Rathenow: Rechtes „Bürgerbündnis“ veranstaltete „Reichsgründungsfeier“
Mit einer Versammlung am Bismarckturm in Rathenow hat die rechte Vereinigung „Bürgerbündnis Havelland eV“ am Samstagnachmittag an die Gründung des zweiten Deutschen Reiches vor 146 Jahren erinnert. An der Veranstaltung nahmen acht Personen teil. Symbolisch wurde ein Kranz niedergelegt und ein Redebeitrag durch den Vereinsvorsitzenden gehalten. Während der Zeremonie wurden u.a. eine des Königreichs Preußen (1701–1918) und eine schwarz-weiß-rote Fahne, die sowohl im Kaiserreich von 1871–1918, als auch zum Beginn der NS Diktatur in Deutschland (1933–1935) Staatsflagge war, gezeigt.
AfD auf Distanz zum „Bürgerbündnis“?
Zu der Versammlung am Bismarckturm in Rathenow hatte ursprünglich die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) während einer Kundgebung am Montag, dem 16. Januar 2017, in Potsdam aufgerufen. Parallel dazu wurde auf der Internetseite der „Jungen Alternative Brandenburg“ (JA) zu einer Veranstaltung zum Thema: „146 Jahre Deutschland“ eingeladen. Den genauen Ort und die Zeit wollte die Organisation jedoch nur auf Anfrage mitteilen. Ein bekannter Geschichtsrevisionist war als Referent angekündigt.
Einen Tag nach der Kundgebung der AfD in Potsdam kündigte der Vorsitzende des „Bürgerbündnisses Havelland eV“ während einer Versammlung seiner Organisation in Rathenow ebenfalls eine Veranstaltung zum 146. Jahrestag der Gründung des zweiten deutschen Reiches, als „Reichsgründungsfeier“, an.
Einen Tag vor der geplanten Kundgebung am Samstagnachmittag verkündete die JA dann — überraschender weise — an, Zeit und Ort der Versammlung verlegt zu haben. Die Veranstaltung soll stattdessen, auch unter Beteiligung eines Rathenower AfD Funktionärs, der bisher dem Bürgerbündnis nahe stand, auf einem Friedhof in Berlin-Spandau zelebriert worden sein.
Das „Bürgerbündnis Havelland eV“ blieb in Rathenow hingegen unter sich und zog nur Teilnehmer_innen an, die bisher hauptsächlich auf den regelmäßigen Veranstaltungen dieser Vereinigung anzutreffen waren.
Tradition „Reichsgründungsfeier“
Der Reichsgründungstag erinnert an die Kaiserproklamation am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles und der damit assoziierten Errichtung des zweiten deutschen Reiches. Obwohl das Reich bereits am 1. Januar 1871 verfassungsrechtlich gegründet wurde, wurde fortan jedoch die Ausrufung Wilhelm I. zum deutschen Kaiser als offizieller Gründungstag des neuen deutschen Staates zelebriert.
Diese Tradition setzte sich auch während der Weimarer Republik und bis in die Anfangszeit des Nationalsozialismus, des „dritten Reiches“, fort.
Nach 1945 spielte der „Reichsgründungstag“ dann nur noch in politisch rechten Zirkeln und in Burschenschaften eine Rolle.
Die neonazistische NPD und ihre Unterorganisationen veranstalteten in den vergangenen Jahren immer wieder so genannte „Reichsgründungsfeiern“.
Am 18. Januar 2002 sollen beispielsweise ca. 100 Neonazis an einer solchen Feier in Heidesee OT Friedersdorf (Landkreis Dahme-Spreewald) teilgenommen haben. Die Versammlung soll, laut Angaben des Brandenburger Verfassungsschutzes, der zu diesem Zeitpunkt gemeinsame NPD Landesverband Berlin-Brandenburg ausgerichtet haben. Der Geheimdienst sah in der damaligen Feier den Versuch eines Ersatzgedenkens für strafrechtlich relevante Versammlungen zur die Gründung des „dritten Reiches“ (30. Januar 1933).
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