Es sollte eigentlich nur eine ganz normale Silvesterfeier werden, so ein Vertreter des linksalternativen Jugendwohnprojektes Mittendrin. Nach einem einwöchigen Arbeitseinsatz am neuen Bahnhofsdomizil, wollten die Jugendlichen zu aufgelegter Musik tanzen und gemeinsam feierlich das Neue Jahr begrüßen. Doch es kam dann doch ganz anders als gedacht.
Gegen 23.45 Uhr begaben sich die meisten Jugendlichen, es mögen insgesamt ungefähr 20 Personen gewesen sein, langsam aus ihrem Objekt in den Kreuzungsbereich August Bebel Straße Ecke Schinkelstraße, um mutmaßlich Punkt 00.00 Uhr das Neue Jahr zu begrüßen. Sie waren auch nicht die Einzigen auf der Straße. Auf der Schinkelstraße, Höhe Pizzeria und Höhe Feuerwehr, befanden sich bereits Personen anderer privater Feiern, die bereits vor Mitternacht Böller warfen und Raketen in den Himmel stiegen lassen. Ebenso in der August Bebel Straße Ecke Schulzenstraße.
Doch plötzlich näherten sich gegen 23.50 Uhr mindestens vier Polizeifahrzeuge, darunter auch Bereitschaftspolizei der Landeseinsatzeinheit (LESE), dem JWP Mittendrin. Es soll „Beschwerden“ der Anwohner_innen gegeben haben, sei einem Vertreter des Mittendrin später erklärt worden. Trotzdem war die Polizei auffallend schnell, innerhalb von 5 Minuten, vor Ort, obwohl der nächste LESE-Standort im 30 Minuten entfernten Oranienburg liegt. Offensichtlich war der Polizeieinsatz also bereits vorher schon geplant.
Sofort nach Ankunft der Polizei setzte diese zunächst die Räumung der Kreuzung August Bebel Straße Ecke Schinkelstraße durch. Alle Jugendlichen, die sich auf der Straße befanden, leisteten dem folge. Die Personen, die hingegen auf der Straße vor der Pizzeria und vor der Feuerwehr feierten wurden von der Polizei nicht beachtet. Trotzdem blieb die Lage erst einmal entspannt.
Gegen 00.00 Uhr wurde dann eine, nach draußen gebrachte Musikanlage aus dem Mittendrin, vergleichbar einer gewöhnlichen Stereoanlage, eingeschaltet. Es erklang das alte Arbeiterlied „Die Internationale“, welches mancherorts, auch heute noch, sogar von SPD Bundestagsabgeordneten gesungen wird. Doch im SPD regierten Brandenburg stellt das Abspielen dieses Liedes, in Mitten laut krachender Silvesterböller, offenbar eine „Ruhestörung“ da und wurde umgehend durch die Polizei unterbunden. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Doch die Lage blieb weiterhin entspannt. Auch als aus und auf dem Gebäude des Mittendrin, ähnlich wie in den Vorjahren, Signalfackeln gezündet und in den Straßen die silvesterübliche Böllerei ihren Höhepunkt erreichte.
Obwohl die Lage aber friedlich und seitens des Mittendrin keine Eskalation erkennbar war, schien es so als ob der Polizeieinsatz aber dann noch irgendwie gerechtfertigt werden musste. In der allgemeinen Böllerei wollen die Beamten eine Teenagerin ausgemacht haben, die angeblich mit nicht genehmigten Silvesterknallern handiert haben soll. Sie wird von mehreren Beamten kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Nun regt sich erstmals großer Unmut unter den Anwesenden Jugendlichen, die bisher jeder Anweisung der Polizei Folge geleistet hatten. Es wird laut protestiert. Und es ist immernoch die Zeit zwischen 00.00 und 01.00 Uhr, dem Höhepunkt des Silvesterfeuerwerks. Zudem sind dutzende Menschen auf den Straßen, nicht nur Mittendrinler. Die Lage für die Polizei wird unübersichtlicher und die Beamten zunehmend nervöser. Ein Irrsinn zu diesem Zeitpunkt überhaupt einen Polizeieinsatz durchzuführen, viel zu leicht könnte aus einer Nichtigkeit eine eskalierende Situation werden.
Und so kommt es dann auch. Irgendwann knallt ein Böller zwischen den Beamten. Von wem er geworfen wurde und ob dieser überhaupt zielgerichtet zwischen die Polizisten flog bleibt unklar. Jedenfalls scheint für die Polizei die Täterschaft fest zu stehen. Mehrere Beamter stürmen nun auf einige Jugendliche aus dem Mittendrin zu und versuchen diese habhaft zu werden. Doch die Kids sind schneller, fliehen ins JWP und machen die Tür zu. Vergeblich versuchen die Beamten nun ins Haus einzudringen, scheitern aber an der massiven Eingangstür in der August Bebel Straße. Überfordert und Ratlos scheinen sie davor zu stehen.
Anscheinend reift in dieser Situation aber nun die Erkenntnis, dass ihr Einsatz endgültig gescheitert ist. Offenbar, um nicht noch weiter eskalierend zu wirken, ziehen sich alle Polizeikräfte gegen 01.20 Uhr zurück.
Fotos: Presseservice Rathenow