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Flucht & Migration

Proteste gegen drohende Ketten-Quarantäne in Unterkunft

Seit einein­halb Wochen ste­hen 275 Men­schen in den bei­den Häusern der Sam­melun­terkun­ft in der Ruhls­dor­fer Straße in Stahns­dorf unter Quar­an­täne; nun wur­den weit­ere Infek­tio­nen unter den in Mehrbettz­im­mern unterge­bracht­en Bewohner*innen bekan­nt und die Quar­an­täne kurzfristig ver­längert. Bewohner*innen forderten gegenüber dem Flüchtlingsrat, die ausste­hen­den Testergeb­nisse zu erfahren, ver­langten eine Verbesserung der Lebens­mit­telver­sorgung und kri­tisierten die gemein­same Unter­bringung in Mehrbettz­im­mern, die es ihnen unmöglich macht, sich vor ein­er Infek­tion zu schützen. Sie fra­gen, warum das Per­son­al in der Unterkun­ft teil­weise keinen Mund-Nase-Schutz trägt, und warum das Per­son­al nicht, wie sie auch, unter Quar­an­täne steht.

Wenn Men­schen auch nach dem Bekan­ntwer­den erster Infek­tio­nen weit­er dicht an dicht miteinan­der leben, sich Zim­mer und Gemein­schafts­bere­iche teilen müssen, dann wer­den weit­ere Infek­tions­ket­ten, län­gere Quar­an­tänephasen und enorme Gesund­heit­srisiken für die Betrof­fe­nen bewusst in Kauf genom­men.“, so Mara Hasen­jür­gen vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. „Fehler, die in Hen­nigs­dorf gemacht wur­den, als sich ins­ge­samt rund 75 Bewohner*innen ansteck­ten und über 400 Geflüchtete bis zu sechs Wochen in Massen­quar­an­täne bleiben mussten, wer­den nun in Stahns­dorf wiederholt.“

Das Coro­n­avirus hat längst gezeigt: Soziale Ungle­ich­heit und struk­tureller Ras­sis­mus wer­den durch die Pan­demie nicht nur sicht­bar, son­dern ver­schärft. Geflüchtete Men­schen, die in Bran­den­burg in Masse­nun­terkün­ften leben müssen, sind deut­lich über­pro­por­tion­al gefährdet, sich mit dem Coro­na-Virus zu infizieren: Am 29. Juni waren bere­its 1,7% der geflüchteten Men­schen in Bran­den­burg­er Unterkün­ften infiziert, so die Lan­desregierung (Druck­sache 7/1680) – in der All­ge­mein­bevölkerung liegt dieser Wert laut RKI aktuell dage­gen bei 0,141% (COVID-19-Lage­berichtvom 29.07.2020 des RKI).

Das Krisen­man­age­ment in Pots­dam-Mit­tel­mark ste­ht im ekla­tan­ten Wider­spruch zu den Empfehlun­gen des Robert-Koch-Insti­tuts zum Man­age­ment von COVID-19-Erkrankun­gen in Gemein­schaft­sun­terkün­ften. Ins­beson­dere bei der trans­par­enten Infor­ma­tion und Ein­bindung der Bewohner*innen wur­den gravierende Fehler gemacht. Seit Bekan­ntwer­den der ersten Infek­tio­nen dauerte es fünf Tage, bis über­haupt mit der Tes­tung der übri­gen Bewohner*innen begonnen wurde, so die Pots­damer Neueste Nachricht­en. Eine Ein­teilung in kleine Quar­an­täne-Kohort­en fand nicht statt, von Einzelz­im­merun­ter­bringung ganz zu schweigen. Am Abend des Protests am 29.7.2020 war das Gesund­heit­samt weit­er­hin nicht in der Lage, Betrof­fene angemessen über die bere­its vor­liegen­den Pos­i­tiv-Tes­tun­gen zu informieren. Erst gestern wur­den dann einige Infizierte und Nicht-Infizierte getren­nt. Weit­ere 25 Tests ste­hen laut Medi­en­bericht­en noch aus, zudem seien noch nicht alle Testergeb­nisse zurück.

Mit ein­er respek­tvollen, frühzeit­i­gen, trans­par­enten und nicht zulet­zt mehrsprachi­gen Kom­mu­nika­tion mit Bewohner*innen (vom RKI ein­dringlich emp­fohlen) hätte das Ansteck­ungsrisiko für mehrere hun­dert Men­schen gesenkt; viele Kon­flik­te vor Ort hät­ten ver­mei­den wer­den kön­nen. Dass die Betrof­fe­nen Men­schen sich dage­gen wehren ist abso­lut nachvol­lziehbar. Dass lokale Ver­ant­wortliche protestierende Bewohner*innen stattdessen mit Begrif­f­en wie anstachel­nd und Aufrührer beschreiben, die medi­ale Beze­ich­nung des legit­i­men Protests als Revolte, ist dif­famierend und ein­seitung, die Lage und Grun­drechte der Protestieren­den wer­den hier völ­lig aus dem Blick­feld gelassen. Die zwis­chen­zeitlich vom Land­kreis angekündigte Sank­tion­ierung einiger Protestieren­der nach dem Infek­tion­ss­chutzge­setz durch Abson­derung in Eisen­hüt­ten­stadt ent­behrt jed­er rechtlichen Grund­lage und wurde inzwis­chen zurückgenommen. 

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