Eberswalde. (ar) Eine satirische Aktion mit ernstem Hintergrund nannte die Barnimer Kampagne Light me Amadeu ihre Kundgebung am Samstag. Direkt vor der Verwaltung des Landkreises thematisierte sie die Auswirkungen der Residenzpflicht und des Gutscheinsystems für Flüchtlinge. Denn ohne „Urlaubsschein“ dürfen Asylsuchende nicht nach Berlin oder Angermünde fahren. Sonst riskieren sie empfindliche Strafen. Auch Flüchtlingskinder müssen z.B. für Klassenfahrten Verlassenserlaubnisse beantragen. Auf dem Markt markieren junge Leute die Grenzen unseres Landkreises mit Flatterband und lassen nur einen Ausgang. Die Mitarbeiterin der In- und Ausländerbehörde wacht über ihre Stempel, liest die Anträge und entscheidet. Mal so, mal anders. Schwarze und weiße Polizisten, Stahlhelme auf dem Kopf, kontrollieren draußen die freiwilligen Testpersonen, ob sie eine ordnungsgemäße Erlaubnis zum Verlassen haben. Vorher erläutern die Schlips- und Verantwortungsträger Innenminister Jörk Schönschön und Landrat Botho Ampelrot das neue Modellprojekt für den Landkreis Bar-Nicht. Zur Verbesserung unserer Sicherheit vor terroristischen Bedrohungen solle ab sofort die Residenzpflicht für ALLE im Landkreis gelten. Trotz der Aufforderung zu kräftigem Applaus durch IM Schönschön lösen die Maßnahmen bei den Umstehenden keine Begeisterung aus. Anne von der Kampagne befragt die Testpersonen am Mikro: „Wie fühlen Sie sich, wenn Sie vor der beabsichtigten ‚Ausreise aus dem Landkreis Bar-Nicht’ eine Verlassenserlaubnis beantragen müssen? Welche Gründe nannten Sie? Bekamen Sie den begehrten Stempel?“ Nicht alle Testpersonen erhielten die gewünschte Erlaubnis. Selbst Landrat Ampelrot, der trotz Ablehnung seines Antrags den Bar-Nicht verließ, hatte Pech. Er wurde von den Polizisten bei einer „verdachtunabhängigen Personenkontrolle“ erwischt, zugeführt und verwarnt. Bei Wiederholung drohen ihm Bußgeld und sogar Haft. Als Dankeschön für vorbildliche Teilnahme am Modellprojekt bekamen einige Testpersonen Kopien von „Wertgutscheinen“. Damit können Flüchtlinge im Landkreis nur in bestimmten Läden einkaufen. Auf die Kopien schrieben die Leute von der Kampagne ihr Anliegen: „’Die Würde des Menschen ist unantastbar.’ Aber: Flüchtlinge dürfen in Deutschland jahrelang nicht arbeiten. Sie erhalten in den ersten vier Jahren weniger als 70% von Hartz IV, davon den Großteil in Form von solchen ‚Gutscheinen’. Dadurch werden sie an jeder Kasse erkannt, oft schikaniert und manchmal beleidigt. Wegen der ausgrenzenden Wirkung dieser Scheine protestieren wir weiter dagegen. Die Hälfte der Landkreise im Land Brandenburg zahlt statt ‚Gutscheinen’ Bargeld aus. Das fordern wir auch für unseren Landkreis! BARnimer Kampagne Light me Amadeu.“ Während der Aktion tauchten zwei Männer in NPD-T-Shirts auf, schlenderten um den dargestellten Barnim, lasen die ausgelegten Plakate. Probierten Teilnehmende zu verunsichern. Was nicht gelang. Als sie von Teilnehmerinnen der Aktion angesprochen wurden, verzogen sie sich. Anne meinte dazu: „Ein Teilerfolg. Denn unser Wahlslogan ‚Keine Stimme den Nazis’ meint nicht nur organisierte Nazis. Auch der strukturelle Rassismus muss angesprochen und überwunden werden, zum Wohl aller hier. Darum fordern wir auch nach der Wahl: BARgeld endlich für alle Flüchtlinge im Landkreis BAR!“
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