Am Samstagnachmittag erinnerten ungefähr 40 Menschen aus Brandenburg und Berlin im Rahmen einer Demonstration in Oranienburg an Erich Mühsam. Der anarchistische Schriftsteller war am 10. Juli 1934 in einem frühen SA-Konzentrationslager in der Stadt von den Nazis ermordet worden.
Die in der Aktionsform eines „lebendigen Gedenkens“ gestaltete Demonstration war von einer Privatperson für die Linksjugend SOLID Oberhavel und die Oranienburger Antifa angemeldet worden. Sie führte von der Bahnhaltestelle „Oranienburg“ in die Innenstadt und dort an verschiedenen Gedenkorten für Opfer des Nationalsozialismus vorbei. Während des Aufzuges gab es zwei Zwischenkundgebungen mit mehreren Redebeiträgen von Schülerinnen, einer Delegation der Gedenkstätte Sachsenhausen und der lokalen Antifa sowie am Endpunkt eine Kranzniederlegung mit Schweigeminute am Gedenkstein für Erich Mühsam.
Im Vorfeld wurde die Gedenkdemonstration jedoch hauptsächlich durch die Antifa Oranienburg, mittels Flyer und im Internet, beworben.
Lebendiges Erinnern als Ausdruck gegen das Vergessen
Die Oranienburger Antifa sieht sich offenbar in besonderer Verpflichtung des Gedenkens an Erich Mühsam. Bereits in ihrem Aufruf zur Demonstration unter dem Motto: „Damals wie heute: Faschisten bekämpfen“ skizziert sie den Schriftsteller als standhaften Gegner des Nationalsozialismus, der schließlich aufgrund seiner Überzeugung im KZ Oranienburg ermordet wurde.„Auch nach 17 Monaten Folter gelang es den Nazis bis zuletzt nicht, seinen Willen zu brechen“, so die Antifa Oranienburg.
Darüber hinaus würdigte die Oranienburger Antifa, in ihrem Aufruf zur Gedenkdemonstration, Erich Mühsam als vielseitigen Menschen, als „Revolutionär, Utopist, Freidenker, Anarchist, Antifaschist, Syndikalist“, und deutete damit auch seine politische Vorbildfunktion bis in die heutige Zeit an.
An der Erinnerungsveranstaltung am Samstagnachmittag beteiligten sich so vereinzelt auch Sympathisierende der anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsföderation „Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU).
Das Andenken an den 1878 geborenen Erich Mühsam wirdaber darüber hinaus nicht nur durch das „lebendige Erinnern“ im Rahmen der Gedenkdemonstration wachgehalten. Allein im Land Brandenburg sind in mindestens sechs Gemeinden Straßen nach ihm benannt, darunter eine in Oranienburg. In der Stadt München, in der er 1918 dem revolutionären Soldatenrat angehörte und zu den Anführern der bayrischen Räterepublik gehörte, gibt es einen nach ihm benannten Platz. In Lübeck, dem Ort seiner Schuljahre, gibt es neben einem Erich-Mühsam-Weg auch einen ihm gewidmeten Stolperstein vor dem Buddenbrookhaus sowie eine Gedenktafel an der historischen Löwenapotheke. In seinem Geburtsort Berlin gibt es eine weitere nach ihm benannte Straße im Stadtteil Friedrichshain sowie eine Gedenktafel in Charlottenburg, einen Gedenkstein in Neukölln und ein Ehrengrab auf dem Waldfriedhof in Dahlem, in dem er 1934 ermordete beigesetzt wurde.
Allerdings befürchtet die „Antifa Oranienburg“ durch die überwiegend stumme Art der Erinnerung, einen „Schlussstrich“ in der Geschichte und letztendlich ein „Vergessen“.
Positionierung gegen extrem rechte Aktivitäten
Die Erinnerung an die Opfer des Naziregimes hat jedoch für die Oranienburger Antifa offenbar auch einen mahnenden Charakter und scheint, angesichts des von der Gruppe beschriebenen, vermeintlich wachsenden Zuspruches „rechtspopulistische® und extrem rechte® Parteien“, der Zunahme „rassistischer und antisemitischer Übergriffe“ und den Morden der neonazistischen Vereinigung „NSU“, zugleich ein gesellschaftspolitisches Statement zu sein.
So gäbe es im Landkreis Oberhavel, laut Erkenntnisse der „Antifa Oranienburg“, schon seit Jahren „eine starke, organisierte Neonazi-Szene“. In ihr sei die „lokale NPD-Struktur mit dem Kreisverband Oberhavel“, die in diesem Gebiet immerhin neun Mandate in Kommunalparlamenten innehat, „federführend“. In keinem anderen Landkreis im Land Brandenburg seien die Nationaldemokraten demnach kommunalparlamentarisch breiter aufgestellt.
Eine Schlüsselrolle in der lokalen NPD Struktur spielt offenbar der Veltener Stadtverordnete Robert Wolinski, den die „Antifa Oranienburg“, als relative Person der Zeitgeschichte, auch namentlich benennt. Er sei nicht nur für die NPD aktiv sondern wird auch mit den „Märkischen Skinheads 88 (MS88)“ und der Organisierung von Rechtsrock Konzerten im Norden Brandenburgs und in Mecklenburg-Vorpommern in Verbindung gebracht.
Darüber hinaus gehört Wolinski dem Landesvorstand der Brandenburger NPD an und wird dort als Verantwortlicher für die „Organisation“ benannt. Am 17. Juni 2017 nahm er zudem an einem Aufmarsch der extrem rechten „Identitären Bewegung“ in Berlin teil.
Lokal scheint Wolinski hingegen aber eher an einer Einflussnahme auf breite gesellschaftliche Schichten interessiert zu sein, gehörte in der Vergangenheit beispielsweise zu den bekannten Gesichtern der pegida-ähnlich inszenierten „Abendspaziergänge“ im Landkreis Oberhavel, die in den Jahren 2014 bis 2016 regelmäßig auch ein augenscheinlich bürgerliches Publikum anlockten.
Ziel einer solchen Unterwanderung scheinen darüber hinaus auch lokale Vereine oder Veranstaltungen, beispielsweise das Drachenbootrennen der „Tourismus und Kultur GmbH“, zu sein, wie die „Antifa Oranienburg“ berichtet.
„Der Kampf gegen den Faschismus heute“ sei deshalb, so die Antifagruppe weiter, „ notwendig (…) wie eh und je“ und eine „antifaschistische Widerstandkultur zu etablieren“ das Ziel.
Fotos: hier
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