Zwei Häftlinge, zerlumpt, verängstigt, plötzlich vor der Tür. So hat es Anna Hackl-Langthaler erlebt, damals, 1945. Ihre Mutter nahm die beiden Leute bei sich auf, trotz der drohenden Gefahr für die eigene Familie, wenn jemand davon erfahren hätte. Ihre Erlebnisse aus der Zeit hat Hackl-Langthaler einigen Schülern des Ernst-Haeckel-Gymnasiums in Werder erzählt. „Das war bewegend, weil wir selber emotional in die Geschichte reingezogen wurden“, sagt die 16-jährige Maria Lemke. Zusammen mit rund 15 anderen Schülern will sie nun solche persönliche Erfahrungen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu einer Ausstellung verarbeiten. Unter dem Titel „Lebensbilder“ soll sie ab dem 9. November in der Schule gezeigt werden.
Das Leben von vier Personen wollen die Schüler für ihre Dokumentation erforschen. Die Gemeinsamkeit aller Schicksale: Es sollen Menschen sein, die es während der Nazizeit schafften, die Konzentrationslager zu überleben. Erste Schritte dazu sind schon getan: Vom 3. bis zum 6. Mai war die Schülergruppe bereits im österreichischen Mauthausen, wo früher ein KZ stand. Zudem gibt es seit gut einem Jahr einen Vertrag mit einer Schule in Warschau, so dass auch junge Polen an den „Lebensbildern“ mitarbeiten. Pünktlich zur Ausstellungseröffnung können so auch Jugendliche aus dem Nachbarland nach Werder kommen – nachdem auch schon Werderaner Jungen und Mädchen ihre polnischen Partner besuchten. Begleitend helfen einige Studenten aus Potsdam bei dem Schülerprojekt, das Geld für die Idee kommt von der Robert-Bosch-Stiftung und dem deutsch-polnischen Jugendwerk.
Ein Vorbild, so erzählen die Schüler, haben sie bei ihrem Projekt: den im vergangenen Jahr in Potsdam verstorbenen Otto Wiesner. Der Schriftsteller und bekennende Kommunist war während der NS-Zeit in diversen Lagern eingesperrt, am Ende auch in Mauthausen. „Er hatte das Anliegen, dass möglichst viel über die Schicksale der Opfer von damals bekannt wird“, sagt Maria. Die ebenfalls 16-jährige Michaela Gmeiner hatte allerdings anfangs noch Zweifel an dem Projekt: „Mir geht es erst einmal darum, dass sich die Geschichte von damals nicht wiederholt“, sagt sie. Deswegen habe sie sich zunächst auch dafür eingesetzt, etwas gegen heutige Zustände zu unternehmen, gegen moderne Rechtsextremisten zum Beispiel. Das war damals, als die Idee für das „Lebensbilder“-Projekt nach einem Tag gegen rechte Gewalt an der Schule entstand. „Doch dann habe ich gemerkt, dass auch diese historische Sicht wichtig ist, damit das Wissen der Zeugen von damals nicht verloren geht.“ Denn in Schulbüchern, da würden solche Schicksale nicht vermittelt. Für ihre Recherchen wollen die Schüler nun in Archive gehen, im Internet suchen. Angehörige und Zeitzeugen sollen ihnen helfen. Maria: „Wir hoffen, dass daraus eine Wanderausstellung wird, damit sich auch andere Jugendliche mit solchen Schicksalen beschäftigen können.“