Das Land Brandenburg träumt vom wirtschaftlichen Aufschwung. Doch selbst in den »Wachstumskernen« ist davon wenig zu spüren. Teil eins.
(Rainer Balcerowiak) Folgt man den Erklärungen führender Landespolitiker und Wirtschaftsverbandsvertreter, geht es in Brandenburg – wenigstens perspektivisch – wirtschaftlich aufwärts. Von »Wachstumskernen« und »Kompetenzzentren« ist ebenso oft die Rede wie von »innovativen Konzepten«. Kritiker dieser gelinde gesagt geschönten Darstellungen verweisen auf den ungebremsten Exodus gerade junger und qualifizierter Brandenburger, die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die beeindruckend lange Liste von Subventionsruinen, die die Wirtschaftspolitiker des Landes auf dem Kerbholz haben. Projekte wie die Chipfabrik, die Cargolifterhalle, der Lausitzring und der Schwedter Oderhafen sind geradezu Synonyme für eine Wirtschaftspolitik geworden, deren herausragende Merkmale Größenwahn und Unfähigkeit zu sein scheinen.
Angesichts dieser weitverbreiteten Bilder tut Imagepflege not. In diesem Sinne veranstalteten die Industrie- und Handelskammer(IHK) und die Handwerkskammer (HK) Cottbus in der vergangenen Woche eine Pressereise, bei welcher der Besuch besagter »Wachstumskerne« und »Kompetenzzentren« im Mittelpunkt stand. IHK und HK bringen es zusammen auf über 50000 Mitgliedsbetriebe. Ihr Organisationsbereich umfaßt die Landkreise Dahme-Spreewald, Elbe-Elster, Spree-Neiße und Oberspreewald-Lausitz.
Exodus hält an
Früher befanden sich dort überregional bedeutende industrielle Zentren. Besonders die großen Braunkohlevorkommen boten optimale Voraussetzungen für die Ansiedlung großer, energieintensiver Fabrikationsstätten. In der DDR war die Region Cottbus der wichtigste Energieproduzent. So wurden im Kombinat Schwarze Pumpe über 80 Prozent des in der DDR benötigtes Stadtgases hergestellt. Im Umfeld gab es große Chemie- und Textilstandorte wie Schwarzheide, Schwedt und Guben. Doch nach 1990 brachen den alten DDR-Kombinaten aufgrund der Währungsangleichung schlagartig die Exportmärkte weg. Zudem waren sowohl die Energieproduzenten als auch die Industriebetriebe zu unproduktiv und entsprachen nicht den in der BRD inzwischen gültigen ökologischen Mindeststandards. Es begann die Entvökerung der alten Industriezentren. Manche Städte wie Lauchhammer oder Spremberg haben nur noch 60–70 Prozent ihrer vormaligen Einwohnerzahl und verzeichnen dennoch Erwerbslosenquoten von deutlich über 20 Prozent.
IHK und HK setzen wie auch die Landesregierung auf das Konzept der »Wachstumskerne«, in deren Umfeld sich sozusagen zwangsläufig kleine und mittelständische Betriebe entwickeln würden. Denn die bisher praktizierte Flächenförderung hat sich trotz enormer Transferzahlungen als weitgehend wirkungslos erwiesen. Als weiteres Standbein des ersehnten Aufschwungs sollen Konzepte für die touristische Aufwertung der Region realisiert werden. Als Modell für die Verbindung beider Ansätze wurde uns der Traditionsbetrieb Kunstgießerei Lauchhammer präsentiert. Seit über 270 Jahren werden hier aus Eisen und Bronze unter anderem Glocken, Denkmäler und Statuen, großflächige Ornamente und Gebrauchsgegenstände hergestellt. Doch als herausragendes Beispiel für den Aufschwung in der Lausitz taugt der Betrieb kaum, 75 Beschäftigte gab es hier zu DDR-Zeiten, heute sind es noch 18. Der Firma machen sowohl die Investitionszurückhaltung der verarmten Kommunen als auch die Konkurrenz – besonders aus Polen und Tschechien, aber aber auch aus Bayern – zu schaffen. Die Ausbildungsplätze in dem Betrieb sind heiß begehrt, doch in den letzten Jahren hätten die Jungfacharbeiter den Betrieb alle schnell verlassen, berichtet Geschäftsführer Ulrich Kühne nicht ohne Bitterkeit. Verwundern kann das allerdings kaum: In der Kunstgießerei Lauchhamer liegt der Stundenlohn bei acht Euro, die bayrische Konkurrenz zahlt fast das Doppelte. Entsprechend ist der Altersdurchschnitt im Betrieb, der bei über 50 Jahren liegt.
Betriebe suchen Nischen
Perspektiven sehen Kühne und die von ihm mitgetragene Stiftung Kunstguß denn auch eher in »kultureller Wertschöpfung«. Der Betrieb soll in eine »Kette von Industriedenkmälern« in der Lausitz eingereiht werden, deren berühmtestes die Förderbrücke »F60« in Schacksdorf ist. Unmittelbar neben der Produktionsstätte ist ein Kunstgußmuseum geplant, in der Werkshalle sollen die Besucher den Beschäftigten von einer Gangway bei der Arbeit zuschauen können. Doch wie bei so vielen Projekten nicht nur in Brandenburg sind Finanzierung und somit Realisierung noch lange nicht in trockenen Tüchern.
Auf Nischensuche sind auch andere Betriebe in Lauchhammer, wie beispielsweise Schmidt Schweisstechnik. Die Angebotspalette reicht von Schweiß- und Wartungsarbeiten über Zwischenhandel bis hin zum Mietservice rund um die Schweißtechnik. Doch auch hier gilt: angespannte Auftragslage, harte Konkurrenz aus Ost€pa, niedrige Löhne zwischen sieben und neun Euro. Hoffnungsschimmer ist ein Auftrag in Kasachstan, der sowohl die Wartung und Instandsetzung von Tagebautechnik als auch die Ausbildung von Schweißern vor Ort umfaßt und gemeinsam mit der Firma MAN Takraf bewerkstelligt wird.
Für den ehemaligen Industriestandort Lauchhammer ist das alles nur ein Tropfen auf den heißen Stein. So beschäftigt MAN Takraf in seinem Werk für schwere Tagebautechnik gerademal 150 Menschen. Der Vorgänger VEB Schwermaschinenbau Lauchhammerwerk BFG hatte 3500 Mitarbeiter. Das aufgrund diverser Neuansiedlungen gern als »Leuchtturm« bezeichnete Lauchhammer mit seinen neuen Gewerbeparks und den sanierten Wohnungen hat seit 1990 9000 der vormals 27000 Einwohner verloren, die Erwerbslosenquote liegt bei über 24 Prozent.