Die personelle Talfahrt des rechtsoffenen „Bürgerbündnisses Havelland“ hat sich auch am heutigen Veranstaltungstag fortgesetzt. Nahmen vor zwei Wochen ungefähr 400 Personen an der Bündler-Versammlung teil, waren es heute maximal noch 300. Vor vier Wochen waren es noch 550. An einer Veranstaltung des zivilgesellschaftlichen Aktionsbündnisses „Rathenow zeigt Flagge“, die sich gegen Fremdenhass aussprach, beteiligten ungefähr 100 Menschen.
Zivilgesellschaft: Feuertonne etabliert sich
Auch wenn die Versammlungen der Rathenower Zivilgesellschaft auf dem August-Bebel-Platz nach wie vor deutlich weniger Menschen frequentieren als die des „Bürgerbündnisses Havelland“, hat sich dort doch ein kleiner, entschlossener Kern von Menschen gebildet, der fest entschlossen scheint auch weiterhin für „Toleranz, Menschlichkeit und Nächstenliebe“ zu werben. Symbolisch dafür steht u.a. die wärmende Feuertonne, die statt platter Hetze zu gemütlichen Gesprächen einlud. Dennoch wurde aber auch heut nicht davor zurückgescheut, mit Plakaten und Transparenten etwas deutlicher gegen Fremdenhass zu protestieren. Eine direkte, verbale Konfrontation mit Sympathisant_innen des „Bürgerbündnis Havelland“ gab es jedoch nicht, da deren Aufzug weitab vom Bebelplatz, durch die Altstadt zog.
Vorgetäuschter Cyberangriff auf Bürgerbündnis
Für Heiterkeit sorgte hingegen bereits am Nachmittag ein scheinbarer „Cyberangriff“ auf zwei vermeintliche Internetdomains des „Bürgerbündnisses Deutschland“. Die anonym handelnden „Freunde der toten Kinder“ hatten sich um die Mittagszeit via Email dazu bekannt. Demnach seien die „Internet-Domains
bürgerbündnis-deutschland.de undbuergerbuendnisdeutschland.de […] dauerhaft auf die Webseite der Tageszeitung Neues Deutschland verlinkt“ worden. In dem „Bekennerschreiben“ heißt es als Rechtfertigung, dass der „anmaßende Name“ [Bürgerbündnis Deutschland] den „rechten Hasspredigern nicht widerstandslos“ überlassen werde. „Das wirkliche deutsche Volk“habe nämlich„Herz und Verstand“ und sei „angesichts der humanitären Katastrophe an Europas Außengrenzen für rechte Hetze nicht zu haben“, so die „Freunde der toten Kinder“. Einen tatsächlichen Hackerangriff auf das „Bürgerbündnis Deutschland“ hat es allerdings nie gegeben. Die von den „Freunden der toten Kinder“ benannten Domainswurdenbereits am 1. Februar 2016 von der Tageszeitung „Neues Deutschland“ ordnungsgemäß angemeldet. Die Adressen sehender Original-URL lediglich in der Schreibweise zum Verwechseln ähnlich. Auch das „Bürgerbündnis Deutschland“ hat inzwischen in einem sozialen Internetnetzwerk bestritten, Opfer eines „Cyberangriffs“ geworden zu sein. Dennoch scheint die Spaßguerilla-Aktion der „Freunde der toten Kinder“ seine Wirkung nicht verfehlt zu haben. Das „Bürgerbündnis Deutschland“, das bisher mit Hysterie und Desinformation für Unruhe in Rathenow und Umgebung sorgte, war nun erstmals selber in die Defensive und damit unter Rechtfertigungsdruck geraten.
Bürgerbündnis: Weniger Bürger_innen, mehr Hass
Das „Bürgerbündnis Deutschland“ scheint momentan ohnehin geschwächt. Zwischen dessen Betreiber Nico Tews und dem Anführer des „Bürgerbündnisses Havelland“, Christian Kaiser, soll es nämlich zum Bruch gekommen sein. Tatsächlich fehlte heute sowohl Tews als auch dessen Bühnenkonstruktion. Stattdessen hatte Kaiser ein neues Podium organisiert und maßgeblich durch die heutige Veranstaltung geführt. Qualitativ blieb er allerdings unter dem ohnehin schon niedrigen Niveau. Seine Redebeiträge wirkten diesmal sogar noch plumper und unüberlegter als die von vergangenen Veranstaltungen. So stimmte er wieder Hetztiraden gegen Flüchtlinge und Medien an und warb zudem offen für die extrem rechten Zeitschriften „Compact“ und „Junge Freiheit“. Der an den Anfang seines Redebeitrages vorgetragene Vorsatz wieder bürgerlicher zu werden, um wieder mehr Bürger_innen zu ziehen, war damit schon kurze Zeit später obsolet. Auch der nächst Redner, ein Dr. Erler, machte aus seinen Sympathien zu rechten Kreisen keinen Hehl. „Er wolle hier keine Werbung für die AfD machen“, so Erler, aber Frauke Petry, Björn Höcke und Alexander Gauland würden ihm schon sehr gut gefallen. Auch die anderen beiden Redner Ralf Maasch und Martin Knaak aus Stendal suchten auch eher die Nähe zu rechten und rechtsangehauchten, verschwörungstheoretischen Thesen. Dem Bündler-Anhang konnte dies indes nur recht sein. Nicht weil jetzt unbedingt mehr Rechte kommen, sondern weil sich die bürgerlichen Reihen immer weiter lichten. Gleichbleibend hoch bleibt hingegen der Anteil bekannter Neonazis aus Rathenow, Premnitz, Nauen, Ketzin/Havel, Potsdam und Havelberg sowie Abordnungen rechtsoffener, PEGIDA-ähnlicher Initiativen wie die „Bürgerbewegung Altmark“ oder „PO-GI-DA“.
Fotos: hier
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