Was wird aus den Geduldeten, was aus den Flüchtlingen, die schon seit Jahren einen unsicheren Aufenthalt in Deutschland haben?
Am 22.9.2006 berieten die Innenminister erstmals über ein künftiges Bleiberecht – ein Schritt in die richtige Richtung, doch wie hoch werden die Hürden tatsächlich sein, um ein Bleiberecht zu erhalten?
Am Tag des Flüchtlings, dem 29.9.2006, ruft der Flüchtlingsrat Brandenburg erneut dazu auf, endlich eine Bleiberechtsregelung für lang hier lebende Flüchtlings zu schaffen!
Die junge Frau A.B. lebt seit 12 Jahren in Deutschland – ohne gesicherten Aufenthalt, ohne Chance auf eine berufliche Ausbildung. Sie flüchtete als neunjähriges Kind mit ihren Eltern aus Bosnien. Seitdem ist viel passiert in der deutschen Asylpolitik, aber nichts, was A.B. und ihrer Familie geholfen hat. Noch immer leben sie in Unsicherheit. 12 Jahre ohne wirklich angekommen zu sein. Für A.B. ist Deutschland aber längst zur Heimat geworden. Ein Beispiel unter vielen:
Brandenburg 1994: das Brandenburger Sozial- ministerium besteht auf Sachleistungen für Flüchtlinge. Magazineinkauf, Gutscheine, kein Bargeld. Dagegen protestieren Flüchtlinge wie auch BrandenburgerInnen, in der Folge wird der Flüchtlingsrat Brandenburg gegründet.
Bosnien 1994: A.B. flieht mir ihrer Familie aus dem Krieg nach Berlin, dort erhalten sie eine Duldung als Kriegsflüchtlinge und leben in einem Berliner Wohnheim.
A.B. ist 9 Jahre alt.
Brandenburg 1997: Das Sozialministerium ordnet nach langem Kampf der Flüchtlingsorganisationen an, fünf überregionale Beratungsstellen für Flüchtlinge einzurichten.
Berlin 1997: A.B. und ihre Familie erhalten die erste Abschiebungsandrohung, aber es passiert ihnen vorerst nichts. A.B. geht weiter in die Schule.
Deutschland 2002: Das Antiterrorpaket II tritt in Kraft. Möglich gemacht durch die Ereignisse am 11. September 2001 hat sich die vormals liberal dominierte Zuwanderungsdebatte zu-nehmend in Richtung Gefahrenabwehr und Kontrolle verschoben.
Berlin/Brandenburg 2002: A.B. und ihre Familie sollen abgeschoben werden. In letzter Minute können sie einen Asylantrag stellen und werden nach Eisenhüttenstadt (Brandenburg) verlegt.
Deutschland Anfang 2003: Die „rot/grüne“ Bundesregierung legt den Zuwanderungs- gesetzentwurf unverändert vor. Trotz heftiger Kritik aus dem Nicht-Regierungsbereich wie PRO ASYL und den Wohlfahrtsverbänden und von Seiten der unionsgeführten Länder wird von der Bundesregierung der Entwurf zum Zuwan-derungsgesetz (ZuwG) unverändert vorgelegt. Bundesinnenminister Schily setzte auf den Konsens der großen Parteien und lässt die Bedenken der Flüchtlings- und Migrantenlobby unberücksichtigt.
Brandenburg Anfang 2003: A.B. und ihre Familie werden von der Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt nach Potsdam verteilt und erhalten eine Aufenthaltsgestattung. Der Asylantrag wird jedoch sechs Monate später abgelehnt. Die Familie klagt, die Klage ist bis heute nicht entschieden.
A.B. absolviert die 12. Klasse.
Brandenburg Frühjahr 2003: Der Flüchtlingsrat und weitere AktivistInnen starten auch in Brandenburg die Bleiberechtskampagne, die 2002 von Pro Asyl ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, ein Bleibrecht für lang hier lebende Flüchtlinge zu erreichen, damit der jahrelangen Unsicherheit endlich ein Ende gesetzt wird.
Brandenburg Frühjahr 2003: A.B. verlässt das Asylbewerberheim und bezieht erstmals seit neun Jahren eine Wohnung in Deutschland.
A.B. ist 19 Jahr alt und hat das erste mal im Leben ein Zimmer, was sie nur mit ihrer Schwester bewohnt.
Brandenburg 2004: Nachdem die CDU sich immer wieder der Gründung einer Härtefallkommission widersetzt gründet die Landes-ausländerbeauftragte gemeinsam mit Kirchen- und FlüchtlingsorganisationsvertreterInnen einen Härte- fallbeirat für Flüchtlinge.
Brandenburg 2004: A.B. macht ihr Abitur und ist nun auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Studium und Ausbildung sind ihr jedoch als Asylsuchende verweigert.
Deutschland 2005: Bei der Konferenz der Innenminister in Karlsruhe streiten sich diese um die dringend benötigte Bleiberechtsregelung Sie wird erst einmal wieder verschoben. Statt dessen beschließen sie eine Evaluation des Zuwanderungsgesetzes.
Deutschland/Brandenburg 2005: A.B. erfährt über die Jugendinitiative „Jugendliche ohne Grenzen“ (J.o.G.) und beteiligt sich mit vier weiteren Jugendlichen aus Brandenburg an den Protestveranstaltungen der J.O.G. zur IMK. Sie fordern eine sofortige Bleiberechtsregelung sowie die Möglichkeit zu Ausbildung und Studium für junge Flüchtlinge.
Deutschland 2006: Das Bundesinnenministerium legt die Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes vor. Pro Asyl dazu: „Katalog der Grausamkeiten“. Ergebnis u.a.: man will AusländerInnen, die Hartz IV-EmpfängerInnen sind, ausweisen können, die Niederlassungserlaubnis- Fristen sollen auf 7 Jahre verlängert werden, Ehegatten erst nach 3 Jahren eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen, es soll noch mehr Möglichkeiten zu Widerrufsverfahren geben, Abschiebungen bei Geduldeten sollen nicht mehr angekündigt werden müssen und vieles mehr.
Brandenburg 2006: VertreterInnen des Flüchtlingsrats, der Kirche und der J.o.G. führen ein Gespräch mit dem brandenburgischen Innenministerium zum Thema Ausbildung und Studium für jugendliche Flüchtlinge. Das Gespräch hat eine Erlassänderung zur Folge, eine Ausbildung ist nun auch für jugendliche Flüchtlinge unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Eine zukünftige Bleiberechtsregelung darf nicht an unerfüllbare Kriterien wie z.B. dem Nachweis einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung scheitern, denn dann wird auch die Familie von A.B. erneut keine Chance auf ein Bleiberecht haben!
Es muss endlich eine gesetzliche Regelung beschlossen werden, die langjährige unsichere Aufenthalte und Kettenduldungen verhindert und die eine rückwirkende Bleiberechtsregelung beinhaltet!
Der Flüchtlingsrat Brandenburg hat eine Broschüre zusammengestellt, die das Schicksal von lang hier lebenden Flüchtlingen aufzeigt. Die Broschüre kann über die Geschäftsstelle bezogen werden.
Am 29.9.2006 wird um 13 Uhr ein Radiogespräch mit Paimana Heydar von der Organisation „Jugendliche ohne Grenzen“ und Judith Gleitze vorn Flüchtlingsrat Brandenburg bei Radio Multikulti zum Thema Bleibrecht stattfinden.