Am 25. August jährt sich zum 20. Mal die Räumung der „Breiti“. Die „Breiti“ war ein im Jahr 1996 besetztes Haus in der Rudolf-Breitscheid-Straße 6 im Herzen von Babelsberg. Das dem Oberlinverein gehörende Haus wurde nicht nur zum Wohnen von jungen Menschen genutzt, sondern hatte einen Proberaum und eine Kneipe. Das Haus, bzw. die Kneipe, dient als wichtiger Treffpunkt für junge Leute. Es gab regelmäßige Veranstaltungen wie die sogenannte „Volxküche“, Konzerte und Raum für politische Treffen.
Am 25. August 2001 kam es in Babelsberg zu einem DFB-Pokalspiel zwischen dem SV Babelsberg 03 und dem Bundesligisten Hertha BSC. In Babelsberg entwickelte sich eine aktive und engagierte Fanszene, die sich klar gegen Rassismus und Faschismus engagierte. Die Babelsberger Fanszene speiste sich aus Teilen der Hausbesetzerszene und linksalternativen Leuten, aber auch aus jüngeren Personen, die sich in der neu gegründeten Ultrabewegung wiederfanden. Auch hier gab es eine klare Positionierung gegen Nazis und Rassisten.
Im Vorfeld des Spiels gab es bereits weitreichende Drohungen von Hertha-BSC-Hools, ein Großteil von ihnen aus Potsdam und im Fanclub „Fanatics“ organisiert. Im Internet-Forum der „Fanatics“, aber auch in anderen Internet-Foren wie dem der Babelsberger Ultras „Filmstadtinferno´99“, wurden Naziparolen und Gewaltandrohungen geschrieben. Man wollte eine Jagd gegen Schwule und Zecken veranstalten und die „Nordkurve“, also den Babelsberger Fanblock, einnehmen. Ein Teil der „Fanatics“ wohnte in den südlichen Potsdamer Neubaugebieten wie Schlaatz und Waldstadt und ihre Gewaltaffinität und politische Ausrichtung stadtweit bekannt.
Es ist also klar, dass sich Hools und Nazis explizit zu diesem Spiel verabredeten, um Linke anzugreifen und im Babelsberger Kiez für Stress zu sorgen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei die „Breiti“ ein, die auf dem Weg der „Auswärtsfans“ lag. Nachdem es den Hools und Nazis von Hertha BSC während des Spiels nicht möglich war, Babelsberger Fans anzugreifen, nutzten sie den Weg vom Stadion nach Hause aus, um die „Breiti“ anzugreifen. Als Potsdamer wussten sie ja, dass dort ein besetztes Haus war.
Die Bewohner:innen der „Breiti“ versuchten sich gegen die Masse an Hools und Nazis zu verteidigen. Doch statt das Haus zu schützen, ließ die Polizei, die bereits im Vorfeld über die Einträge in den Internet-Foren und die politische Brisanz des Aufeinandertreffens informiert waren, die Hools und Nazis minutenlang gewähren, Schotter aus dem Gleisbett der Straßenbahn auf die „Breiti“ und ihre Bewohner:innen zu werfen. Schlimmer noch, der Angriff von Hools und Nazis wurde genutzt, um das Haus durch die Landeseinsatzeinheit (LESE) stürmen zu lassen, die Inneneinrichtung zu zerstören und Bewohner:innen zu verletzen.
In der Presse berichtete die Polizei später, man habe bei der Hausdurchsuchung auch Waffen und Diebesgut gefunden. Man wollte somit den äußerst brutalen Polizeieinsatz in ihr richtiges Licht stellen und rechtfertigen. Es hieß, mehrere vermummte Personen aus dem besetzten Haus hätten die Fußballanhänger mit Steinen beworfen und als Nazis beschimpft. Keine Meldung gab es über die Drohungen im Vorfeld, die rund 200 Hools und Nazis, die sich vor dem Haus mit Hitlergruß sammelten und es schließlich angriffen.
Bei dem Polizeieinsatz gab es keine Festnahmen oder Personalienfeststellungen durch die Polizei gegenüber den Hools und Nazis, sondern stattdessen wurden die Bewohner:innen vorläufig festgenommen. Der Polizeieinsatz sorgte auch Wochen danach für politische Debatten und Untersuchungen, selbst parteiübergreifend musste in der Stadtverordnetenversammlung festgestellt werden, dass die Polizei überreagiert habe. In Gerichtsverfahren zeigten Videos eindeutig die Angriffe der Hools und Nazis und auch das Agieren der Polizei mit der Zerstörung des Mobiliars, Diebstahls und sogar Urinierens in die Polstermöbel.
Die Babelsberger Fans und andere linke Initiativen reagierten bereits am 8. September mit einer Demonstration unter dem Motto „Gegen Rassismus und Polizeiwillkür“. Hunderte zogen durch den Babelsberger Kiez und machten ihren Unmut über das Agieren der Polizei deutlich, aber auch ihren Kampf gegen Rassismus und Faschismus. 20 Jahre später veranstaltete der Verein SV Babelsberg 03 im Juli 2021 erneut ein Spiel gegen Hertha BSC unter dem Motto „Ein Hauch von Bundesliga-Luft weht durch das Karli“. Ein sensibler Umgang mit der eigenen Fanszene sieht anders aus.
Wir wollen hiermit an die Auseinandersetzungen und die Räumung der „Breiti“ in Babelsberg erinnern. Auch wenn im Zuge der Räumung, in Diskussionen mit dem Eigentümer des Oberlinvereins, aber auch aufgrund der politischen Debatte ein Ausweichobjekt für die Bewohner:innen gefunden wurde, so darf das Agieren der Polizei und auch die Wichtigkeit nach Verteidigung von linken Freiräumen nicht vergessen werden — getreu dem Motto: Gegen Rassismus und Polizeiwillkür!