Ungefähr 70 Menschen haben am gestrigen frühen Abend gegen einen erneuten Aufmarsch von Neonazis und Rassist_innen protestiert. Schwerpunkte der Proteste war erneut der Platz vor dem Rathaus. Dort fand eine angemeldete Kundgebung statt an der sich u.a. auch der Bürgermeister von Nauen, der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung sowie Abgeordnete und Vertreter_innen von vielen Parteien und Initiativen beteiligten. Den in Hör- und Sichtweite vorbeiziehenden Neonazis wurden Schilder mit Aufschriften wie „Refuges are welcome here“ oder „Flucht ist kein Verbrechen“ entgegengehalten und die Marschierer ausgepfiffen. Zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht. Die Polizei war mit ungefähr 200 Beamt_innen im Einsatz.
70 bei Rassist_innenaufmarsch
Die Neonazis und Rassist_innen hatten sich gegen 19.00 Uhr am Nauener Bahnhof versammelt. Insgesamt nahmen ca. 70 Personen an dieser Veranstaltung teil. Ungefähr 50 Personen sind als Sympathisant_innen und Funktionäre von NPD, den „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ und „Freien Kräfte Prignitz“ bekannt. Ein Großteil dieser Personen war aus den Landkreisen Ostprignitz-Ruppin, Prignitz und Oberhavelsowie dem sachsen-anhaltinischen Landkreis Stendal zugereist. Der Rest stammte aus dem Landkreis Havel, insbesondere aus Nauen und Ketzin/Havel. Vom Bahnhof zog der Aufmarsch unter dem Motto: „Nauen schlägt zurück! Ausländergewalt stoppen!“ durch das gesamte Stadtgebiet. Ein NPD Funktionär aus Neuruppin und ein autonomer Nationalist aus Ketzin/Havel verkündeten dabei via Mikro- oder Megafon, dass das Nauen kein Asylheim wolle. Bei einer Zwischenkundgebung kamen weitere Neonazis zu Wort. Sowohl Pierre Boddin, als auch Marvin Koch, beide von den „Freien Kräften Neuruppin/Osthavelland“, sprachen sich gegen vermeintlich „kriminelle Ausländer“ und „Ausländergewalt“ aus. Koch sprach diesbezüglich auch davon, dass die Devise künftig: „Auge um Auge und Zahn um Zahn“ lauten werde. Eine durchaus ernst zunehmende Drohung. Koch wurde erst vor wenigen Tagen vom Amtsgericht Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) wegen Landfriedensbruches zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Er soll im Herbst 2013 ungefähr 100 Neonazis dazu angestiftet haben Polizeiketten zu durchbrechen und die Beamt_innen mit Flaschen und Steinen zu bewerfen.
Kneipenschlägerei als Anlass
Hintergrund des gestrigen Aufmarsches soll übrigens eine Schlägerei am 3. Mai 2015, gegen 00.30 Uhr, in einem berüchtigten Trinker_innentreff in der Nauener Gartenstraße gewesen sein. Nach Informationen einer neonazistischen Mobilisierungsseite für eine Großveranstaltung in Neuruppin soll es in der Lokalität zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen sein. Zwei Männer sollen dann eine Frau, die sich übrigens gestern auch unter den Marschierern befand, nach draußen gezerrt und anschließend verprügelt haben. Bei den Tätern soll es sich, laut Anschuldigungen der Neonazis, um „polizeibekannte Ausländer“ gehandelt haben. Die Polizei bestätigte zwar in einer Pressemitteilung vom 4. Mai 2015 die gewalttätige Auseinandersetzung vor der Lokalität, stellte jedoch als mutmaßliche Schläger lediglich zwei angetrunkene „Havelländer“, 20 und 23, fest. Warum die Neonazis in ihrer Schilderung von „Ausländern“ sprechen ist bisher unklar. Möglicherweise ist Rassismus hierfür der Hintergrund. Der Fall scheint jedenfalls ein willkommener Anlass zu sein, um den Protest gegen den geplanten Bau einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende noch einmal zu forcieren. Auch die Rolle der Frau, als mutmaßliche Betroffene der Gewalttat ist bisher noch nicht abschließend geklärt. Sie soll mit Nauens Neonaziszene sympathisieren und beteiligte sich bereits vor dem Übergriff an mehreren Versammlungen mit rassistischen und geschichtsrevisionistischen Inhalten im Ort. Während eines Aufmarsches im April trug die Frau beispielsweise auch ein Kleidungsstück mit der Aufschrift: „Asylbetrüger sind nicht willkommen“. Auf ihrem öffentlich einsehbaren Socialmedia-Profil befinden sich zudem zahlreiche Bekenntnisse zu neonazistischen Parteien und Vereinigungen sowie verherrlichende Bildnisse oder Symbole des Nationalsozialismus.
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