Flüchtlingsfrauen erleben tagtäglich strukturelle Gewalt:
Sie werden durch ein Leben in Sammelunterkünften mit Essenspaketen oder Gutscheinen entwürdigt und entmündigt. Sie leiden darunter, um jede Krankenbehandlung für sich oder ihre Kinder beim Sozialamt betteln zu müssen. Auch durch Arbeitsverbote und mangelnde Möglichkeiten Deutsch zu lernen werden asylsuchende Frauen ausgegrenzt und ans Haus gefesselt. Viele Flüchtlingsfrauen warten jeden Tag auf ihre Abschiebung in andere europäische Länder wegen „Dublin III“. Das bedeutet sie werden wie Stückgut durch ganz Europa hin und her geschickt und können sich nie sicher fühlen.
Als Frauen sind sie aber auch mit Gewalt gegen Frauen konfrontiert, eine der häufigsten Menschenrechtsverletzungen weltweit.
Dieses Schicksal teilen sie mit vielen Frauen auf der ganzen Welt. Gleichzeitig werden Flüchtlingsfrauen durch die Unterbringung in Lagern vor Gewalt noch weniger geschützt, als andere Frauen.
Schutz und Hilfe vor Gewalt gegen Frauen?
Asylsuchende Frauen erhalten wenig oder keine Information über die Rechtslage und Hilfsangebote. Das Personal in den Sammelunterkünften verhält sich oft unsolidarisch oder ist überfordert und häufig schlecht informiert.
Eine junge Frau wird von ihrem Ex-Partner, der in derselben Unterkunft lebt, schwer misshandelt und bedroht. Sie wendet sich hilfesuchend an MitarbeiterInnen des „Heims“ und bekommt den „Rat“, sie solle sich zu ihrem Schutz in ihrem Zimmer einschließen. Für ihren Schutz während der Benutzung der Gemeinschaftsküche und der Sanitärräume fühlt sich vom Personal der Unterkunft niemand zuständig.
Hinzu kommt, dass asylsuchende Frauen ihren Alltag und ihre Lebensperspektiven in einem Ämterdschungel organisieren müssen, der für sie schwer zu durchschauen ist: Hausordnung, Gutscheine, Unterbringung in Sammelunterkünften, Residenzpflicht, Wohnsitzauflage, Arbeitserlaubnis oder Arbeitsverbot, Asylverfahren, Aufenthaltserlaubnis oder Abschiebung… Jedes individuelle und existenzielle Bedürfnis von Asylsuchenden wird von Behörden oder von vermeintlichen oder tatsächlichen Autoritäten verwaltet. Ob Waschschutz, Heimleitung, Sozialamt, Ausländerbehörde, Jugendamt, Polizei oder Beratungsstelle …welche dieser Autoritäten für was zuständig ist, ist für Asylsuchende nur schwer zu durchschauen und nur selten werden sie als unterstützend erlebt. Umso schwerer fällt es asylsuchenden Frauen, sich vorzustellen, dass eine dieser Autoritäten oder Institutionen für ihren Schutz zuständig sein könnte.
Tatsächlich scheinen sich Behörden oder Institutionen auch oft nicht zuständig zu fühlen. Denn häufig ist die Aufnahme in ein Frauenhaus an eine Finanzierungszusage des Sozialamts geknüpft, die wiederum unter Bezugnahme auf das Asylbewerberleistungsgesetz, die Residenzpflicht oder die Wohnsitzauflage verweigert werden kann.
Eine alleinerziehende Asylsuchende flieht aus Angst vor den gewalttätigen Übergriffen ihres 17-jährigen Sohnes zunächst zu einer Freundin und versucht dann telefonisch einen Platz in einem Frauenhaus zu bekommen. Nach zahlreichen Telefonaten hat sie endlich Tage später ein Frauenhaus in einem anderen Landkreis gefunden, das Platz für sie hat. Das zuständige Sozialamt verweigert die Finanzierung, deshalb wird sie nicht aufgenommen. Wochen später nimmt ein Berliner Frauenhaus sie zunächst auf und teilt ihr dann aber unter Verweis auf die Residenzpflicht und die bestehende Wohnsitzauflage mit, sie könne nur bis Ende des Monats bleiben. Das zuständige Jugendamt verlangt die Rückkehr der Mutter in die Sammelunterkunft und blockiert alle Anträge auf Umverteilung. Die betroffene Frau “wohnt” daraufhin monatelang mal hier mal da bei Freundinnen.
Wer schlägt, muss gehn?
In der brandenburger Behördenpraxis werden wesentliche Bestandteile des Gewaltschutzgesetzes in Sammelunterkünften nicht eingesetzt und asylsuchende Frauen bleiben damit ungeschützt.
Zum einem erlässt die Polizei in der Regel keine Schutzanordnungen, die den Gewalttäter vorübergehend aus dem gemeinsamen Haushalt mit dem Opfer, in diesem Fall in einer Sammelunterkunft, weg weist.
Und zum anderen sehen bürokratische Regelungen der Landesregierung eine dauerhafte sichere räumliche Trennung von Täter und Opfer, nur dann vor, wenn das Opfer in einen anderen Landkreis umverteilt werden möchte.
Diese Praxis steht aus unserer Sicht in eklatanten Widerspruch zum Gewaltschutzgesetz und häufig auch dem Kindeswohl.
Potsdam: Eine schwangere Frau mit zwei kleinen Kindern muss durch mehreren Frauenhäusern des Landes wechseln, ehe sie mit den Kindern schließlich, nach der Eröffnung einer Gemeinschaftsunterkunft für Frauen, in Potsdam untergebracht werden kann. Der gewalttätige Ehemann verbleibt die ganze Zeit in der Gemeinschaftsunterkunft. Seine Umverteilung in eine andere Unterkunft in einen anderen Landkreis ist nach Rechtsauffassung der Ausländerbehörde und des Innenministeriums nur auf seinen eigenen Wunsch hin möglich.
Deshalb fordern wir von Politik und Verwaltung Maßnahmen zum Schutz von asylsuchenden Frauen:
» Jede Frau hat ein Recht auf Schutz vor Gewalt! Institutionen, die Unterstützung für betroffene Frauen anbieten, müssen mit ausreichend Mitteln ausgestattet werden, um ihre Angebote auch auf asylsuchende Frauen auszurichten. Es muss gewährleistet werden, dass alle von Gewalt betroffenen Frauen – unabhängig vom Aufenthaltsstatus – und ihre Kinder sicher, schnell, unbürokratisch und bedarfsgerecht Schutz und qualifizierte Hilfe in einem Frauenhaus ihrer Wahl erhalten können.
» Das Gewaltschutzgesetzes muss auch für asylsuchende Frauen gelten! Dafür brauchen Polizei und Verwaltungsbehörden eine Weisung aus dem Sozial- und dem Innenministerium und eine entsprechende Klarstellung im Landespolizeigesetzes.
» Lebensbedingungen von Asylsuchenden in den Sammelunterkünften befördern Gewalt gegen Frauen. Deshalb sollen asylsuchende Frauen in Privatwohnungen am Ort ihrer Wahl leben können.