Aktionsbündnis warnt davor, am Wahltag aus Protest rechtsextreme Kandidaten anzukreuzen
(Neues Deutschland, 23.8., Peter Nowak und Andreas Fritsche) Schnauze voll« und »Sauerei HartzIV« lauten Wahlparolen, mit denen die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) ihren Wiedereinzug in den
Brandenburger Landtag am 19. September erreichen will. Noch vor wenigen
Monaten haben ihr Wahlforscher kaum Chancen eingeräumt. Zu profillos war
ihre bisherige Parlamentsarbeit, und die Kandidaten kannte kaum jemand. Doch
mittlerweile ist ein erneuter Einzug der DVU in den Brandenburger Landtag
ebenso wenig ausgeschlossen, wie ein Sprung der NPD in den sächsischen
Landtag, wo ebenfalls am 19. September gewählt wird.
Grund genug für das Brandenburger Aktionsbündnis gegen Gewalt,
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, sich am Sonnabend auf einer
Tagung in Potsdam mit den rechtsextremen Aktivitäten im Wahlkampf zu
befassen.
Eine Wahlprognose für die DVU mochte Stefan Mayer von der Berliner
Senatsverwaltung für Inneres nicht abgeben. Aber er beschrieb die
Bedingungen, unter denen rechte Parteien Erfolge haben können. Da ist
zunächst die rechte Stammwählerschaft, die in Brandenburg genauso wie in
Sachsen über fünf Prozent liegt. Doch in der Regel bleiben viele potenzielle
Rechtswähler am Wahltag zu Hause. Je wahrscheinlicher im Vorfeld des
Urnengangs ein Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde ist, umso besser lässt
sich das Stammwählerreservoir ausschöpfen.
So könnten Pressemeldungen, die immer wieder einen Einzug rechter Parteien
in die Parlamente prophezeien, diese Entwicklung sogar noch befördern. Auch
die Vereinbarung zwischen NPD und DVU, in Brandenburg und Sachsen nicht
gegeneinander zu kandidieren und sich darüber hinaus gegenseitig zu
unterstützen, macht einen Erfolg der Rechtsextremisten wahrscheinlicher.
Ein zweiter Faktor für rechte Stimmengewinne ist die Mobilisierung von
Protestwählern. Mit dem Unmut über die Hartz-Gesetze könnten die
Rechtsextremen ein solches Thema gefunden haben. Daher ist dieses Mal eine
Wahlprognose besonders schwer.
Bedrohlich ist die Verankerung der Kandidaten in der Bevölkerung. Die NPD
hat bei der Kommunalwahl in Sachsen dort die besten Stimmenergebnisse
erzielt, wo sie bekannte Personen, oft selbstständige Handwerker,
nominierte. Die DVU, die jenseits des Wahlkampfes wenige Aktionen macht,
kann auf dieser Strecke nicht punkten. Wohl aber die Liste »Ja zu
Brandenburg«, mit der die NPD-Abspaltung »Bewegung neue Ordnung« zur
Landtagswahl antritt. Diese Gruppierung stellte mit Mario Schulz, Mathias
Wirth und Lutz Meyer drei Kandidaten auf, die bei den letzten Kommunalwahlen
auf NPD-Ticket erstaunliche Einzelergebnisse erzielten.
Die Rechten nicht zu unterschätzen, riet am Sonnabend der
Kulturwissenschaftler Rolf Gabriel, der für eine wissenschaftliche Arbeit
das rechte Milieu Brandenburgs studierte. NPD-Leute in den
Kommunalparlamenten bringen ihm zufolge durchaus eigene Anträge ein, und
manchmal werden diese Anträge dann noch von anderen Fraktionen unterstützt.
So etwas freut die Rechtsextremisten.
Über den Umgang mit rechten Parteien entspann sich auf der Tagung eine
längere Debatte. Nicht immer nur auf Aktionen der Rechtsextremisten zu
reagieren, sondern selber offensiv demokratische Werte zu vermitteln,
empfahl Gabriel. »Demokratie muss mehr sein, als eine Methode zur Bestimmung
der Regierung«, meinte er unter Beifall.
Das Aktionsbündnis warnt davor, Kreuze bei rechtsextremen Parteien zu
machen. »Wer glaubt, aus Politikverdrossenheit, Ohnmacht gegenüber der
ökonomischen Wirklichkeit und Angst vor der Zukunft Denkzettel verteilen und
aus Protest rechtsextreme Kandidaten wählen zu müssen, verdrängt, dass
populistische Parolen keine Lösungen bringen, sondern das Klima in unserem
Land vergiften«, sagte der Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Superintendent
Heinz-Joachim Lohmann.
Auf juristischem Wege erzwang DVU-Parteichef und Rechtsanwalt Gerhard Frey
indessen, dass »Antenne Brandenburg« ein sechsminütiges Interview mit
Spitzenkandidatin Liane Hesselbarth machen muss, wie die Partei in einer
Mitteilung frohlockte. Zu der Sendung »Brandenburg vor der Wahl« hatte der
Radiosender letzte Woche nur die Spitzenkandidaten von SPD, PDS, CDU, FDP
und Grünen eingeladen.
Dagegen beantragte die DVU nach eigenen Angaben beim Verwaltungsgericht
Potsdam eine einstweilige Anordnung. »Antenne Brandenburg« musste demzufolge
am Mittwoch um 19.02 Uhr einlenken, damit das einen Tag vorher
aufgezeichnete Gespräch mit den fünf Spitzenkandidaten um 20 Uhr über den
Äther gehen durfte. Hesselbarth komme nun in den nächsten Tagen zu Wort.
»Antenne Brandenburg« konnte dies am Sonntag weder bestätigen noch
dementieren. Dem Team, dass gestern Dienst tat, war der Fall nicht bekannt.