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Justizministerium im Ruch der Zensur

(Andreas Fritsche, Neues Deutsch­land vom 17.06.2006) Die Vor­fälle liegen schon eine Weile zurück, der Stre­it darüber ist aktuell: Für ihre Fernse­hbeiträge über Missstände in der Jus­tizvol­lzugsanstalt (JVA) Brandenburg/ Hav­el erhielt die rbb-Jour­nal­istin Gabriele Prob­st vor einem Jahr den Pressepreis des Deutschen Anwaltvere­ins. Sie bekam aber auch eine Anzeige wegen Urkun­den­fälschung, weil sie ein Pseu-donym ver­wen­dete, als sie den Absender auf einem Brief an einen Häftling notierte. 

War das eine Retourkutsche aus dem Jus­tizmin­is­teri­um? Der Land­tagsab­ge­ord­nete Ste­fan Sar­rach (Linkspartei) möchte das genau wis­sen und ver­langt in dieser Frage Aktenein­sicht. Im entsprechen­den Antrag schreibt der Poli­tik­er, nun­mehr bitte er um Auskun­ft, wer konkret, die Gefäng­nisleitung oder das Min­is­teri­um, bei der Staat­san­waltschaft Pots­dam Anzeige gegen Frau Prob­st erstat­tete. Sar­rach möchte auch wis­sen, welche Ken­nt­nis die Ressort­spitzen von dem Vor­gang hat­ten und »wie sie ihn bewerteten«. 

Die Berichte zu den Vorgän­gen in der JVA sind noch vor der Land­tagswahl im Herb­st 2004 gesendet wor­den. Damals amtierte als Jus­tizmin­is­terin noch Bar­bara Rich­stein (CDU). Nach der Wahl bekam Beate Blechinger (CDU) den Posten. 

Für Aufre­gung sorgte in den let­zten Tagen schon der Ein­druck, das Jus­tizmin­is­teri­um habe Prob­st nachs­pi­oniert. Sar­rach hat­te zumin­d­est einen Ver­merk gefun­den, der sich als eine Art Per­son­enein­schätzung zu der Frage liest, ob Sar­rach oder Prob­st mit Infor­ma­tio­nen, die sie beim Gespräch mit einem Gefan­genen erhal­ten, an die Öffentlichkeit gehen. Dabei ging es um eine Besuchserlaubnis. 

In diesem Zusam­men­hang ste­ht laut Sar­rach geschrieben, Prob­st strebe schon von Berufs wegen eine »möglichst sen­sa­tion­strächtige Medi­en­berichter­stat­tung« an. Diesen Anwurf, den Jus­tizmin­is­terin Blechinger in ein­er Nachricht­ensendung mit ein­er gle­ich­lau­t­en­den For­mulierung wieder­holt habe, weist der rbb zurück. »Der rbb ist besorgt darüber, dass hier der Ein­druck entste­hen kön­nte, eine rbb-Jour­nal­istin solle für kri­tis­che Berichter­stat­tung abges­traft werden.« 

Für Grü­nen-Lan­deschef Axel Vogel sieht es so aus, als ob das Jus­tizmin­is­teri­um mit dem Ver­merk gegen das Lan­despressege­setz ver­stieß. Dem Gesetz nach darf es keine Zen­sur geben. Der Ablehnung ein­er Besuchs­genehmi­gung hafte aber der »Ruch der Vorzen­sur« an. Nach Ansicht von Vogel sollte eine unab­hängige Stelle, etwa der Deutsche Presser­at, dies über­prüfen. Auch der Deutsche Jour­nal­is­ten-Ver­band sprach von einem Ein­griff in die Presse­frei­heit. Bew­er­tun­gen über Jour­nal­is­ten gehören nicht in Min­is­teri­umsver­merke, betonte man. 

Die Lan­despressekon­ferenz protestierte gegen den Umgang. In einem offe­nen Brief an Blechinger ist von Verärgerung und Sorge über eine mögliche Zen­sur die Rede. Die Kon­ferenz forderte Blechinger auf, sich von dem Vorge­hen zu dis­tanzieren und solche Prak­tiken kün­ftig zu unterbinden. Auch wenn es sich um die »Einzelleis­tung« eines Mitar­beit­ers han­deln sollte, so zeige der Vor­gang, dass der Umgang mit unab­hängi­gen und kri­tis­chen Medi­en »in Bran­den­burg offen­bar noch immer nicht als Selb­stver­ständlichkeit emp­fun­den wird«.
Inzwis­chen ver­suchte Blechinger zu beschwichti­gen. Sie schrieb dem Sender, es habe sich ja nur um einen einzi­gen Fall gehan­delt, wo Prob­st einen Gefan­genen nicht besuchen durfte. Für eine vorurteils­freie Pressear­beit des Min­is­teri­ums spreche, dass die Berichter­stat­tung von Prob­st in keinem anderen Fall zur Ablehnung eines Häftlings­be­suchs geführt habe. Der rbb kon­terte Don­ner­stagabend, von sieben Besuch­swün­schen in den Anstal­ten Bran­den­burg und Cot­tbus im Jahr 2005 seien fünf bis heute nicht genehmigt. 

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