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(Anti-)Rassismus

Gesetzesentwurf zum Familiennachzug: Quote statt Rechtsanspruch?

Anlässlich des inter­na­tionalen Tags der Fam­i­lie fordert der Flüchtlingsrat Bran­den­burg ein Recht auf Fam­i­lie unab­hängig von Aufen­thaltssta­tus und Herkun­ft. Die Bun­desregierung darf mit dem geplanten Gesetz zum Fam­i­li­en­nachzug die Verpflich­tun­gen aus UN-Kinder­recht­skon­ven­tio­nen, dem Grundge­setz und der Europäis­chen Men­schen­rechts-kon­ven­tion nicht missachten!
Tarek Ghadri kam Anfang 2015 nach Bran­den­burg und erhielt, wie damals fast alle syrischen Flüchtlinge, eine Flüchtlingsan­erken­nung. Damit hat­te er einen Recht­sanspruch darauf, seine Fam­i­lie nachzu­holen. Trotz dessen wartete er mehr als zwei Jahre auf Frau und Kind. Ein lang­wieriges Asyl- sowie ein kom­pliziertes Visumsver­fahren, bei dem seine Ehe nicht anerkan­nt wurde, führten zu ein­er kräftezehren­den und kost­spieli­gen Tor­tur für die junge Fam­i­lie. Seinen Sohn Rasim lernte Herr Ghadri erst bei dessen Ein­reise nach Deutsch­land kennen.
Während Tarek Ghadri mit Frau und Kind nach jahre­langem Warten und Ban­gen nun wieder ein gemein­sames Fam­i­lien­leben führen kann, blieb es für die meis­ten Syrer_innen jedoch ein Schreck­en ohne Ende: Viele von ihnen erhiel­ten plöt­zlich nur noch einen sub­sidiären Schutzs­ta­tus, obwohl sich an ihren Flucht­grün­den und der Sit­u­a­tion in Syrien nichts verän­dert hat­te. Die Aus­set­zung des Fam­i­li­en­nachzugs wurde kurz zuvor ins Gesetz gegossen: Ab März 2016 wurde sub­sidiär Schutzberechtigten für mehr als zwei Jahre der Nachzug ihrer Fam­i­lien ver­wehrt. Nun soll ab August mit dem „Gesetz zur Neuregelung des Fam­i­li­en­nachzugs zu sub­sidiär Schutzberechtigten“ der Nachzug wieder möglich sein. Doch das Gesetz ist ein Schlag ins Gesicht für alle Betrof­fe­nen: Pro Monat sollen bun­desweit lediglich bis zu 1000 Fam­i­lien­ange­hörige aus human­itären Grün­den aufgenom­men wer­den. „Diese Entschei­dung ist fatal.“, so Kirstin Neu­mann vom Flüchtlingsrat. „Die langjährige Tren­nung bringt Geflüchtete um ihr Grun­drecht auf ein Fam­i­lien­leben, kann Fam­i­lien­ange­hörige in Lebens­ge­fahr brin­gen und führt zu ein­er dauer­haft verzweifel­ten Lage der Betrof­fe­nen, die psy­chisch schw­er belas­tend ist und Ankom­men und Teil­habe am gesellschaftlichen Leben verhindert.“
Tarek Ghadri machte die Ungewis­sheit um seine Fam­i­lien­zusam­men­führung krank. „Ich wurde depres­siv, kon­nte mich auf das Erler­nen der Sprache und Arbeit nicht konzen­tri­eren.“, so Ghadri. Sein Engage­ment in Kun­st­pro­jek­ten und das Vorhaben ein­er Aus­bil­dung im Bere­ich nach­haltiger Energien verblassten. Doch als der Nachzug sein­er Fam­i­lie endlich genehmigt wurde, ging alles ganz schnell. „Ich fand eine Woh­nung, besuchte erfol­gre­ich Sprachkurse, fand eine Arbeit, ver­folge nun wieder meine Aus­bil­dungspläne und bin frisch geback­en­er Vater eines zweit­en Kindes.“
Tarek Ghadris Beispiel zeigt: Das Zusam­men­leben mit der Fam­i­lie und das Wis­sen um ihre Sicher­heit ist für ein Ankom­men geflüchteter Men­schen in Deutsch­land zen­tral. Angesichts dessen erscheint die am 09. Mai 2018 vom Bun­desk­abi­nett ver­ab­schiedete Geset­zesän­derung als eine Farce. Neben dem auswär­ti­gen Amt sollen nun auch Aus­län­der­be­hör­den bei der Entschei­dung über einen Fam­i­li­en­nachzug beteiligt wer­den und dabei „Inte­gra­tionsaspek­te“ der Antragsteller_innen berück­sichti­gen. Konkret heißt das: Nach­weis von Leben­sun­ter­halts-sicherung, Wohn­raum und deutschen Sprachken­nt­nis­sen. „Das trifft nicht nur Min­der­jährige und Men­schen in Aus­bil­dung beson­ders hart, für die diese Nach­weise kaum zu erbrin­gen sind. Die Forderung ‘Erst Inte­gra­tion, dann Fam­i­lie’ ist im Kern absurd. Denn ger­ade das Zusam­men­leben mit und der Rück­halt durch die Fam­i­lie vor Ort set­zen die Kräfte bei Men­schen frei, die sie für eine selb­st­bes­timmte Gestal­tung ihres Lebens benöti­gen“, so Kirstin Neumann.
Etwa 60 000 bis 80 000 im Aus­land lebende Fam­i­lien­ange­hörige sind von dieser Entrech­tung betrof­fen. Angesichts des Geset­ze­sen­twur­fes kann die Auswahl der Men­schen, die nachziehen dür­fen, nur willkür­lich erfol­gen. Auch ist ein Nachzug von Geschwis­tern im Rah­men des Kontin­gents aus­geschlossen. Eltern müssten sich in solchen Fällen für eines der Kinder entschei­den. Deshalb kämpfen auch migrantis­che Bünd­nisse wie „Fam­i­lien­leben für Alle!“ für ihr Grun­drecht auf ein gemein­sames Fam­i­lien­leben. Sie wehren sich vehe­ment gegen eine Spal­tung der Fam­i­lien durch ein Geset­zesvorhaben, das das Recht auf das Zusam­men­leben von Fam­i­lien zu ein­er Lot­terie macht. Der Flüchtlingsrat Bran­den­burg unter­stützt ihre Protes­tak­tion anlässlich des heute stat­tfind­en­den inter­na­tionalen Tags der Familie
http://familienlebenfueralle.blogsport.eu/2018/05/03/protestiert-mit-uns-gegen-das-familiennachzugsneuregelungsgesetz/
Flüchtlingsrat Brandenburg

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