(aus der Printausgabe des Berliner Stressfaktor Mai 2007) Wenn das Leben in der Kleinstadt zur Hölle wird, spricht das gegen sie. Überspitzt gesagt, ist es in einem Vorort südöstlich Berlins, namentlich als Königs Wusterhausen bekannt, ratsam, nachts mit einer Sonnenbrille durch die Stadt zu gehen. Es ist ein Ort mit jahrzehntelanger, kontinuierlicher Neonazigeschichte.
Die Szene “freier Kräfte” ist personell gut aufgestellt und mehrfach mit verschiedenen Ausrichtungen organisiert, neben ihnen Cliquen von “Kameraden” in verschiedensten Generationen, nun, kürzlich gegründet, ein NPD-Ortsverband. Zwei der Protagonisten dieses stark verwobenen, von der Stadt totgeschwiegenen, Netzwerks stellen sich vor:
Michael Thalheim
Der 35-jährige, der in der Karl-Kindlerstrae 6 in Königs Wusterhausen wohnt, ist seit vielen Jahren in der örtlichen Naziszene aktiv. Er wuselte herum, wo immer es nationalsozialistischen Aktionismus gibt. Bisher z.B. an Übergriffen auf Antifaschist_innen oder zahllosen Demonstrationen beteiligt, soll er nun vermutlich als “Kamerad der Szene” versuchen die NPD zu verankern. Dafür wurde er am 13.04.07 zum Vorsitzenden des neugegründeten NPD-Ortsverbands in Königs Wusterhausen ernannt. Als Ziel hat sich der OV, bei dessen Gründung auch Jörg Hähnel anwesend war, den Einzug in das Stadtparlament im Jahre 2008 gesetzt. Werden die Möglichkeiten für die Naziszene in Form von Schulungsangeboten ideologischer und organisatorischer Art, rechtlicher Unterstützung und struktureller Hilfe in Betracht gezogen, ein leichter Deal für die “nationalen Strukturen” vor Ort.
Mike Turau
Schwer damit beschäftigt in seiner Freizeit mit seiner flammenbeklebten Karre (schwarzer Alfa; LDS-AM 235) durch KW zu fahren ist der 1983 geborene Mike Turau. Immer ein wenig lauter, immer ein bisschen aggressiver als die Anderen. In seiner Vergangenheit finden sich Kontakte zu den “United Skins”, einer Neonaziorganisation um Karsten Szcepanski in den 1990ern, heute hält er rege Verbindungen zu verschiedenen örtlichen Nazigenerationen (von Jung bis Alt) und autonomen Nationalisten in Berlin. Der Fernfahrer und Vater zweier Kinder kennt die Szene, ihre Aktiven und ihre Partys. Obwohl von der Polizei beobachtet, ist er ziemlich aufgeplustert und emsig in letzter Zeit; ob mit Drohungen gegen lokale Antifaschist_innen oder Darbietungen als Antiantifa-Fotograf auf überregionalen Aufmärschen. Er, der ohne Schulabschluß “durchs Leben marschiert”, wohnt in bester Gesellschaft zu jenen, die allzu oft als Mitläufer abgetan, zu Dutzenden Tag für Tag unorganisiert den NS verherrlichen, in einem Plattenbauviertel in der Käthe-Kollwitz-Straße 19. Mitten in einer no-go-area, wen wunderts?
Die Szene in KW hat sich vital aufgestellt und bekommt nun Beihilfe von der NPD um wachsen zu können. Für Thalheim und Turau kommen scheinbar entspannte Zeiten: Ein Haufen Freunde, eine gute, oft einfach subkulturell ausgerichtete, rechte Infrastruktur (von der Party bis zur “Thor-Steinar”-Zentrale), und nun wohl auch “organisierte politische Arbeit” für mehr Antisemitismus, Chauvinismus, Rassismus, Nationalismus, Sexismus, mehr Gewalt und mehr NS-Verherrlichung, ob die gesteckten Ziele klappen oder nicht. Zeit dem etwas entgegen zu setzen!