Bundesanwaltschaft ermittelt nach Überfall in Potsdam
Demonstranten protestieren in Potsdam gegen einen vermutlich rassistisch motivierten Überfall.
Potsdam — Nach dem rassistischen Mordversuch an einem Deutschen äthiopischer Herkunft in Potsdam hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Ein Sprecher der Behörde sagte am Dienstag in Karlsruhe, Generalbundesanwalt Kay Nehm gehe es um den Verdacht einer Beeinträchtigung der inneren Sicherheit.
Der am frühen Sonntagmorgen bei dem Überfall verletzte 37-jährige Mann schwebt nach wie vor in Lebensgefahr. Seit der Attacke liege er im künstlichen Koma auf der Intensivstation, teilte das Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann mit. Von den Tätern fehlte vorerst jede Spur.
Der aus Äthiopien stammende Mann mit deutschem Pass war an einer Straßenbahnhaltestelle am Bahnhof Charlottenhof von vermutlich zwei Tätern brutal zusammengeschlagen worden. Nach Aussage der Ärzte ist noch unklar, ob er durch das dabei erlittene Schädel-Hirn-Trauma bleibende Schäden davontragen wird. “Wir können noch nicht abschätzen, welche Gehirnregionen getroffen wurden”, sagte Klinik- Direktor Hubertus Wenisch. Der 37-Jährige habe wegen steigenden Hirndrucks am Montag operiert werden müssen. “Wir gehen aber davon aus, dass sich der weitere Verlauf positiv entwickeln wird”, sagte Wenisch.
Der Überfall auf den Vater zweier Kinder hatte laut Polizei ein fremdenfeindliches Motiv. Die Ermittlungen gingen aber in alle Richtungen. Generalbundesanwalt Nehm habe das Polizeipräsidium Potsdam beauftragt, die weiteren Ermittlungen in seinem Namen zu führen.
Der Ingenieur für Wasserbau hatte noch kurz vor dem Überfall seine Potsdamer Frau per Handy angerufen, das danach eingeschaltet blieb, so dass ein Teil des Gesprächs mit den Tätern auf der Mailbox der Frau aufgezeichnet wurde. Dort ist zu hören, wie die Angreifer ihr Opfer als “dreckigen Nigger” bezeichnen. Einer der beiden Täter könnte eine Frau gewesen sein. Das Gespräch soll demnächst veröffentlicht werden.
Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) habe den Überfall mit Bestürzen aufgenommen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Mario Fassbender. Das Land tue alles, um präventiv gegen solche Vorfälle vorzugehen. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagte, die Täter müssten so schnell wie möglich gefasst werden — “auch, um das Sicherheitsgefühl aller Bürger wiederherzustellen”.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, warf der Politik dagegen schwere Versäumnisse vor. Fälle wie der Potsdamer Mordversuch seien “das Ergebnis einer verfehlten Jugend- und Bildungspolitik”, sagte er dem Berliner “Tagesspiegel” (Mittwoch). Extremistische Parteien wie DVU und NPD stießen in die Lücke, die der Staat in der Jugendarbeit gelassen habe. “Wer sich nicht um die Jugendlichen vor Ort kümmert, braucht sich nicht zu wundern, wenn dies NPD oder DVU übernehmen.”
Nach Angaben des Potsdamer Vereins Opferperspektive ist in Brandenburg alltäglicher Rassismus weiterhin ein großes Problem. “Diese Pöbeleien und Missachtungen machen das Leben der Ausländer noch schwieriger als es durch ihren rechtlichen Status ohnehin schon ist”, sagte Ole Weidmann von der Initiative. “Rassistische Gewalt ist unberechenbar. Sie tritt auch an Orten auf, wo man sich vermeintlich sicher fühlt.”