Im bis auf den letzten Platz besetzten Saal des Potsdamer Kulturhauses »al globe« stellte der Flüchtlingsrat am Montagabend seine Publikation »unHEIMliches Brandenburg« vor. In dem Heft werden Lebensbedingungen in Massenunterkünften und Auswirkungen auf Heimbewohner aufgezeigt.
»Heime machen krank«, sagte Vera Everhartz als Vertreterin des Rates. Oftmals lebten mehrere Personen unterschiedlicher Herkunft und Religion jahrelang ohne Privatsphäre auf engstem Raum zusammen. Konflikte und Stress seien programmiert. Zudem befinden sich die meisten Heime weit ab von Ortschaften, oft gar mitten im Wald – ohne Verkehrsanbindung zu Ärzten, Schulen oder Einkaufsmöglichkeiten.
Hyacienth Nguh aus Kamerun, Mitglied der Flüchtlingsinitiative, wohnt in einem solchen »Dschungelheim«. Bahnsdorf sei »irgendwie am Arsch der Welt«, empörte sich Nguh. Das Heim sei umgeben von Zäunen mit der Aufschrift »Landminen«. Zum Bahnhof müsse man durch dunklen Wald laufen, ein Zug fahre alle zwei Stunden. Drei Menschen teilten sich ein Zimmer mit zwölf Quadratmetern.
Die Schließung solcher Heime sei trotzdem »nicht so einfach«, meinte Andreas Hauk vom Sozialministerium. Verantwortlich seien die Kommunen. Das Land könne nur kontrollieren, dass die Mindestanforderungen für die Unterbringung eingehalten werden. Und das werden sie, so Hauk. Nach einem Erlass seine Behörde stehen demnach jedem Heimbewohner sechs Quadratmeter Wohnfläche, Bett, Schrank, Tisch und Stuhl zu. Das Problem sei nicht die Anbringung neuer Kacheln im Bad, sondern tatsächlich die Lage der Heime, bestätigte auch Hauk.
»Ein Heim bleibt immer ein Heim« gab hingegen Brigitte Pinnow, Leiterin einer Flüchtlingsunterkunft in Prenzlau, zu bedenken. Maximal sollten Flüchtlinge ein Jahr in einer solchen Massenunterkunft leben. Alles andere sei einfach nicht akzeptabel. Heim habe eben nichts mit Heimat zu tun, betonte Pinnow.
Dem stimmte auch SPD-Landtagsabgeordnete Martina Münch zu. Münch saß als Sprecherin des Aktionsbündnisses Cottbuser Aufbruch auf dem Podium. Auch Cottbus hatte bis 2001 ein Asylheim am Stadtrand, das durch Stacheldraht und Hunde gesichert wurde. Als dort ein Gewerbegebiet entstehen sollte, sprach sich der Cottbuser Aufbruch für eine Umsiedlung der Flüchtlinge in Wohnungen und damit für ein neues Asyl-Konzept aus. Es habe genug Leerstand in Cottbus gegeben und Wohnungen seien nicht teurer als Heimunterkünfte, so Münch.
Das Konzept hat sich bewährt. Neuankömmlinge wohnen zunächst für ein Jahr in einer Gemeinschaftsunterkunft, um das Leben hierzulande kennen zu lernen. Danach können sie in eine eigene Wohnung ziehen. Anwohnerproteste und Vorurteile gebe es inzwischen keine mehr, versicherte Münch. Die Flüchtlinge seien keine Fremden, sondern normale Mieter. Manchenorts würden mittlerweile sogar regelmäßig Nachbarschaftsfeste gefeiert.