Am gestrigen Abend haben in Nauen ungefähr 120 Personen einen „Aufmarsch“ unter dem Motto „Nein zum Heim“ durchgeführt. Die Veranstaltung war zuvor vom ehemaligen NPD Abgeordneten Maik Schneider angemeldet worden und richtete sich gegen Planungen des Landkreises Havelland am Rande der Stadt eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylsuchende zu errichten. Der Rassismus der sich eigentlich dahinter verbirgt äußerte sich auf der Versammlung recht freimütig, durch Schilder mit Aufschriften wie „Nauen bleibt weiss“. Gegen den Aufzug protestierten ungefähr 130 Menschen, in Hör- und Sichtweite, am Rathausplatz.
Bunte Proteste
Eine Initiative hatte im Socialmedia kurz nach dem Bekanntwerden der „Nein zum Heim“ – Veranstaltung unter dem Motto: „Keine Stadt für Nazis! Rassistischen Aufmarsch in Nauen bei Berlin verhindern!“ zu Gegenprotesten aufgerufen. An der Kundgebung am Rathausplatz nahmen u.a. auch die stellvertretende Bürgermeisterin Marion Grigoleit und der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Hartmut Siegelberg teil. Weiterhin unterstützten verschiedene Initiativen aus dem gesamten Havelland und Brandenburg an der Havel die Proteste.
Im Gegensatz zur der Versammlung von „Nein zum Heim“ blieb die Gegenveranstaltung allerdings nur stationär. Zweimal zog allerdings der Aufzug der Heimgegner_innen in unmittelbarer Nähe an vorbei. Dabei wurden die Sympathisant_innen von „Nein zum Heim“ lautstark ausgepfiffen und ausgebuht.
Zu einer kurzen Spannungssituation kam es als der rassistische Aufmarsch zum zweiten mal an der Gegenkundgebung vorbeilief. Der vorangehende Block des Aufzuges der Heimgegner_innen machte plötzlich kehrt, bewegte sich auf die Protestierer zu und suchte mindestens die verbale Auseinandersetzung. Polizei und Versammlungsleitung brachte die Situation jedoch schnell unter Kontrolle.
NPD markiert Revier
Trotz des gestrigen Protestes sieht sich das neonazistische Milieu in Nauen jedoch durch die aktuelle Asyldebatte offenbar klar im Aufwind. Während einer Stadtverordnetenversammlung am 12. Februar 2015, bei der über den Verkauf des Grundstückes für die künftige Gemeinschaftsunterkunft abgestimmt werden sollte, gelang es einigen NPD Funktionären einen großen Teil des Publikums aufzuwiegeln und anschließend derart zu stören, dass Saal und Grundstück polizeilich geräumt werden mussten. Die Veräußerung des zukünftigen Heimgeländes konnte durch die Tumulte indes jedoch nicht verhindert werden.
Dennoch scheint sich „Nein zum Heim“ bzw. die dahinter steckenden Neonazis damit nicht abfinden zu wollen. Der gestrige Aufzug, der explizit sogar als „Aufmarsch“ beworben wurde, war absehbar, zumal die NPD und ihre Jugendorganisation JN in anderen Städten und Gemeinden bereits ähnliches versuchten.
Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass neben einigen „Bürger_innen“ aus Nauen, auch bekannte Gesichter des brandenburgischen Neonazimilieus aus dem Havelland, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming sowie Einzelpersonen aus Berlin bei dem Aufzug mitmarschierten.
Bereits am 14. März 2015 hatten 80 Neonazis aus dem gesamten Land Brandenburg eine erste Kundgebung gegen die geplante Gemeinschaftsunterkunft durchgeführt. 30 Menschen, darunter auch einige Vertreter_innen der lokalen Linkspartei, protestierten damals dagegen. Die entsprechende Antwort erfolgte offenbar dann aber postwendend in der Nacht vom 24. zum 25. März 2015, als Unbekannte versuchten die Scheiben des Ortsbüros der Partei „DIE.LINKE“ einzuschlagen.
Ähnliches hatten die versammelten Neonazis möglicherweise bereits während der erwähnten Stadtverordnetenversammlung am 12. Februar im Sinn, als sie auf die Fensterfront des Tagungsortes eindroschen und so die dortigen Tumulte zusätzlich anstachelten.
Einer der damaligen Rädelsführer war übrigens der Anmelder der heutigen Versammlung, Maik Schneider. Gegen ihn soll diesbezüglich inzwischen auch die Polizei ermitteln.
Schneider war gestern übrigens auch nicht der einzige namhafte Parteifunktionär auf der Veranstaltung. Weiterhin nahm u.a. auch Frank Kittler, Abgeordneter der NPD in der Gemeindeversammlung Brieselang, teil. Dieser trug die einzige Parteifahne während des Aufzuges.
Weiterhin nahm auch der brandenburgische Landesvorsitzende der JN, Pierre Dornbrach aus Baruth/Mark, am Aufmarsch teil. Nach dem Abspielen eines Songs des linksradikalen Rappers Holger Burner hielt er auch die Hauptrede während einer Zwischenkundgebung in einem Plattenbauviertel von Nauen. Hierbei versuchte Dornbrach, 14 Tage vor dem 1. Mai, die Asyldebatte ideologisch mit völkischer Antikapitalismuskritik zu verknüpfen. Roter Faden seiner Rede blieb jedoch, die klare Ablehnung von „Asylantenheimen“.
Ein Bekenntnis, dass offenbar auch im Interesse der so genannte Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“ lag, die sich zuvor eher von organisierten Neonazis fernhielt. Gestern liefen jedoch beide offiziellen Ansprechpartner der Initiative nicht nur beim Aufmarsch mit, sondern warben dort auch für ihre Unterschriftenaktion gegen die geplante Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge und Asylsuchende. Ein freundschaftliches Verhältnis von Mitgliedern der Bürgerinitiative „Zukunft Nauen“ zu den anwesenden Neonazifunktionären war erkennbar. Berührungsängste gab es offenbar nicht.
Nächstes Neonazievent in Planung
Bereits am 20. April beabsichtigen Neonazis erneut in Nauen aufzumarschieren. Vorgeblicher Grund könnte dann das 70 jährige Gedenken an einen Bombenangriff während des Zweiten Weltkrieges sein. Allerdings zelebrieren Neonazis an diesem Tag auch regelmäßig den Geburtstag Adolf Hitlers.
Die Nauener Zivilgesellschaft ruft deshalb in der Zeit von 14.00 bis 18.00 Uhr zur Teilnahme an einem bunten Familienfest im Bereich Lindenplatz / Marktecke / Gartenstraße auf. Ab 18.30 Uhr soll es zu dem eine Kundgebung am Lindenplatz /Gartenstraße geben.
Fotos: hier
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