hen­der Abschiebung ster­ben?“, fragte Fiona aus Kenia im Anschluss sichtlich bewegt in den Raum. „No Jus­tice – No Peace“ („Ohne Gerechtigkeit – Kein Frieden“) und „Stopp Duldung!“-Sprechchöre waren die Antwort.
In Absprache mit der über­aus fre­undlich auftre­tenden Ein­sat­zleitung der Polizei tru­gen einige der Kundgebungsteilnehmer_innen daraufhin spon­tan mit Schildern ihre Forderun­gen vor die Aus­län­der­be­hörde der Stadt. „Wir suchen kein Prob­lem mit der Stadt, son­dern Möglichkeit­en für eine Besserung“, brachte Serges aus Kamerun dort mit Mega­fon zum Ausdruck.

Am Ende zeigten die Veranstalter_innen sehr zufrieden mit der Aktion. „Wir kon­nten 200 Infor­ma­tion­szettel an inter­essierte Brandenburger_innen verteilen und freuen uns über das Presse-Echo“, freute sich Eric Mbi­akeu als Anmelder der Demon­stra­tion. Dass die Leitung von Sozialamt und DRK ihr Gespräch­sange­bot auf­greifen, nehmen sie pos­i­tiv zur Ken­nt­nis. An den Dia­log haben sie konkrete Erwartun­gen: „Es muss kurz- und mit­tel­fristige Maß­nah­men für wesentliche Besserung geben“, stellt Mbi­akeu klar. Die Leute stellen sich auf einen lan­gen und schwieri­gen Weg ein. „Wir wer­den auch auf der Straße weit­erkämpfen, bis wirk­lich etwas erre­icht ist“, kündigt Franklin aus Kamerun am Ende der Ver­anstal­tung an.

Und auch über­re­gion­al soll es weit­erge­hen: Schon am 6. April wollen einige der Geflüchteten nach Eber­swalde fahren, um an der dor­ti­gen Gedenk-Demon­stra­tion für Salah Tay­yar teilzunehmen.

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