Märkisch-Oderland (MOZ) Männer schlagen ihre Frauen, stellen ihnen nach, üben Telefonterror aus — die Gewalt gegen Frauen hat mittlerweile viele Gesichter. Auch in Märkisch-Oderland nehmen die Fälle von häuslicher Gewalt zu. Oftmals bleibt den betroffenen Frauen nur die Flucht aus der gemeinsamen Wohnung, dem gemeinsamen Haus — zu Verwandten, Freunden oder auch ins Frauenhaus. Das Land Brandenburg unterstützt solche Einrichtungen jährlich mit 900 000 Euro. Davon fließen 50 000 Euro nach Märkisch-Oderland, ins einzige Frauenhaus, das das DRK vorhält. MOZ schaute sich in der Zufluchtsstätte um.
Große Fenster, ein großer runder Tisch, eine moderne blaue Couch, Blumen, zwischendurch springt eine kleine Katzen herum, Kaffeeduft liegt in der Luft — der helle Vorraum atmet Gemütlichkeit und fängt auf. Frauen, die zu Hause nicht mehr sicher waren. Zurzeit sind es drei, die sich in den Schutz des Frauenhauses begeben haben, nach Jahren psychischer und körperlicher Gewalt. Insgesamt haben sieben Frauen Platz. Im vergangenen Jahr waren es 34 Frauen mit 21 Kindern, die die Chance über die Einrichtung nutzten, um ein neues Leben zu beginnen.
Petra Slesazek arbeitet bereits seit fünf Jahren im Frauenhaus, und hat viele Frauenschicksale miterlebt, erschütternde Berichte gehört, verzweifelte, gepeinigte Frauen weinen gesehen. Wenn sie zu ihr und ihrer Kollegin Angelika Hildebrandt kommen, dann brauchen die Frauen schnell Hilfe. “Oftmals kommen die Frauen nur mit den Sachen, die sie auf dem Leib tragen, ohne Papiere und Geld”, berichtet die Betreuerin. Das heißt, es müsse zunächst finanzielle Unterstützung bei der Agentur für Arbeit bzw. neue Papiere beantragt werden. Und alles kostet Geld. Bis zu dreimal müsse eine Frau nach Strausberg fahren, um die Behördenwege zu gehen, ehe sie überhaupt das erste Geld in der Hand hält. Es habe schon einmal bis zu vier Wochen gedauert, ehe eine Frau Unterhalt bekommen habe, erzählt Petra Slesazek. Die erste Grundausstattung an Bettwäsche und Handtüchern stellt das Haus. Lebensmittel können sich die Frauen von der Strausberger Tafel holen, mit der das Frauenhaus seit einiger Zeit zusammenarbeitet.
Sind die bürokratischen Hürden genommen, brauchen die Frauen Zeit für sich, Zeit, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Das ist schwierig. Denn oftmals haben die Betroffenen über viele Jahre Gewalt erfahren. “Da ist es schwierig, den Kreislauf zu durchbrechen. Im Laufe der Zeit haben sie sich mehr und mehr aus ihrem Umfeld zurückgezogen. Aus Angst vor Fragen”, sagt die Betreuerin. Vereinsamung und fehlende Fähigkeit zur Konfliktbewältigung sind die Folgen. Es dauert, ehe die Frauen sich öffnen und über ihre Probleme reden können. Deshalb gibt es auch einmal in der Woche im Frauenhaus eine Hausversammlung. Denn wie in jeder Familie entstehen auch dort im Zusammenleben Konflikte. “Und in dieser Versammlung lernen sie wieder Konflikte zu lösen”, sagt Petra Slesazek.
Ihre Schützlinge sind keineswegs nur Frauen aus sozialschwachen Verhältnissen. Betroffen sind Frauen aus allen Schichten, aus allen Ämtern und Städten des Landkreises. Sie suchen Zuflucht, weil sie körperlich, sexuell verletzt wurden oder weil sie unter psychischem Druck leiden, sie über Jahre immer wieder vermittelt bekommen haben, dass sie nichts wert sind. Auch die gesellschaftliche Gewalt sei auf dem Vormarsch. Gerade mit der Einführung von Hartz IV geraten Frauen in finanzielle Abhängigkeiten, geraten in die Schuldenfalle, flüchten in die Sucht.
Warum sich Frauen das gefallen lassen? Diese Frage werde oft gestellt, vor allem von Außenstehenden, die oftmals kein Verständnis für das Verhalten der Frauen aufbringen, sagt die Mitarbeiterin des Frauenhauses. Dabei sei Angst eine große Motivation. Denn flüchtet eine Frau vor ihrem Mann und werde dann gefunden, sei die Gewalt doppelt so groß. Scham ist ein weiterer Grund, sich der häuslichen Gewalt hinzugeben, sie auszuhalten. Hinzukommt die Solidarität, das so genannte Stockholmsyndrom, die Frauen anfangs noch ihren Männern, Freunden gegenüber aufbringen. Und natürlich die schon genannte finanzielle Abhängigkeit führt dazu, alles über sich ergehen zu lassen. “Der Radius wird immer enger. Die Betroffenen ziehen sich zurück, bis sie völlig isoliert leben”, kennzeichnet Petra Slesazek die Situation. Vor allem im ländlichen Bereich sei dies zu beobachten. Erst wenn die Frauen wirklich nicht mehr weiter wissen und eine gefestigte Absicht haben, nämlich sich von ihrem Mann oder Lebensgefährten zu trennen, kommen sie ins Frauenhaus.
Dies geschieht auf unterschiedliche Weise. Entweder setzt sich die Frau persönlich mit der Einrichtung in Verbindung oder ruft den Frauennotruf an, der rund um die Uhr geschaltet ist. Die meisten Anrufe kämen um 22 Uhr, plaudert Petra Slesazek aus dem Nähkästchen. Oder das Frauenhaus erhält mit Einverständnis der Betroffenen über die Polizei die Information über auftretende häusliche Gewalt. “Dann setzen wir uns mit der Frau in Verbindung und beraten sie über weiterführende Hilfen, vor allem auch welche Rechtsansprüche die Frau bei einer Trennung hat.”
Seit das Gewaltschutzgesetz in Kraft ist, müssen immer häufiger die prügelnden Männer gehen. “Jeder soll wissen: Wer prügelt, hat Unrecht und wer häusliche Gewalt ausübt, der muss mit Bestrafung rechnen”, so Familienministerin Dagmar Ziegler. “Das Gewaltschutzgesetz signalisiert deutlich: Frauen, die zum Schutz von häuslicher Gewalt eine gemeinsame Wohnung für sich beanspruchen, haben das Recht auf ihrer Seite”, so die Ministerin. Das gelte zwar auch in gleicher Weise für Männer, doch im vergangenen Jahr waren im Land Brandenburg fast 82 Prozent der Opfer weiblich.
Um die Wohnung für sich beanspruchen zu können, zunächst für bis zu zehn Tage, muss die Frau einen Antrag beim jeweiligen Amtsgericht stellen. Auch dabei werden Frauen durch die Mitarbeiter des Frauenhauses begleitet. “Sie trauen sich solche Wege oft nicht mehr allein zu. Aus Angst, dass Erlebtes von Behörden bagatellisiert wird”, so Petra Slesazek.
Die Hilfesuchenden können solange im Frauenhaus bleiben, bis sich eine Lösung für sie, und wenn vorhanden, für ihr Kind gefunden hat. Das heißt letztlich auch, wenn für die Frau eine Wohnung gefunden wurde. Das werde zusehends schwieriger. Die Frauen bekämen oftmals nur noch die “letzten Löcher” angeboten. Völlig runtergewirtschaftet. “Sie schaffen es gerade so, ihr Leben wieder allein zu händeln, da fehlt ihnen das Geld, die Wohnung zu renovieren”, so die Betreuerin. Früher hätte das Frauenhaus noch mit ABM-Kräften beim Renovieren aushelfen können. Aber das ist nun vorbei. Und selber reiche ihr die Zeit nicht aus, um noch solchen Aufgaben nachzukommen. Überall ist das Geld knapp. Darum ist das Frauenhaus MOL auch auf den Zuschuss des Landkreises und die Unterstützung der Städte und Ämter angewiesen — fünf Cent pro Einwohner. Doch nicht alle Gemeinden zahlen. Obwohl aus jedem Amt, jeder Stadt Frauen die Zuflucht ins Frauenhaus suchen.