(EPD, Berliner Zeitung) POTSDAM. Die geplante Abschiebung einer kongolesischen Familie aus
Brandenburg ist vom Ausländerbeauftragten der Berlin-brandenburgischen
Kirche Hanns Thomä-Venske als völlig inakzeptabel bezeichnet worden. In der
Demokratischen Republik Kongo würden die Menschenrechte nicht gewahrt, 73
Prozent der Menschen litten Hunger. Ein Anwalt der seit über zehn Jahren in
Deutschland lebenden Familie will gegen die Abschiebung einen Eilantrag beim
Verwaltungsgericht stellen.
Offenes Klima — mit einer Ausnahme
Eine kongolesische Familie, die seit elf Jahren in der Stadt Brandenburg
lebt, soll am Montag abgeschoben werden. Eigentlich könnte für sie die
Altfallregelung gelten. Ein entsprechender Antrag wird seit einem Jahr nicht
bearbeitet. Nun wollen Freunde die Abschiebung verhindern
Die ungleichen Familien kamen zeitgleich nach Brandenburg an der Havel.
(TAZ) Andrea-Carola und Fritz Rudolf Güntsch Ministerialdirektor im Ruhestand,
Informatikprofessor und prominenter Computerpionier, zogen 1992 aus
Baden-Württemberg in die Heimatstadt des Ehemanns. “Wir waren beeindruckt
von dem offenen Klima”, sagt Andrea-Carola Güntsch. Mit einer Einschränkung:
“Überall treffe ich auf freundliche Menschen, nur nicht in der
Ausländerbehörde!”
José Ndualu, Kunststudent aus Kinshasa, kam im Mai 1992 unfreiwillig in die
Havelstadt. Der damals 23-Jährige floh nach Deutschland, nachdem er an der
Universität in Kinshasa Proteste gegen ein Massaker der Regierungstruppen an
Studierenden und Lehrkräften organisiert hatte. Weil José und wenig später
seiner Ehefrau Clara die Flucht nach Europa gelang, ließen Mobutus Soldaten
ihren Zorn an der im Kongo verbliebenen Familie aus. Eine Schwester und die
Mutter wurden öffentlich vergewaltigt; 1999 gipfelte der Terror in der
Ermordung der Mutter.
Kontakt mit Deutschen hatten José und Clara Ndualu in den ersten fünf Jahren
ihres Aufenthalts in Brandenburg-Stadt kaum. Die soziale Isolation, die mit
dem reglementierten Heimleben von Asylsuchenden einhergeht, brach erst auf,
als das kongolesische Ehepaar im Jahr 1997 nach der Geburt ihres Sohnes im
Standesamt zufällig auf das Ehepaar Güntsch traf. Seitdem, sagt
Andrea-Carola Güntsch, “ist die Familie in unseren Freundeskreis einbezogen
und gut integriert”. Der sechsjährige Glody und der dreieinhalbjährige
Rudolf Dovny besuchen einen städtischen Kindergarten und sprechen fließend
Deutsch.
Nun ist das Engagement der Güntschs buchstäblich die letzte Hoffnung für die
Freunde. Geht es nach der Ausländerbehörde der Stadt Brandenburg, soll die
Familie Ndualu am Montag in die Demokratische Republik Kongo abgeschoben
werden. Denn ihre Asylanträge sind letztinstanzlich abgelehnt. Und einen
Antrag auf eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung nach der so genannten
Altfallregelung hat die Ausländerbehörde im Oktober 2001 abgelehnt. Zu
Unrecht, davon ist Rechtsanwalt Stefan Gräbner überzeugt. Denn die Familie
erfülle die Bedingungen für “Altfälle” nahezu mustergültig: Sie sei
integriert, ohne Vorstrafen und lebe in einer eigenen Wohnung. Clara Ndualu
Kamisa arbeitet seit Anfang 2002 als Zimmermädchen in einem Potsdamer Hotel.
Eine Antwort auf den Widerspruch gegen die Entscheidung der
Ausländerbehörde, den die Familie im November 2001 einlegte, haben die
Ndualus auch zwölf Monate später noch nicht in der Hand. Gespräche, die das
Ehepaar Güntsch, die PDS-Landtagsabgeordnete Petra Faderl und Gräbner in den
letzten Monaten mit der Ausländerbehörde und Brandenburgs Oberbürgermeister
Helmuth Schmidt (SPD) führten, blieben ebenso ergebnislos wie eine
Dienstaufsichtsbeschwerde. “Nach außen hin wird Entgegenkommen signalisiert,
aber in Wirklichkeit wird weiter die Abschiebung vorbereitet”, sagt der
Rechtsanwalt. Faderl kritisiert, man habe “nicht zeitnah genug gearbeitet”
und nutze “aus Angst vor dem Potsdamer Innenministerium” den
Ermessensspielraum nicht.
Der taz ließ Oberbürgermeister Schmidt ausrichten, er werde in der nächsten
Woche prüfen, warum die Ausländerbehörde den Widerspruchsantrag der Ndualus
seit über einem Jahr nicht bearbeitet hat. Um zu verhindern, dass die
Familie dann schon im Flugzeug nach Kinshasa sitzt, hat Rechtsanwalt Gräbner
gestern einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Potsdam gestellt.
Andrea-Carola Güntsch sagt, “die Schikanen” der Ausländerbehörde dürften
nicht zum Erfolg führen.