INFORIOT Nachdem erst im September 2007 vom Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum ein Handbuch über Rechtsextremismus in Brandenburg herausgebracht wurde (Infos hier und hier) legt nun das Brandenburgische Institut für Gemeinwesenberatung nach. Der aktuell veröffentlichte Band trägt den etwas sperrigen Titel „Demos – Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung. Einblicke II. Ein Werkstattbuch“. Auf über 200 Seiten sind darin Darstellungen der Arbeit von Demos und den unter ihrer Trägerschaft stehenden Mobilen Beratungsteams (MBT) sowie Einschätzungen zum Rechtsextremismus in Brandenburg zu finden. Die Beiträge sind vor dem Hintergrund der Beratungstätigkeit der MBTs zu sehen. Die Perspektive ist einerseits recht nah an der Brandenburger Regierungspolitik gehalten (schon aufgrund der Nähe zum Landeskonzept „Tolerantes Brandenburg“). Andererseits hat sie kritisches Potenzial. Die MBTs sind sich durch ihre praktische Arbeit vor Ort darüber im Klaren, dass das Problem im Land oft nur erkannt wird, wenn es zu offen rechten Selbstinszenierungen oder gar Gewalttaten kommt – das weit verbreitete rechte Denken in der Normalbevölkerung kommt kaum zur Sprache. Der Mangel an politischer Kultur im Land, wie ihn kürzlich das Berliner Apabiz analysierte klingt auch im Buch an: „Schon die verbreitete Abwehr alles ‚Politischen‘, wie man sie immer wieder zu hören bekommt, muss in allen Bereichen der Gesellschaft besprochen werden“, wird gefordert.
Über Rocker und „Kriegerdenkmäler“
Der große Verdienst des Bandes ist es, einige bisher wenig beachtete Aspekte des Rechtsextremismus im Land zu thematisieren. Dirk Wilking beispielsweise beschreibt in seinem Beitrag die vor allem in Südbrandenburg anzutreffenden Verquickungen zwischen der Rockerszene und der extremen Rechten. Der gut informierte Text fasst erstmals in dieser Ausführlichkeit zusammen, wie es kommt, dass zahlreiche Ex-Neonazis in Rockerbanden aktiv geworden sind; wo aktuell Überschneidungen vermutet werden können und an welchen Punkten sich die Interessen der beiden Szenen entsprechen und wo sie auseinandergehen. Ebenfalls lesenswert ist der Beitrag von Nicola Scuteri über die (inzwischen merklich zurückgegangenen) Aktivitäten der Neonazi-Organisation „Bewegung Neue Ordnung“ beziehungsweise derer Propagandaschmiede „Schutzbund Deutschland“.
Einen eigenen, längeren Beitrag verdient gehabt hätten die Gedanken zu den Kriegerdenkmälern, die in vielen Brandenburger Orten inzwischen aufgestellt worden sind. In seinem Vorwort reißt Demos-Chef Wolfram Hülsemann dieses bislang viel zu wenig bearbeitete Thema nur auf wenigen Seiten an. Allein dass es endlich angesprochen wird ist jedoch unbedingt lobenswert – gerade weil, wie Hülsemann einräumt, in den Kommunen kaum darüber kritisch diskutiert wird. Wenn, wie beispielsweise in Duben, die Gemeinde den „1939–1945 gefallenen Helden in dankbarem Gedenken“ einen Gedenkstein baut, dann ist das himmelschreiende Geschichtsklitterung, die den verbrecherischen deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieg aus seinem Kontext reißt. Das hat, wie Hülsemann richtig anmerkt, „nicht zwingend mit rechtsextremen Umtrieben zu tun“. Es ist vielmehr Ausdruck von hochproblematischen Denkmustern in der Bevölkerung.
Ärgerliche Detailfehler
Schade ist es angesichts dieser positiver Ansätze, dass das Buch an manchen Punkten recht grobe Patzer enthält. Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus sollte auf gutem Faktenwissen fußen, um effizient sein zu können. Da ist es dann schädlich, wenn Hülsemann in seinem Vorwort das Verbot der Neonazi-Kameradschaft „Märkischer Heimatschutz“ lobt, da hier die Demokratie deutlich gemacht habe, wo die Grenzen ihrer Toleranz lägen. Der Märkische Heimatschutz wurde gar nicht verboten sondern hat sich im November 2006 schlichtweg selbst aufgelöst. Ein weiterer Punkt: Angesichts von NPD-Demonstrationen, auf denen ein „nationaler Sozialismus“ gefordert wird, scheint Hülsemanns Einschätzung, dass die NPD nach außen „an Vorstellungswelten des historischen Nationalsozialismus nicht anknüpfen“ möchte, zu kurz gegriffen. Gelegentliche, oberflächliche Distanzierungen der NPD sind nur eine Seite der Medaille, oft genug tritt die Partei offen pro-nationalsozialistisch auf. Noch fragwürdiger ist Hülsemanns Behauptung, die NPD würde sich darum bemühen, „frühere Funktionsträger aus DDR-Parteien in Schlüsselpositionen zu bringen“.
Schwerpunkt zu Halbe
Gleich drei Beiträge sind dem neonazistischen „Heldengedenken“ in Halbe gewidmet – an dem Aufbau des lokalen Bürgerbündnisses war ein MBT beteiligt. So schildern Michael Kohlstruck und Daniel Krüger die historischen Hintergründe der Halbe-Neonazi-Mottos „Die Treue ist das Mark der Ehre“, und ein Rechtsanwalt wird in einem Interview zu juristischen Aspekten der Aufmärsche befragt. Andrea Nienhuisen beschreibt in ihrem Beitrag chronologisch die Geschichte der Naziaufmärsche in Halbe seit der Wiedervereinigung und der Proteste dagegen. Dieser Einblick, vor allem in die Arbeitsweise des lokalen „Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche“ ist durchaus interessant zu lesen. Letzlich hinterlässt der Text aber auch ein zwiespältiges Gefühl. Die Behandlung von Antifas durch die Polizei wird zwar korrekt als Kriminalisierung eingeordnet. Andererseits wird aber Vorbehalten gegen „auswärtige Demonstranten und Berliner Chaoten“ unnötig viel Verständnis entgegengebracht. Auch die Kooperation des MBT mit dem „Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge“ (VDK) im Rahmen der „Denkwerkstatt Halbe“ sollte kritisch hinterfragt werden, da der Volksbund als Ganzes für genau jenes Geschichtsbild steht, das nur entkontextualisierend Opfer von Kriegen sehen möchte, wohinter die Darstellung von deutschen Weltkriegsverbrechen zurücktritt.
Wolfram Hülsemann, Michael Kohlstruck, Dirk Wilking (Hrsg): „Demos – Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung. Einblicke II. Ein Werkstattbuch“, Potsdam, Dezember 2007, 208 Seiten. (Der Vorgängerband „Einblicke I“ stammt übrigens aus dem Jahr 2004.)
Als Leseprobe empfiehlt sich der Aufsatz „Die Treue ist das Mark der Ehre“, geschrieben von Michael Kohlstruck und Daniel Krüger – den Text gibt es hier zum Download: Download (PDF-Datei, 550 KB).