(FR) NEURUPPIN, 16. April (ap). Weil sie tatenlos zusahen, wie Rechtsradikale im
brandenburgischen Potzlow einen 17-Jährigen zu Tode quälten, müssen sich
zwei Augenzeugen vor Gericht verantworten. Wie eine Sprecherin am Mittwoch
mitteilte, wird die Staatsanwaltschaft Neuruppin Anklage wegen unterlassener
Hilfeleistung erheben. Die 42-jährige Frau und ihr 37-jähriger Bruder seien
nicht eingeschritten, als das Opfer vier Stunden lang in ihrer Wohnung
geschlagen und getreten worden sei. Beide waren nach Angaben der
Staatsanwaltschaft zur Tatzeit alkoholisiert. Ihnen droht eine
Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr.
Zwei 17-jährige und ein 23-jähriger Rechtsradikaler hatten ihr Opfer im Juli
vergangenen Jahres erschlagen, weil ihnen sein Aussehen nicht passte. Die
Leiche des 17-Jährigen, der Hip-Hopper-Hosen trug und blondierte Haare
hatte, versenkten sie in einer Jauchegrube.
Anklage gegen Zeugen des Mordes von Potzlow
Staatsanwaltschaft: Sie hätten das Verbrechen verhindern können
(Tagesspiegel) Potzlow / Neuruppin. Der Mord an dem 17-jährigen Marinus Schöberl in Potzlow
in der Uckermark hatte landesweit Entsetzen hervorgerufen — auch wegen der
grausigen Begleitumstände. So war die Leiche des Jungen erst Monate nach dem
Verbrechen in einer Jauchegrube entdeckt worden. Außerdem stellte sich
schnell heraus, dass drei Erwachsene offensichtlich tatenlos zugesehen
hatten, wie die Rechtsradikalen Marcel (17) und Marco Sch. (23) sowie
Sebastian E. (17) am 12. Juli 2002 brutal auf ihr Opfer einprügelten und es
quälten.
Gegen zwei der drei Zeugen hat die Staatsanwaltschaft Neuruppin jetzt
Strafbefehle beantragt: Monika S. (42) und Burkhard V. (37) müssen sich
wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten. Sie sollen nicht
eingeschritten sein, als die mutmaßlichen Täter Marinus stundenlang in der
Wohnung von Monika S. quälten. Die Staatsanwaltschaft meint, dass sie den
Mord hätten verhindern können. Bei einer Verurteilung droht ihnen eine
Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Einem dritten
Zeugen, dem 46-jährigen Reiner Sch., konnte nicht nachgewiesen werden, dass
er die Straftat bewusst wahrnahm. Wie die Neuruppiner Staatsanwältin Eva
Hoffmeister dem Tagesspiegel sagte, schlief der Mann im Nebenzimmer seinen
Rausch aus: “Gegen ihn besteht daher kein hinreichender Tatverdacht.”
Gegen die Brüder Marcel und Marco Sch. sowie ihren Freund Sebastian E. war
bereits im Februar Anklage erhoben worden — wegen gemeinschaftlichen Mordes.
Während der Ermittlungen hatte sich herausgestellt, dass die mutmaßlichen
Täter ihr Opfer aus einer menschenverachtenden, rechtsextremen Gesinnung
heraus als “Judenschwein” beschimpften und ihm in einem Schweinestall
gezielt mit Stiefeln ins Genick traten. Die Staatsanwaltschaft geht auch
davon aus, dass sie Marinus Schöberl schließlich ermordeten, um die
vorangegangene Folter zu verdecken. Damit seien mehrere Tatmerkmale für
einen Mord erfüllt.