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Neuruppin/Wittstock: Freispruch für Neonazis nach Wohnungsüberfall

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Nach mehrtägi­gen Ver­hand­lun­gen endete gestern vor dem Neu­rup­pin­er Amts­gericht ein Prozess gegen drei Neon­azis aus Wittstock/Dosse(Landkreis Ost­prig­nitz-Rup­pin, Bran­den­burg) mit Freis­prüchen. Den Angeklagten war gefährliche Kör­per­ver­let­zung und Sachbeschädi­gung vorge­wor­fen wor­den. Sie sollen im Feb­ru­ar 2015 in die Woh­nung eines Linksalter­na­tiv­en in Wittstock/Dosse einge­drun­gen sein und den 22 Jähri­gen physisch mis­shan­delt haben. Die angeklagten Neon­azis gel­ten als gewalt­bere­ite „Autonome Nation­al­is­ten“ und fie­len in der Ver­gan­gen­heit immer wieder bei Neon­azi­aufmärschen auf, ein­er von ihnen war zusät­zlich von ein­er Polizeirazz­ia im Zuges des Ver­botes der „Weisse Wölfe Ter­ror­crew“ (WWT) im Früh­jahr 2016 betroffen.
Nächtlich­er bru­taler Überfall
Die vor dem Amts­gericht Neu­rup­pin ver­han­delte Tat ereignete sich bere­its vor zwei Jahren, in der Nacht vom 20. Auf den 21. Feb­ru­ar 2015. Damals hat­ten sich der Haupt­be­trof­fene Chris L sowie mit ihm Befre­un­dete in der Woh­nung des 22 Jähri­gen aufge­hal­ten. Gegen 02.00 Uhr seien dann die ver­mummten Täter aufge­taucht und hat­ten nach Ein­lass ver­langt. Als ihnen nicht geöffnet wurde, sollen sie zunächst die Haustür des Mehrfam­i­lien­haus­es und dann die Woh­nungstür des Geschädigten einge­treten haben. Anschließend waren die Täter in den Wohn­raum einge­drun­gen. Dann soll alles sehr schnell gegan­gen sein. Zunächst drängten die Täter L.s Gäste in das Schlafz­im­mer und sollen dann den 22 Jähri­gen getreten und mit einem gefährlichen Gegen­stand auf den Betrof­fe­nen eingewirkt haben. Während des Über­falls sollen auch die Worte: „Scheiß Zecke“ und „Antifaschis­ten­rat­te“ gefall­en sein. Ein Teil des Woh­nungsin­ven­tars soll eben­falls zer­stört wor­den sein. Chris L sollen die Täter blu­tend, auf dem Boden liegend, zurück­ge­lassen haben.
Mut­maßliche Täter aus dem Neonazimilieu
Obwohl die Täter während der Tat unerkan­nt blieben, kon­nte die Polizei in ein­er Nah­bere­ichs­fah­n­dung zumin­d­est drei dunkel­gek­lei­dete Per­so­n­en aus Wittstock/Dosse, Daniel S, Pierre S und Patrick D, fest­stellen. Die drei waren keine Unbekan­nten. Sie hat­ten im Vor­feld der Tat immer wieder an Neon­azi­aufmärschen in Wittstock/Dosse und anderen Städten teilgenom­men. Auch nach dem Woh­nungsüber­fall beteiligten sich die Tatverdächti­gen in den Jahren 2015 und 2016 an Aktio­nen des neon­azis­tis­chen Milieus in ihrer Heimat­stadt, in Neu­rup­pin, Glöwen, Nauen, in Waren/Müritz (Meck­len­burg-Vor­pom­mern) sowie am 1. Mai in Saalfeld (Thürin­gen). Daniel S und Pierre S fie­len zudem bere­its seit 2011 als Sym­pa­thisan­ten der auch über­re­gion­al aktiv­en „Freien Kräfte Ost“ sowie deren Nach­fol­ge­grup­pen „Autonome Nation­al­is­ten Nord-Ost“ „Aktion­s­gruppe Nord-Ost“ und „NS Müritz“ auf. Pierre S. war weit­er­hin von der Voll­streck­ung des bun­desweit­en Vere­insver­botes gegen die „Weisse Wölfe Ter­ror­crew“ am 16. März 2016 betrof­fen. Er soll zur dreiköp­fi­gen Bran­den­burg­er Sek­tion der neon­azis­tis­chen Vere­ini­gung gehört haben.
„Im Zweifel für die Angeklagten“ 
Pierre S sitzt zurzeit außer­dem wegen ander­er Straftat­en in Haft und wurde zur Ver­hand­lung in Hand­schellen vorge­führt. Im Fall des Woh­nungsüber­falls reicht­en die Indizien gegen ihn und die bei­den Mitangeklagten allerd­ings nicht aus. Das Gericht sprach deshalb Pierre S, Daniel S und Patrick D von den Tatvor­wür­fen frei.
Das Urteil ist allerd­ings noch nicht recht­skräftig. Die Staat­san­waltschaft, die von der Schuldigkeit der Angeklagten überzeugt war, kön­nte die richter­liche Entschei­dung immer noch anfechten.
Weit­ere Ver­fahren gegen Witt­stock­er Neonazis
Indes sind vor Gericht­en in Neu­rup­pin noch weit­ere Ver­fahren gegen Neon­azis aus Wittstock/Dosse anhängig.
Vor dem Landgericht wird beispiel­sweise gegen einen 36 Jähri­gen, einen 28 Jähri­gen und einen 24 Jähri­gen wegen ver­sucht­en Tod­schlag und gefährlich­er Kör­per­ver­let­zung prozessiert. Die Angeklagten sollen, laut Presserolle des Gericht­es, am 3. Okto­ber 2016 in Wittstock/Dosse einen Mann erhe­blich ver­let­zt und dessen Tod bil­li­gend in Kauf genom­men haben. Zuvor hat­ten die vier Män­ner zusam­men getrunk­en, waren dann aber in Stre­it ger­at­en. In dieser Ver­hand­lung geht es übri­gens auch noch um weit­ere Straftat­en. Den bei­den 36 und 28 Jahre alten Angeklagten wird beispiel­sweise noch eine Kör­per­ver­let­zung am 19. August 2016 in Wittstock/Dosse zur Last gelegt. Außer­dem muss sich der 28 Jährige für eine Gewalt­tat am 7. Dezem­ber 2015, eben­falls in Wittstock/Dosse, sowie wegen der Ver­wen­dung von Kennze­ichen ver­fas­sungswidriger Organ­i­sa­tion ver­ant­worten. Er soll ein­tä­towierte ver­botene Sym­bole, darunter das Hak­enkreuz und den Schriftzug „Blood &Honour Divi­sion Deutsch­land“ öffentlich gezeigt haben.
Vor dem Jugend­schöf­fen­gericht am Amts­gericht Neu­rup­pin begin­nt in der näch­sten Woche außer­dem noch der Prozess gegen einen 22 Jähri­gen, dem gemein­schaftliche gefährliche Kör­per­ver­let­zung vorge­wor­fen wird. Er soll, laut Presserolle, gemein­sam mit zwei geson­dert Ver­fol­gten, einem 36 Jähri­gen und einem 35 Jähri­gen, am Tattag gegen 21:50 Uhr im Einkauf­szen­trum REIZ in Neu­rup­pin gezielt auf zwei Betrof­fene zuge­gan­gen sein, sie gestoßen und mehrfach mit beschuht­en Fuß gegen den Kopf- und dem Oberkör­per­bere­ich getreten haben. Die Geschädigten sollen Schmerzen, Prel­lun­gen und Schwellun­gen im Gesicht, Rück­en- und Brust­bere­ich erlit­ten und nach der Tat unter mas­siv­en Angstzustän­den gelit­ten haben. Die Betrof­fe­nen sollen den Angeklagten, laut Gericht,zuvor wegen ihrer blau und grün gefärbten Haare und eines T‑Shirts mit dem Auf­druck „Good night white pride“ aufge­fall­en sein.
Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin ist Schw­er­punkt rechter Gewalt
Laut ein­er Chronolo­gie des Vere­ines Opfer­per­spek­tive eV für das Jahr 2016 zählt die Stadt Wittstock/Dosse neben Neu­rup­pin und Rheins­berg zu den Schw­er­punk­ten rechter Gewalt im Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin. Mehr als 75 Prozent aller Gewalt­de­lik­te mit extrem recht­en Hin­ter­grund wur­den in diesen drei Orten begangen.
Darüber hin­aus bildete 2016 der Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin, laut ein­er Studie der Opfer­per­spek­tive eV, mit 21 Straftat­en auch einen Schw­er­punkt rechter Gewalt im Land Bran­den­burg. Nur in der kre­is­freien Stadt Cot­tbus und im Land­kreis Spree-Neiße war die Anzahl der Gewalt­de­lik­temit extrem recht­en Hin­ter­grund, nach Angaben des Vere­ins, noch höher.

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