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Klima & Umwelt

Rohdung #1 – Nein, Nein, das ist nicht die Zukunft!

Infos zu Rohdung – der Kolumne aus dem Dschun­gel gibt es hier.

Seit dem Sep­tem­ber let­zten Jahres ist die “Fri­days for Future”-Bewegung (FFF) in Deutsch­land angekom­men. Am 18. Jan­u­ar diesen Jahres gab es die erste Demon­stra­tion mit anschließen­der Kundge­bung in Eber­swalde, die näch­ste Demon­stra­tion soll am 15. März stat­tfind­en. Es solle “den größten Kli­mas­treik geben, den die Welt je gese­hen hat.” sagt fridaysfofuture.de. [1] Ob dieser großspuri­gen Ankündi­gung, dem dabei auf­blühen­dem Eber­swalder Öko­herz und dem medi­alen Wirbel um “Fri­days for Future” scheint ein unvoll­ständi­ger Ver­such der Auseinan­der­set­zung lohnenswert.

Spätestens seit ihrer Rede auf dem UN-Klimagipfel Anfang Dezem­ber ken­nt fast jed­er Men­sch mit einem Social-Media-Pro­fil die Ini­tia­torin der “Fri­days for Future”-Bewegung Gre­ta Thun­berg. Die damals 15-jährige ging nach den Som­mer­fe­rien 2018 bis zu den Wahlen des schwedis­chen Par­la­ments im Sep­tem­ber drei Wochen lang nicht zur Schule und set­zte sich stattdessen vor das schwedis­che Par­la­ments­ge­bäude. In der Hand hielt sie ein Schild: “Skol­stre­jk för kli­matet”, auf deutsch “Schul­streik für das Klima”.
Seit den Wahlen fehlt Thun­berg jeden Fre­itag – und ist dabei schon lange nicht mehr allein. Bere­its am 30. Novem­ber fol­gten ihrem Vor­bild Schüler_innen in rund 100 Städten Schwe­dens, auch in anderen europäis­chen Län­dern gab es Aktio­nen. [2] Es kam wie es kom­men musste, die Bewe­gung kam nicht nur nach Deutsch­land, son­dern auch nach Eberswalde.

Bei der Demon­stra­tion im Jan­u­ar nah­men in Eber­swalde 200 Per­so­n­en teil – oder 50. Je nach­dem, ob man nun fridaysforfuture.de oder der MOZ glauben möchte. [3][4] Nach dem Video der MOZ zu urteilen, han­delt es sich eher um 50 Schüler_innen. [5] Die Demon­stra­tion musste zeitweise wegen der gerin­gen Teilnehmer_innenzahl auf dem Bürg­er­steig laufen. Am Star­tort, dem Hauptbahn­hof, und am Ende, dem Mark­t­platz, fan­den Kundge­bun­gen statt. Es wurde auf den Kli­mawan­del und eine wenig han­del­nde Poli­tik aufmerk­sam gemacht. In Sprechchören wurde ein Wan­del der Klimapoli­tik und das Ende der Kohlever­stro­mung gefordert.
Im Großen und Ganzen war es alles andere als eine welt­be­we­gende Ver­anstal­tung. Bemerkenswert ist neben der Tat­sache, dass uns bish­er keine anti­semi­tis­chen Krak­endarstel­lun­gen vor die Augen gekom­men sind, vielmehr das Mobil­isierungspo­ten­tial: In rel­a­tiv kurz­er Zeit wurde aus nur einem Milieu, dem der Schüler_innen, min­destens 50 Per­so­n­en zu ein­er sehr speziellen The­matik auf die Straße gebracht. Und das bun­desweit. Erfol­gre­iche Mobil­isierung an Schulen gelang in der Ver­gan­gen­heit entwed­er wenn eine lokale oder the­ma­tis­che Verknüp­fung vor­lag, beispiel­sweise durch Naziaufmärsche/Refugee Sup­port in der eige­nen Stadt oder die Bil­dungsstreiks 2009. Kli­maschutz ist aber nur im über­tra­ge­nen Sinn lokal. Das Über­schre­it­en des Zwei-Grad-Ziels sorgt nicht für blutige Nasen wie es Nazis tun und bet­rifft junge Men­schen nur min­i­mal mehr als ältere, da der Kli­mawan­del ein Prozess ist, der schon längst stat­tfind­et. Dementsprechend leben wir schon mit ihm und die Her­aus­forderung liegt somit  eher in der Anpas­sung der Gesellschaft und Wirtschaft an ihn. Diese muss in den näch­sten Jahrzehn­ten stat­tfind­en – und diese Jahrzehnte erleben auch noch die Eltern der Gen­er­a­tion Z [6] und auch ein Großteil deren Großel­tern. Die Gegen­proteste zu den let­zten recht­en Ver­anstal­tun­gen in Eber­swalde lock­ten, trotz lokaler Unmit­tel­barkeit, nicht so viele Schüler_innen aus dem Klassenzimmer.

Die Forderung der deutschen Bewe­gung beläuft sich auf “mehr Kli­maschutz und den Kohleausstieg – und zwar nicht erst in zehn Jahren!”. [7] Während für die Kohlever­stro­mung mit “Kohleausstieg ab 2020” [8] ein grund­sät­zlich­er Rah­men geset­zt wird, lässt sich zu “mehr Kli­maschutz” nichts Genaueres find­en. Wie sollte man auch? Der men­schliche Einfluss auf den Kli­mawan­del ist selb­st auf nationaler Ebene viel zu vielschichtig, um irgendwelche konkreten Forderun­gen zu stellen. Pos­i­tiv­er Neben­ef­fekt ist, dass so möglichst vehe­ment und kämpferisch für etwas gestrit­ten wer­den kann, ohne dass ein Gegen­wind aus entsprechen­den Wirtschaft­branchen zu erwarten ist, oder der deutsche Michel aus Angst um seinen Lebens­stan­dard in Sachen Bequem­lichkeit auf die Bar­rikaden geht.
Die Rhetorik dieser Bewe­gung beruft sich ständig auf das Ver­hält­nis von “wir Junge gegen euch Alte”, oft genug ver­bun­den mit infan­tilem Gejam­mer, dass die “Alten (da oben)” ihnen wed­er zuhören, noch sie ern­st­nehmen wür­den. Mit­tler­weile sind (lokale) Führungsper­so­n­en der Bewe­gung zu diversen Gesprächen mit Vertreter_innen von Poli­tik und Wirtschaft ein­ge­laden. Man freut sich über einen Auftritt beim Grü­nen Parteitag hier [9] und ein­er Einladung ins Insti­tut für deutsche Wirtschaft dort. [10] Endlich werde man ernst genom­men, endlich könne man par­tizip­ieren. Auch wenn nicht aus­geschlossen wer­den kann, dass dem Einen oder Anderen 68er das Herz beim Anblick der “jun­gen Wilden” auf­blüht, lassen sich diese Einladun­gen doch mit einem einzi­gen Wort beschreiben: Appeasement.

Natür­lich lädt das Kap­i­tal, in Form von Poli­tik und Wirtschaft, die FFF-Vorzeigestre­ber_innen aus der ersten Bankrei­he ein. Schließlich gibt es keinen besseren Weg die Bewe­gung zu besän­fti­gen, als der Forderung nach Gehör nachzukom­men, zu tun als würde man zuhören, zu ver­sich­ern man sorge sich genau­so und ihnen am Ende zu verk­lick­ern, dass es nun einmal nicht so ein­fach sei, wenn nicht sog­ar unmöglich. Entwed­er sehen die FFF-Vertreter_in­nen dies dann ein oder man geht ohne Lösung auseinan­der – und kann behaupten man hätte ja ver­sucht auf FFF einzuge­hen, aber mit dieser Bewe­gung ließe sich nicht kon­struk­tiv ver­han­deln. So ein­fach wie man den Klimabe­wegten den Schwung und die Sym­pa­thie nimmt, so wenig wird am Ende von “Fri­days for Future” abseits von Zeitungsarchiv­en bleiben. Wahrschein­lich muss das Kap­i­tal nicht die ger­ing­sten Zugeständ­nisse machen. 

Dazu kommt, dass FFF nicht ein­mal zu begreifen scheint, was nötig wäre, um ihre Forderun­gen kon­se­quent umzuset­zen: Die Über­win­dung des Kap­i­tals oder zumin­d­est mehr poli­tis­che Macht als dieses.
Denn, wie das 22-jährige Gesicht der deutschen Bewe­gung, Luisa Neubauer, richtig sagt: “Ich erlebe […] den Zwies­palt zwis­chen der Forderung nach Klimapoli­tik und der Forderung nach Wirtschaftswach­s­tum”. [11] Welch haarscharfe und auch über­raschende Analyse, dass das kap­i­tal­is­tis­che Sys­tem auf (möglichst effek­tiv­er) Akku­mu­la­tion beruht und sich eben diese Akku­mu­la­tion­s­möglichkeit­en nicht stre­it­ig machen lassen will. Zumal nicht zählt, ob akku­muliert, son­dern dass aus­re­ichend akku­muliert wird, um in der Konkur­renz des Mark­tes beste­hen zu kön­nen. Die Unfähigkeit eben diesen Zusam­men­hang zu erken­nen und auszus­prechen, son­dern sich im schlimm­sten Fall noch in Post­wach­s­tum­skonzepte oder in andere Green-Cap­i­tal­ism-Idi­otie zu flücht­en, ist für die bre­ite Masse der Kli­maschutz- bzw. Ökobe­we­gung symp­to­ma­tisch. Das gilt für die Klimabe­wegte in Eber­swalde genau­so wie bundesweit.
Mehr poli­tis­che Macht bzw. Druck auf die Poli­tik in Form von Par­la­menten und Min­is­te­rien wird eben­falls wohl kaum zu stande kom­men, zumal es sich beim einzigen Druck­mit­tel um ein “Bestreiken” des Schu­lun­ter­richts han­delt. Als ob “Streiken” an einem einzi­gen (!) Wochen­tag, noch dazu dem Fre­itag, nicht schon lächer­lich genug wäre, find­en die sogen­nan­ten Streiks brace your­self fast auss­chließlich Nach­mit­tags statt. Falls die Schüler_innen zu diesen Zeit­en noch Unter­richt haben, wer­den also unge­fähr ein bis zwei Unter­richtsstun­den bestreikt. Doch hier erre­icht der Irrsinn seinen Höhep­unkt noch nicht, denn Streiks sollen Druck aufbauen, da Pro­duk­tion ver­hin­dert wird und damit zu Gewin­nver­lus­ten führen. Das tut das “Bestreiken” des Schu­lun­ter­richts nicht. Schon gar nicht am Fre­itag Nach­mit­tag. Die einzige Leis­tung dieses “Streiks” ist, dass sich die Stre­ber_innen aus der ersten Rei­he ein­mal in ihrem Leben rebel­lisch fühlen kön­nen, bevor sie im Anzug ver­schwinden. Das “Engage­ment” für FFF macht sich dann alle­mal gut im Lebenslauf.

Jede_r fängt mal klein an. Wird zumin­d­est oft gesagt. Und tat­säch­lich ist es schön zu sehen, dass sich junge Men­schen für etwas engagieren. Noch schön­er ist, dass sie sich wahrschein­lich in vie­len Fällen als “links” ver­ste­hen. Jedoch wird auch in selb­ster­nan­nten “linken” Kli­maschutzbe­we­gun­gen reak­tionär-antie­manzi­pa­torischen Ansätzen allzu oft ein Podi­um geboten. Statt eine klare Kante gegen Spin­ner_innen zu zeigen, wird in der Regel ver­sucht noch der let­zten Tiefenökolo­gin ein Safe Space zu bieten. Ratio­nale Kri­tik hat draußen zu bleiben.
Ob FFF hier der unsäglichen Tra­di­tion deutsch­er Ökobe­we­gun­gen fol­gen wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Bish­er fie­len die Ver­anstal­tun­gen wed­er durch solche Aus­fälle auf, noch durch offen­sive Abgren­zung dagegen.
Ger­ade wenn den Gesichtern der FFF-Bewe­gung aus der kon­ser­v­a­tiv bis extrem recht­en Ecke vorge­wor­fen wird, sie seien bloße Instru­mente von wem auch immer (Hal­lo, Ver­schwörungsphan­tasie!), oder hät­ten ein­fach keine Lust in die Schule zu gehen, gehören sie vertei­digt. Ins­beson­dere weil wieder ein­mal mehr zu sehen ist, wie ekel­haft soziale Medi­en sein kön­nen. Doch gehören sie gegen diese Angriffe vertei­digt und nicht für ihre Inhalte. Denn diese gehören seper­at und nüchtern auf den Prüf­s­tand gestellt. Nie­man­dem ist geholfen, indem die Schüler_innen von FFF zum neuen rev­o­lu­tionärem Sub­jekt verk­lärt wer­den, nur weil sie sym­pathisch sind. Gle­ich­es gilt übri­gens auch für Baggerbesetzer_innen, schließlich ist es vol­lkom­men offen, ob das Pro­jekt “Kli­maschutz” über­haupt als “links” anzuse­hen ist. Denn: linke Konzepte fehlen bish­er. [12]
Es bleibt zu hof­fen, dass die Beteili­gung an FFF zumin­d­est für einige das Ursprungsmo­ment ein­er dauer­haften Poli­tisierung
darstellt . Mit noch ein wenig Hoff­nung mehr, führt diese zu einem Engage­ment im Kampf ums Ganze, statt dem Kampf ums Klima.

Lange Rede kurz­er Sinn:
Liebe Schüler_innen, wenn ihr “streikt”, dann macht in der Zeit etwas Sin­nvolles. Schlaft aus, entspan­nt euch im Park, zieht euch Net­flix rein oder lest etwas.


[1] https://fridaysforfuture.de/march15th/
[2] https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/greta-thunberg-das-gesicht-der-globalen-klimabewegung-a-1241185.html
[3] https://fridaysforfuture.de/18januar/
[4] https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1704083/
[5] Die Bewe­gung wird haupt­säch­lich von Schüler_innen getra­gen, allerd­ings fühlen sich auch viele Studierende ange­sprochen (bzw. wer­den von der Bewe­gung gezielt ange­sprochen) und nehmen an den Aktio­nen teil. Diese wer­den hier, der Ein­fach­heit hal­ber, eben­falls ange­sprochen, wenn von Schüler_innen die Rede ist.
[6] Beze­ich­nung für zwis­chen 1997 und 2012 geborene
[7] https://fridaysforfuture.de/about/
[8] https://fridaysforfuture.de/wp-content/uploads/2019/02/Offener-Brief-kohlekommission.pdf
[9] https://www.pnn.de/brandenburg/fridays-for-future-zuspruch-fuer-streikende-schueler-waechst/24042846.html
[10] https://ze.tt/klima-aktivistin-luisa-neubauer-ich-hoffe-dass-ich-nicht-noch-825-freitage-streiken-muss
[11] ebenda
[12] Allen Leser_innen sei an dieser Stelle der Text „T‑Shirt im Treibhaus“ von Ivo Boz­ic ans Herz gelegt: https://jungle.world/artikel/2017/35/t‑shirt-im-treibhaus

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