Der Flüchtlingsrat Brandenburg, Jugendliche ohne Grenzen und die Flüchtlingsberatung des Ev. Kirchenkreises Oberes Havelland kritisieren die Unterbringungspolitik im Landkreis Oberhavel. Seit Monaten sind mehrere geflüchtete Jugendliche obdachlos. Das Jugendamt des Landkreises Oberhavel entlässt jugendliche Flüchtlinge in die Obdachlosigkeit und derselbe Landkreis nimmt sie – nicht mal vorübergehend – in seinen zahlreichen Unterkünften auf, trotz Notlage und vorhandener freier Plätze. Gleichzeitig sind andere Geflüchtete, oft über Jahre, gezwungen in diesen Gemeinschaftsunterkünften zu bleiben. Berufstätige müssen für 6–8 qm Gebühren in Höhe von 288 bis 473 € entrichten. Dagegen protestierten zuletzt geflüchtete Berufstätige gemeinsam mit 635 Unterzeichnenden der Online-Petition „Bezahlbar Wohnen statt unbezahlbar untergebracht“ in Oberhavel.
Hochpreisige Gemeinschaftsunterkünfte
Zum Teil müssen sie über Jahre in beengten Mehrbettzimmern ohne jegliche Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeit leben. Aufgrund einer Auflage sind sie verpflichtet, dort zu leben. „Das Leben dort ist sehr eingeschränkt. Besuch darf z.B. nicht bei mir übernachten. Außerdem ist es dort ständig laut, es leben viele Menschen auf engem Raum mit sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Tagesabläufen. Ich verstehe nicht, warum ich für so schlechte Wohnbedingungen so viel Geld bezahlen soll. Ich habe schon häufig nach anderen Zimmer gefragt, in dem ich zur Ruhe kommen kann. Der einzige Grund, warum ich noch nicht in einer Wohnung lebe, ist, dass ich keine finden kann. Aufgrund meines Status als Asylbewerberin vermieten die Wohnungsbaugesellschaften keine Wohnung an mich, obwohl ich erwerbstätig bin “, so Frau P. N., die im Schichtdienst im Seniorenwohnpark in Hennigsdorf arbeitet.
Bezahlbarer Wohnraum ist ein wichtiges Anliegen der Petition. Die Wohnbedingungen in den landkreiseigenen sogenannten Übergangswohnheimen können – wie der Begriff schon sagt – nur ein Übergang sein und kein Wohnungsersatz. Angesichts des aktuellen Wohnungsmarktes kann von einer Überganglösung aber keine Rede mehr sein: Wer keine eigene Wohnung finden kann, ist gezwungen in der Sammelunterkunft zu bleiben, oft über viele Jahre hinweg. Hier wird eine prekäre Unterbringungsform geschaffen, die Menschen auf Dauer in Sammelunterkünften belässt und vom Leben in Privatwohnungen ausschließt. Intransparent ist gleichzeitig die Verwendung der erhobenen Gebühren, die zu großen Teilen an die landkreiseigene Gesellschaft für Anlagenbewirtschaftung und Objektverwaltung Oberhavel mbH fließen.
Jugendliche Flüchtlinge: Obdachlos in Oberhavel
Mit ihrer Volljährigkeit wurden mehrere Jugendliche in Oberhavel aus der Jugendhilfeeinrichtung abgemeldet, ohne eine Alternative zu haben. Die Unterstützung durch die Jugendhilfe wurde beendet, obwohl das Gesetz eindeutig die bedarfsgerechte Fortführung der Jugendhilfe für junge Volljährige vorsieht. Ist mit drohender Obdachlosigkeit nicht ausreichender Bedarf begründet? Während auf der einen Seite Geflüchtete über immer längere Zeiträume in Sammelunterkünften untergebracht werden – wird auf der anderen Seite akut bedürftigen Wohnungslosen der Zugang zu den teilweise leerstehenden Unterkünften verweigert. Die Begründung: Sie haben bereits einen Schutzstatus. Von „Schutz“ kann jedoch keine Rede sein: „Ich lebe seit dem 01.07.19 auf der Straße. Als ich 18 Jahre geworden bin und es Konflikte in der Jugendeinrichtung gab, hat man mich herausgeworfen“, berichtet ein junger Mann aus Afghanistan. Weder Jugendamt noch andere öffentliche Stellen nehmen bis heute ihre Verantwortung wahr. Ihr Auftrag sollte sein, Obdachlosigkeit zu vermeiden und die Jugendlichen bei der Entwicklung einer Perspektive zu unterstützen.
„Wohnen ist ein Menschenrecht und der Schlüssel zum Ankommen und zur Teilhabe. Wer keinen Rückzugsraum hat, keinen Ort für ein privates Leben, kann sich auch nicht auf seine Zukunft, Ausbildung und Arbeit konzentrieren“, erklärt Jibran Khalil von der Initiative Jugendliche ohne Grenzen. Für den Landkreis wäre es zudem günstiger, Geflüchtete in Wohnungen unterzubringen. „Statt Unmengen an Geld in minderwertige Gemeinschaftsunterkünfte zu investieren, sollte landesweit sozialer Wohnungsbau angeschoben werden, der neuen und alten Brandenburger*innen zugutekommt“, so Mara Hasenjürgen vom Flüchtlingsrat Brandenburg.