(Junge Welt, Andreas Siegmund-Schultze) Die Märsche von Alt- und Neonazis im brandenburgischen Halbe könnten ähnlich den Heß-Gedenkmärschen im bayerischen Wunsiedel alljährliche braune Tradition erlangen. Anfang der 90er wurde der größte deutsche Soldatenfriedhof in Halbe zum Wallfahrtsort für alte und neue Nazis. Höhepunkte waren die Aufmärsche anläßlich des sogenannten Volkstrauertages 1990 und 1991 mit mehreren tausend Teilnehmern. In den darauffolgenden Jahren wurden die Aufmärsche verboten. Im vergangenen Jahr allerdings durften die Neofaschisten ihren Marsch mit 700 Teilnehmern am Tag vor dem Volkstrauertag wieder durchführen. Für das geplante »Heldengedenken« am kommenden Samstag hat die Polizei ein Verbot beantragt. Ein Sprecher des »Antifa-Bündnis gegen das nationalsozialistische Heldengedenken« äußerte gegenüber jW allerdings die Befürchtung, daß Gerichte das Verbot noch aufheben werden.
Dafür spricht auch, daß die Vorbereitungen der Polizei auf Hochtouren laufen. Dieses Jahr werde man »die beiden Lager« mit mehr als 1200 Beamten auseinanderhalten, so die Pressestelle der Polizei in Frankfurt/Oder auf jW-Anfrage. Die Polizei rechnet mit 600 bis 800 Neonazis und 2 500 Gegendemonstranten. Die Strategie der Polizei ist klar: sollte es zum Aufmarsch kommen, sollen die Rechten marschieren dürfen, Antifaschisten hingegen sollen sich mit Kundgebungen auf dem Bahnhofsvorplatz von Halbe zufriedengeben.
Nach jW-Informationen klagt das »Bündnis gegen das nationalsozialistische Heldengedenken« gegen diese Polizeiverfügung, da es selbst eine Demonstration durch Halbe durchführen will. Zwei Kundgebungen von PDS-Kreisverbänden wird es nach dem Willen der Polizei nur auf dem Bahnhofsvorplatz (11 Uhr) geben, was die Veranstalter akzeptierten.
Antifaschistische Initiativen wollen am Samstag neben der erhofften Verhinderung der Neonaziprovokation auch eigene Akzente setzen. Sie wollen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Deserteure der Wehrmacht und der gefallenen Soldaten der Roten Armee gedenken, die ebenfalls auf dem Friedhof in Halbe beerdigt sind. Während allerdings der DVU das Ablegen eines Kranzes auf dem Vorplatz des Friedhofs vom zuständigen Ordnungsamt genehmigt wurde, darf eine Gedenkkundgebung der Verfolgtenorganisation VVN/BdA dort nicht stattfinden. Nach Informationen des Berliner VVN/BdA-Landesvorsitzenden Ronny Ziller werde man Kränze für Verfolgte sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aber nicht neben Gebinde legen, die Naziverbrecher ehren.
Bereits im August hat sich eine Initiative gegründet, die bis zum 60. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai 2005 ein Denkmal für Deserteure der Wehrmacht in Halbe errichten will.
Infos: www.redhalbe.de.vu
Antifa fährt auf jeden Fall nach Halbe
Polizei beantragte Verbot von Neonazi-Aufmarsch / Gerichtliche Entscheidung steht noch aus
(Neues Deutschland, Hannes Heine) Brandenburg. Der »Freundeskreis Halbe« bittet ausdrücklich darum, »Restalkohol zu vermeiden«. Außerdem sollen rechtzeitig »Pflichtlieder« bekannt gemacht werden. Dabei handelt es sich um interne Anweisungen unter Rechtsradikalen. Diese wollen am Wochenende zu einem so genannten »Heldengedenken« in Halbe aufmarschieren.
Der Soldatenfriedhof in dem 2500 Einwohner zählenden Ort ist der größte Deutschlands. Bei Halbe tobte die letzte große Kesselschlacht des Zweiten Weltkriegs. Ein Großteil der 23000 sterblichen Überreste auf dem Zentralfriedhof von Halbe stammt von Wehrmachtsangehörigen und Waffen-SS-Leuten. Doch unter den
Toten befinden sich auch Deserteure und sowjetische Zwangsarbeiter.
»Bis zu 800 rechte Teilnehmer« erwartet Peter Salender vom zuständigen Polizeipräsidium Frankfurt/Oder. Bei Gegenkundgebungen rechnet Salender mit etwa 2500 Demonstranten. Ein antifaschistisches Bündnis und die PDS dürfen in einiger Entfernung und unter strengen Auflagen ab 12 Uhr protestieren. »Während Faschisten aus ganz Deutschland des Naziregimes gedenken, wird Antifaschisten gerade noch der Bahnhofsvorplatz zugestanden«, beschwert sich Markus Roth vom Antifa-Bündnis. Bis jetzt ist der Nazi-Aufmarsch nicht verboten.
Das Polizeipräsidium hat zwar ein Verbot beantragt. Gerichtliche Entscheidungen darüber stehen aber noch aus. Egal, wie die Richter urteilen: Die Antifas wollen am Sonnabend in Halbe sein. »In jedem Fall werden wir Präsens zeigen«, kündigt Roth an.
Schon 2003 konnten sich erstmals nach langer Zeit wieder 600 Rechtsextreme unterschiedlicher Couleur in Halbe versammeln. Seit 1991 sind dort Kundgebungen am Volkstrauertag verboten worden. Die Neonazis um den Hamburger Christian Worch haben aus den Verboten gelernt und weichen wie 2003 wieder auf den Termin vor dem Volkstrauertag aus. Uniformierungen und verfassungsfeindliche Symbole in den eigenen Reihen wollen die Veranstalter aus taktischen Gründen selbst unterbinden.
Ein erneutes Verbot der Veranstaltung fordern vor allem Opferverbände. Im August wandten sich zahlreiche Widerstandskämpfer und NS-Opfer gegen die faschistische Wallfahrt. Für die 57 Wehrmachtsdeserteure, die ebenfalls in Halbe liegen, forderten sie ein Denkmal (ND berichtete).