Den Jahrestag der “Machtergreifung”, den Tag, an dem das “Dritte Reich” heraufzog, dürfen Rechtsextremisten nicht feiern, da eine Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes verboten ist. Was tun? Rechtsextremisten geben sich selbst die Antwort: Feiern wir stattdessen den Tag, an dem das “Zweite Reich” 1871 in Versailles ausgerufen wurde.
Solche Überlegungen dürften die rund 100 Personen geleitet haben, die in der Gaststätte “Zum Lindenkrug” in Friedersdorf gemeinsam die 130. Wiederkehr der Reichsgründung begingen. Sie waren einer Einladung des NPD-Landesverbandes Berlin-Brandenburg gefolgt.
Die Veranstaltung verlief störungsfrei. Lediglich zwei ungebetene Zaungäste, die offenbar für die linksextremistische Antifa “Feindaufklärung” betrieben, wurden von der Polizei des Platzes verwiesen.
Weil sie in der jüngsten Vergangenheit zahlreiche Veranstaltungsverbote hinnehmen mussten, entwickeln Rechtsextremisten durchaus Phantasie bei dem Bemühen, neue Anlässe für ideologisch überhöhte Feiern zu finden. Gerne knüpfen sie ihre rückwärts gewandten Utopien an Daten der deutschen Geschichte.
“Reichsgründungsfeiern” gehören nun schon seit einigen Jahren zum Festtagskranz von Rechtsextremisten — und das nicht nur in Brandenburg. In unserer Region hatte hierzu in den vergangenen Jahren jeweils die “Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V.” (BKP) eingeladen. Da sie ihre Funktion als Sammelbecken für das rechtsextremistische Spektrum weitgehend eingebüßt hat, sprang die NPD ein. Trotz des Verbotsverfahrens hält die Partei den Reichsmythos weiter hoch. Ein neu erstehendes “Deutsches Reich” ist für sie ein erträumtes Wunschbild und die einzig denkbare Alternative zum verhassten “System”.