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(Anti)militarismus Antifaschismus Geschichte & Gedenken

VVN-BdA fordert kritische Kommentierung des Glockenspiels

Behauptet wird, damit besitze die Pots­damer Stadt­ge­sellschaft die Chance, anhand orig­i­naler Sub­stanz sich ihrer eige­nen jüng­sten Geschichte zu vergewis­sern und diese weit­er zu erforschen.
Der Anspruch klingt hon­orig, aber er ist geschichtsvergessen und poli­tisch problematisch.
Es han­delt es sich hier nicht um eine „orig­i­nale Sub­stanz“. Die Gar­nisonkirche sel­ber existiert wed­er in ihrer Bausub­stanz, noch in irgendwelchen Über­resten, die denkmals­fähig wären. Das Glock­en­spiel als früher­er Teil der Gar­nison­skirche ist eben­falls eine Nachbildung.
Schon seine Rekon­struk­tion in den 1980er Jahren in der dama­li­gen BRD war ein extrem recht­es Ide­olo­giepro­jekt, das genau darauf abzielte, den ursprünglichen Sym­bol­ge­halt der Gar­nisonkirche aufzu­greifen, um einen Sym­bol­ort für die poli­tis­che Rechte zu schaffen.
Die VVN-BdA und mit ihr Grup­pen und Ini­tia­tiv­en, die sich für eine angemessene Beschäf­ti­gung mit der deutschen Zeit­geschichte engagieren, fordern eine kri­tis­che Kon­tex­tu­al­isierung des Glock­en­spiels. Nur dadurch kann ein­er­seits die durch die Obere Lan­des­denkmal­be­hörde als Grund der Unter­schutzstel­lung genan­nte öffentliche Kon­tro­verse und prob­lema­tis­che Vorgeschichte des Glock­en­spiels sicht­bar gemacht wer­den und gle­icher­maßen der men­schen­feindliche Sym­bol­ge­halt des Glock­en­spiels gebrochen werden.
Wir erwarten von der Lan­deshaupt­stadt Pots­dam, dass sie in einem trans­par­enten und demokratis­chen Prozess Ideen für eine kri­tis­che Ein­bindung des Glock­en­spiels in den Stad­traum entwick­elt. An diesem authen­tis­chen Ort muss Pots­dam Farbe beken­nen, eine geeignete kün­st­lerische Inter­ven­tion oder Kom­men­tierung zulassen und einen Lern‑, Erin­nerungs- und Gedenko­rt schaffen.
Als bun­desweit­er Inter­essen­ver­band der Opfer des NS-Regimes und ihrer Nachkom­men und Unterstützer*innen möcht­en wir zugle­ich unsere Beteili­gung an diesem Prozess einfordern.

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Antifaschismus

AfD-Nazis ans Bein gepisst — Nazis verpisst euch!

Wir hof­fen damit ein deut­lich­es “not wel­come” über­bracht zu haben und dass der Geruch den Ver­anstal­tenden zumin­d­est ein wenig den Tag ver­mi­est und sei es bei Reinigungsversuchen.
Wir freuen uns über alle Beiträge zum bre­it­en und bun­ten Protest gegen die AfD in Eber­swalde und hof­fen, mit unserem Beitrag zu mehr Kreativ­ität in der Aktion­s­land­schaft zu inspirieren.

einige Blasen­schwache

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Wohnen & Stadt

20 Jahre Räumung der „Breiti“ in Potsdam-Babelsberg

Am 25. August jährt sich zum 20. Mal die Räu­mung der „Bre­iti“. Die „Bre­iti“ war ein im Jahr 1996 beset­ztes Haus in der Rudolf-Bre­itscheid-Straße 6 im Herzen von Babels­berg. Das dem Ober­lin­vere­in gehörende Haus wurde nicht nur zum Wohnen von jun­gen Men­schen genutzt, son­dern hat­te einen Prober­aum und eine Kneipe. Das Haus, bzw. die Kneipe, dient als wichtiger Tre­ff­punkt für junge Leute. Es gab regelmäßige Ver­anstal­tun­gen wie die soge­nan­nte „Volxküche“, Konz­erte und Raum für poli­tis­che Treffen.

Am 25. August 2001 kam es in Babels­berg zu einem DFB-Pokalspiel zwis­chen dem SV Babels­berg 03 und dem Bun­desligis­ten Hertha BSC. In Babels­berg entwick­elte sich eine aktive und engagierte Fan­szene, die sich klar gegen Ras­sis­mus und Faschis­mus engagierte. Die Babels­berg­er Fan­szene speiste sich aus Teilen der Haus­be­set­zer­szene und linksalter­na­tiv­en Leuten, aber auch aus jün­geren Per­so­n­en, die sich in der neu gegrün­de­ten Ultra­be­we­gung wieder­fan­den. Auch hier gab es eine klare Posi­tion­ierung gegen Nazis und Rassisten.

Im Vor­feld des Spiels gab es bere­its weitre­ichende Dro­hun­gen von Hertha-BSC-Hools, ein Großteil von ihnen aus Pots­dam und im Fan­club „Fanat­ics“ organ­isiert. Im Inter­net-Forum der „Fanat­ics“, aber auch in anderen Inter­net-Foren wie dem der Babels­berg­er Ultras „Filmstadtinferno´99“, wur­den Nazi­parolen und Gewal­tan­dro­hun­gen geschrieben. Man wollte eine Jagd gegen Schwule und Zeck­en ver­anstal­ten und die „Nord­kurve“, also den Babels­berg­er Fan­block, ein­nehmen. Ein Teil der „Fanat­ics“ wohnte in den südlichen Pots­damer Neubauge­bi­eten wie Schlaatz und Wald­stadt und ihre Gewaltaffinität und poli­tis­che Aus­rich­tung stadtweit bekannt.

Es ist also klar, dass sich Hools und Nazis expliz­it zu diesem Spiel verabre­de­ten, um Linke anzu­greifen und im Babels­berg­er Kiez für Stress zu sor­gen. Eine wichtige Rolle nimmt dabei die „Bre­iti“ ein, die auf dem Weg der „Auswärts­fans“ lag. Nach­dem es den Hools und Nazis von Hertha BSC während des Spiels nicht möglich war, Babels­berg­er Fans anzu­greifen, nutzten sie den Weg vom Sta­dion nach Hause aus, um die „Bre­iti“ anzu­greifen. Als Pots­damer wussten sie ja, dass dort ein beset­ztes Haus war.

Die Bewohner:innen der „Bre­iti“ ver­sucht­en sich gegen die Masse an Hools und Nazis zu vertei­di­gen. Doch statt das Haus zu schützen, ließ die Polizei, die bere­its im Vor­feld über die Ein­träge in den Inter­net-Foren und die poli­tis­che Brisanz des Aufeinan­dertr­e­f­fens informiert waren, die Hools und Nazis minuten­lang gewähren, Schot­ter aus dem Gleis­bett der Straßen­bahn auf die „Bre­iti“ und ihre Bewohner:innen zu wer­fen. Schlim­mer noch, der Angriff von Hools und Nazis wurde genutzt, um das Haus durch die Lan­de­sein­satzein­heit (LESE) stür­men zu lassen, die Innenein­rich­tung zu zer­stören und Bewohner:innen zu verletzen.

In der Presse berichtete die Polizei später, man habe bei der Haus­durch­suchung auch Waf­fen und Diebesgut gefun­den. Man wollte somit den äußerst bru­tal­en Polizeiein­satz in ihr richtiges Licht stellen und recht­fer­ti­gen. Es hieß, mehrere ver­mummte Per­so­n­en aus dem beset­zten Haus hät­ten die Fußbal­lan­hänger mit Steinen bewor­fen und als Nazis beschimpft. Keine Mel­dung gab es über die Dro­hun­gen im Vor­feld, die rund 200 Hools und Nazis, die sich vor dem Haus mit Hit­ler­gruß sam­melten und es schließlich angriffen.

Bei dem Polizeiein­satz gab es keine Fes­t­nah­men oder Per­son­alien­fest­stel­lun­gen durch die Polizei gegenüber den Hools und Nazis, son­dern stattdessen wur­den die Bewohner:innen vor­läu­fig festgenom­men. Der Polizeiein­satz sorgte auch Wochen danach für poli­tis­che Debat­ten und Unter­suchun­gen, selb­st parteiüber­greifend musste in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung fest­gestellt wer­den, dass die Polizei über­reagiert habe. In Gerichtsver­fahren zeigten Videos ein­deutig die Angriffe der Hools und Nazis und auch das Agieren der Polizei mit der Zer­störung des Mobil­iars, Dieb­stahls und sog­ar Urinierens in die Polstermöbel.

Die Babels­berg­er Fans und andere linke Ini­tia­tiv­en reagierten bere­its am 8. Sep­tem­ber mit ein­er Demon­stra­tion unter dem Mot­to „Gegen Ras­sis­mus und Polizei­willkür“. Hun­derte zogen durch den Babels­berg­er Kiez und macht­en ihren Unmut über das Agieren der Polizei deut­lich, aber auch ihren Kampf gegen Ras­sis­mus und Faschis­mus. 20 Jahre später ver­anstal­tete der Vere­in SV Babels­berg 03 im Juli 2021 erneut ein Spiel gegen Hertha BSC unter dem Mot­to „Ein Hauch von Bun­desli­ga-Luft weht durch das Kar­li“. Ein sen­si­bler Umgang mit der eige­nen Fan­szene sieht anders aus.

Wir wollen hier­mit an die Auseinan­der­set­zun­gen und die Räu­mung der „Bre­iti“ in Babels­berg erin­nern. Auch wenn im Zuge der Räu­mung, in Diskus­sio­nen mit dem Eigen­tümer des Ober­lin­vere­ins, aber auch auf­grund der poli­tis­chen Debat­te ein Auswe­i­chob­jekt für die Bewohner:innen gefun­den wurde, so darf das Agieren der Polizei und auch die Wichtigkeit nach Vertei­di­gung von linken Freiräu­men nicht vergessen wer­den — getreu dem Mot­to: Gegen Ras­sis­mus und Polizeiwillkür!

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(Anti-)Rassismus Antifaschismus Flucht & Migration

Gegenkundgebung! gegen das Sommerfest der AfD

Die AfD ver­sucht gar nicht mehr sich das Deck­män­telchen ein­er demokratis­chen Partei überzuw­er­fen. Im bran­den­bur­gis­chen Wahlkampf gibt sie sich keine Mühe, ihre recht­sradikale Gesin­nung zu verstecken.

Für Son­ntag, den 22.08. hat sich auf dem Eber­swalder Mark­t­platz kein gerin­ger­er als der Faschist Björn Höcke, vom recht­sex­tremen „Flügel“ der AfD angekündigt. Begleit­et wird er u.a. von der AfD Polit­promi­nenz wie Alexan­der Gauland aber auch vom Sol­dat­en Hannes Gnauck, der für den Bun­destag antritt und den der mil­itärische Abschir­m­di­enst der Bun­deswehr fehlende Ver­fas­sungstreue attestiert. Jed­er einzelne dieser recht­en Het­zer wäre eine eigene Kundge­bung wert!
Wir hal­ten weit­er daran fest: das Eber­swalde der Zukun­ft soll eine Stadt der Sol­i­dar­ität, der Weltof­fen­heit und ohne Ras­sis­mus und Het­ze sein. Unsere Alter­na­tive heißt Sol­i­dar­ität! Wir tre­f­fen uns ab 10:30 Uhr in Sicht und Hör­weite zum Mark­t­platz am Kirchhang!

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Law & Order

Beratungsstelle fordert unabhängige Beschwerdestelle

In den let­zten Jahren haben ver­schiedene Fälle polizeilichen Fehl-ver­hal­tens die Notwendigkeit aufgezeigt, in Bran­den­burg eine unab­hängige Beschw­erdestelle für Betrof­fene polizeilichen Fehl-ver­hal­tens zu schaf­fen. Vor allem immer wieder vork­om­mende Fälle, in denen sich Men­schen über nicht gerecht­fer­tigte Gewal­tan­wen­dun­gen oder ras­sis­tis­che Diskri­m­inierun­gen durch Polizist:innen beschw­eren, zeigen wie notwendig es ist, die demokratis­che Kon­trolle polizeilichen Han­delns zu verbessern. Zulet­zt sorgte der Fall eines in Kenia gebür­ti­gen Pots­damers, der im Polizeige­wahrsam nach ein­er Ver­let­zung nicht medi­zinisch ver­sorgt wurde und dem deshalb ein Fin­ger­glied amputiert wer­den musste, für Auf­se­hen. Aus diesem Grund begrüßt die Opfer­per­spek­tive e.V. die Vere­in­barung der Regierungs-koali­tion, auch in Bran­den­burg eine unab­hängige Polizeibeschw­erdestelle einzuführen. Allerd­ings stockt der dies­bezügliche Geset­zge­bung­sprozess seit längerem.

Die Opfer­per­spek­tive e.V. veröf­fentlicht heute dazu ein Posi­tion­spa­pi­er, dass die Notwendigkeit ein­er solchen Stelle in Bran­den­burg aufzeigt. In dem Papi­er wird dargelegt, welche Voraus­setz- ungen die Beschw­erdestelle erfüllen muss, um Vor­würfe polizeilichen Fehlver­hal­tens tat­säch­lich über­prüfen zu kön­nen. Der Vere­in fordert, noch in diesem Jahr mit der Ein­rich­tung der Beschw­erdestelle zu beginnen.

Hannes Püschel von der Opfer­per­spek­tive e.V. erk­lärte dazu: „Eine effek­tive demokratis­che Kon­trolle polizeilichen Han­delns und eine schnelle und gründliche Aufk­lärung von Fällen etwaigen Macht­miss­brauchs sind grundle­gende Teile eines funk­tion­ieren­den Rechtsstaates. Die Regierungs­frak­tio­nen ste­hen in der Ver­ant­wor­tung, endlich den Schutz und die Unter­stützung für Men­schen, die in Bran­den­burg Opfer rechtswidriger Hand­lun­gen von Polizeibeamt:innen wer­den zu verbessern.“

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(Anti-)Rassismus Flucht & Migration Law & Order

Stoppt die Inhaftierung Asylsuchender

Fam­i­lie C. floh Anfang Juli 2021 aus der Türkei über die Ukraine nach Berlin. Schlep­per zwan­gen die verzweifel­ten Eltern, ihre 19- und 11-jähri­gen Töchter in Odessa zurück­zu­lassen. Mit den verbleiben­den Kindern – den 16 und 17 Jahre alten Töchtern und ihrem 6‑jährigen Sohn – beantragte die Fam­i­lie bei Ankun­ft am Flughafen BER am 16. Juli Asyl. Der Antrag wurde im Schnel­lver­fahren vier Tage später abgelehnt. Die Fam­i­lie wird seit­dem im Flughafenge­fäng­nis festgehalten.

Der Fam­i­lien­vater wurde in der Türkei Opfer von Folter. Frau C. war bis zu ihrer Flucht in einem poli­tisch exponierten Büro der kur­dis­chen Partei HDP aktiv, deren Par­la­mentsmit­glieder vom Erdo­gan-Regime ver­fol­gt wer­den. Frau C. wurde von den Behör­den observiert und kon­trol­liert und ent­ging Anfang 2021 mit ein­er ihrer Töchter nur knapp einem bewaffneten Angriff auf das Parteibüro.

Die Asyl­be­fra­gung der Fam­i­lie C. wurde ohne Rück­sicht auf die erlit­tene Folter und die psy­chis­che Erkrankung des Vaters durchge­führt. Wed­er fan­den die von ihm vorgelegten Atteste Beach­tung noch wurde ein:e auf die Anhörung von Folteropfern geschulte:r Anhörer:in einge­set­zt. Die Anhörung der Fam­i­lie dauerte ins­ge­samt fast neun Stun­den, Pausen gab es nicht. Die Über­set­zung hat­te erhe­bliche Fehler und Lück­en. Die mehrfache Bitte, eine:n Anwält:in kon­tak­tieren zu dür­fen, wurde der Fam­i­lie ver­wehrt, obwohl nach europäis­chem Recht in allen Phasen des Asylver­fahrens, also auch vor der Anhörung, „effek­tiv Gele­gen­heit“ zu geben ist, ein:e Anwalt:in zu kon­sul­tieren. Ein:e Psychiater:in wurde vor der Asy­lentschei­dung zu keinem Zeit­punkt hinzugezogen.

Erst nach Ablehnung des Asy­lantrags durch das BAMF bekam die Fam­i­lie Kon­takt zu ein­er Anwältin. Einen Eilantrag auf auf­schiebende Wirkung der ein­gere­icht­en Asylk­lage lehnte das Ver­wal­tungs­gericht Pots­dam ohne Anhörung der Betrof­fe­nen im Schnel­lver­fahren am ab.

Als Reak­tion auf die Asy­lablehnung des Gerichts unter­nahm Frau C. einen Suizid­ver­such. Schon am Fol­ge­tag wurde sie anstelle eines zunächst ärztlich anger­ate­nen län­geren Psy­chi­a­trieaufen­thaltes aus dem Klinikum Neukölln in die Haf­tanstalt zurück­ge­bracht, da durch die polizeiliche Auf­sicht erneute Suizid­ver­suche aus­geschlossen seien. Kurz darauf musste sie erneut not­fallmäßig in eine psy­chi­a­trische Klinik aufgenom­men wer­den. Eine nach dem Suizid­ver­such von der Bun­de­spolizei beauf­tragte Ver­tragsärztin erk­lärte bei­de Ehep­art­ner für reise- und flu­gun­fähig. Die Bun­de­spolizei beauf­tragte daraufhin ein­fach einen zweit­en Ver­tragsarzt, der noch am sel­ben Tag wun­schgemäß die Reise­fähigkeit bei­der Ehep­art­ner bescheinigte.

Die Bun­de­spolizei plant nun die Abschiebung der Fam­i­lie am Fre­itag 13. August 2021 mit Ryanair FR 6925 um 6 Uhr ab BER nach Odessa/Ukraine in Begleitung von neun Polizist:innen und einem:r Ärzt:in. Es ist zu ver­muten, dass aus der Ukraine umge­hend eine Abschiebung in die Türkei erfolgt.

Wir lehnen die Inhaftierung Schutz­suchen­der am Flughafen und die Durch­führung von Asylver­fahren unter Haftbe­din­gun­gen grund­sät­zlich ab“, sagt Georg Classen vom Flüchtlingsrat Berlin. „Beson­ders zynisch ist, dass im Flughafen Willy Brandt sog­ar Kinder ins Gefäng­nis ges­per­rt werden.“

Men­schen, die gefoltert wur­den, sind in der Asy­lan­hörung häu­fig nicht zu einem den Anforderun­gen genü­gen­den Sachvor­trag in der Lage. Die Ermit­tlung der Asyl­gründe und die gebotene medi­zinis­che Diag­nos­tik ist bei psy­chisch Trau­ma­tisierten nicht im Schnel­lver­fahren möglich, schon gar nicht in ein­er Haf­tanstalt unter Polizeibewachung. Vielmehr fol­gt dann aus dem Asylge­setz in Verbindung mit den Maß­gaben der EU für beson­ders schutzbedürftige Asyl­suchende ein Anspruch auf unmit­tel­bare Ent­las­sung aus der Haft am Flughafen“, sagt Diet­rich Koch von Xenion e.V.

Wir sind entset­zt über die Grausamkeit und die Rechtswidrigkeit, mit der die Bun­de­spolizei und das BAMF gegen Fam­i­lie C. vorge­hen“, so Lot­ta Schwedler vom Flüchtlingsrat Bran­den­burg. „Die Art und Weise der Asy­lan­hörung in der Haf­tanstalt des Flughafens wider­spricht grundle­gen­den rechtsstaatlichen Prinzip­i­en, die etwa auch bei der Vernehmung von Straftäter:innen zu beacht­en sind.“

Die fort­dauernde Inhaftierung der Fam­i­lie C. ist untrag­bar. Die Fam­i­lie wird mit­samt ihren Kindern ein­er unerträglichen psy­chis­chen Belas­tung aus­ge­set­zt. Die Mut­ter ist suizidal, der trau­ma­tisierte Vater lei­det unter nächtlichen Panikat­tack­en und ist psy­chisch nicht in der Lage, sich um die Fam­i­lie zu küm­mern, und die Kinder wer­den durch die Erleb­nisse in der Haft schw­er traumatisiert.
Der Umgang mit Asyl­suchen­den am Flughafen Willy Brandt, dessen Namensge­ber selb­st Asyl vor dem Naziregime suchen musste, ist eine Schande für Berlin und Brandenburg.

Wir fordern die Län­der Berlin und Bran­den­burg auf,
• die Haf­tanstalt für Asyl­suchende am Flughafen Willi Brandt umge­hend aufzulösen.
Wir fordern die Bun­de­spolizei und das BAMF auf,
• Fam­i­lie C. mit sofor­tiger Wirkung aus der Asyl­haf­tanstalt zu ent­lassen, die Ein­reise zu gewähren sowie
• eine Wieder­hol­ung der Asy­lan­hörung unter fairen Bedin­gun­gen und in Frei­heit mit der Möglichkeit ein­er vorheri­gen anwaltlichen Beratung und fachärztlichen Diagnostik.

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Geschichte & Gedenken

Am 8. Mai auf dem Weg der Würde

Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, beteiligten sich etwa 30 Erwach­sene und 15 Kinder an ein­er Fahrrad­tour durch Biesen­thal. Dabei besucht­en die Teilnehmer*innen die sieben Gedenkste­len des Weges der Würde. Zudem legten sie auch am Denkmal der Opfer des Faschis­mus und am Haus in der Bre­it­en Str. 59 einen Halt ein.

Am Denkmal der Opfer des Faschis­mus wurde unter anderem an das Schick­sal der Wehrma­ch­st­de­ser­teure erin­nert. Im März oder April 1945 in Biesen­thal erkundigten sich drei junge Wehrma­chtssol­dat­en nach dem Weg Rich­tung Lobe­tal. Später fand man sie in ein­er Sche­une am der Kirschallee erhangen, was als Strafe für Deser­tion gedeutet wurde.

An der Stele für den nieder­ländis­chen Diplo­mat­en Adri­anus Mil­lenaar, der in der Neuen Müh­le wohnte und vie­len Zwangsarbeiter*innen und KZ-Gefan­genen half, wurde eine Gruss­wort sein­er Tochter Adri­ana H. Mil­lenaar Brown verlesen:

Liebe Biesen­thaler Radfahrer*innen!
Es macht mir grosse Freude Euch zu begrüssen an diesem so bedeu­tungsvollen 8. Maitag 2021. Vor allem bin ich froh und sehr geehrt, dass Ihr an der Stele für meinen Vater: Adri­anus Mil­lenaar, halt macht und an ihn erin­nert, der in den vierziger Jahren so viel wie er nur kon­nte den hol­ländis­chen Zwangsar­beit­ern half. Diese Zwangsar­beit­er und auch die Gefan­genen, die im KZ Sach­sen­hausen sich nach Frei­heit sehn­ten, hat mein Vater jahre­lang ver­sucht irgend­wie zu befreien, jeden­falls dies zu unterstützen.
Gerne wuerde ich mit Euch fahren, so wie ich das damals in 1942, ’43 oder ’44 ver­suchte als 4- oder 5- oder 6‑Jährige und ich auf ein erwach­senes, riesiges Fahrrad stieg, und immer weit­er tram­pelte bis ich in den Stachel­draht fuhr und dann wie ver­rückt vor Schmerz schrie. Eine grosse Narbe habe ich noch immer am linken Arm.
Jet­zt begrüsse ich Euch und bin dankbar, dass Ihr Biesen­thaler den Befreiungstag feiert und so die Zwangsarbeiter*innen aus Biesen­thal und der Umge­bung ehrt. Ich danke Euch und werde aus Ameri­ka an Euch am 8. Mai denken.

Alles Gute und seid mit Frieden gesegnet.
Adri­ana H. Mil­lenaar Brown

Im Haus in der Bre­it­en Str. 59 betrieb das jüdis­che Ehep­aar Borchert ein Milch- und But­tergeschäft und wohnte dort mit ihren 3 Söh­nen. Bis 1936 kon­nten sie ihr Geschäft hal­ten. Die ganze Fam­i­lie wurde von der Gestapo ver­haftet, ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Die Stadtchro­nistin der Stadt Biesen­thal Frau Poppe, die mit ihren Recherchen die Gedenk­tour erst möglich gemacht hat, legte an jed­er Stele eine Blume nieder.

Die Stele mit ein­er Taube erin­nert an das KZ-Aussen­lager das sich zwis­chen Biesen­thal und dem Hellsee befand.

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Wohnen & Stadt

Immer wieder die ProPotsdam

In Pots­dam startet im Juni 2021 ein Bürg­er­begehren „Pots­damer Mietendeck­el“, dass zum Ziel hat, die regelmäßi­gen Mieter­höhun­gen der kom­mu­nalen Woh­nungs­ge­sellschaft ProPots­dam auf 1 % in 5 Jahren zu begrenzen.
Dazu hat sich eine Ini­tia­tiv­gruppe „Bürg­er­begehren Mietendeck­el im
städtis­chen Woh­nungs­be­stand“ gegrün­det, die damit einen ersten Schritt zu ein­er neuen, mieter*innen – und gemein­wohlo­ri­en­tierten Woh­nungspoli­tik in Pots­dam gehen will.

Das die kom­mu­nale Gesellschaft ProPots­dam das erste Ziel der Ini­tia­tive ist, ist kein Wun­der. Selb­st in Coro­n­azeit­en hat diese ihre Mieten bis an die rechtlich möglichen Gren­zen erhöht, seit Jahren verkauft die ProPots­dam Grund­stücke und Häuser trotz gegen­teiliger Beschlüsse im „Woh­nungspoli­tis­chen Konzept“. Beim barock­en Umbau der Stadt­mitte, beim Abriss der Fach­hochschule, jet­zt beim Beschluss zum Abriss des Stau­den­hofs – immer ist die ProPots­dam mit dabei. Mieter*innen auf dem Brauhaus­berg und ander­swo haben erfahren müssen, wie wenig die ProPots­dam davon hält, die Inter­essen und Sor­gen der Mieter*innen zu beachten.

Jet­zt hat die ProPots­dam ein weit­eres „Meis­ter­stück“ ihrer Poli­tik abgeliefert. Für das Bürg­er­begehren sollte sie eine Kosten­schätzung über die Fol­gekosten ein­er Begren­zung der Mieter­höhun­gen erstellen.

Hier doku­men­tieren wir sie:

Kosten­schätzung-Mietendeck­el

Die Stadt Pots­dam hat die Zahlen der ProPots­dam natür­lich mal wieder ungeprüft und ohne Nach­fra­gen über­nom­men, obwohl die gerun­de­ten und teil­weise vol­lkom­men willkür­lichen Zahlen zum Teil skur­ril, min­de­tens aber oft völ­lig zusam­men­hangs­los sind.

Im Grunde geht es ja nur um die Ein­nah­meaus­fälle durch die Ein­schränkung, die Mieten um nicht mehr als 1 % in 5 Jahren zu erhöhen.
Wie die 30 Mio. bis 2030 zus­tande kom­men sollen ist eben­sowenig begrün­det wie die Hor­rorzahlen bis 2050. Zu Erin­nerung: Das Begehren/Bürgerentscheid ist zwei Jahre bindend. Danach kann es durch Beschluß aufge­hoben oder verän­dert werden.
Die 30 Mio. € bedeuten aber auch, dass die ProPots­dam ganz real plant, für ihre rund 18.000 Woh­nun­gen die Miete bis 2030 regelmäßig um 4 – 5 %/ Jahr zu erhöhen!

Was in ein­er Kosten­schätzung zu einem Bürg­er­begehren speku­la­tive Zahlen zu fehlen­den För­der­mit­teln zu suchen haben ist eine weit­ere Frage. Solche Eigen­mit­tel kön­nen natür­lich auf ganz ver­schiede­nen Wegen einge­bracht wer­den. Und warum sollen aus­gerech­net die Bestandsmieter*innen den Neubau finanzieren?

Am Ende macht die ProPots­dam ihre Mieter*innen sog­ar noch dafür ver­ant­wortlich, das der „Mas­ter­plan 100 % Kli­maschutz“ nicht ver­wirk­licht wer­den kann und über­haupt, der Ausverkauf der Stadt weit­er gehen soll.

Was für ein billiges, durchschaubares Manöver!

Deshalb wird es auch aus unser­er Sicht Zeit, das pri­vatwirtschaftlich und gewin­nori­en­tiert betriebene kom­mu­nale Unternehmen ProPots­dam endlich an die Leine zu nehmen, sie zu zwin­gen eine soziale Mieten­poli­tik zu betreiben und damit einen Ein­stieg in eine gemein­wohlo­ri­en­tierte Woh­nungspoli­tik in Pots­dam zu schaffen!

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Antifaschismus

Gegen Kindesmissbrauch am „Tag der Befreiung“

Am kom­menden Sam­stag, den 8. Mai, jährt sich die Nieder­schla­gung des Nation­al­sozial­is­mus zum 76. Mal. Für viele Men­schen die unter den Nazis gelit­ten haben ist es vor allem der „Tag der Befreiung“, welch­er das Ende des Zweit­en Weltkriegs und der Shoah bedeutete. Auch in Frank­furt (Oder) wird es dazu Gedenkver­anstal­tun­gen geben. Frank­furter Neon­azis wollen den Tag stattdessen nutzen um mit einem anderen The­ma von der Nieder­lage ihrer Vor­bilder abzu­lenken. Ab 11 Uhr wollen Reste früher­er NPD-Struk­turen gegen Kindesmiss­brauch auf dem Bahn­hofsvor­platz eine Kundge­bung abhalten.

Aufruf der NPD für eine Kundge­bung am 08. Mai 2021

Bekannte Gesichter hinter neuer NPD Struktur

Die Frank­furter Neon­azi-Szene scheint wieder aktiv­er zu wer­den. Seit den Jahren 2012 und 2015–2016, als in der Oder­stadt mehrere Neon­azi-Demon­stra­tio­nen stattge­fun­den haben, fiel die extreme Rechte in der Region lediglich durch Graf­fi­ti-Aktio­nen und Bedro­hun­gen auf. Beteili­gun­gen an Aufmärschen nah­men dage­gen merk­lich ab und wur­den zulet­zt kaum noch reg­istri­ert. Bei ein­er Kundge­bung von Corona-Leugner*innen im Novem­ber let­zten Jahres wur­den zwar örtliche Neon­azis gesichtet, hiel­ten sich aber eher im Hintergrund.[1] Seit kurzem gibt es nun wieder eine Face­book-Gruppe mit dem Namen „NPD Frank­furt Oder“, welche bis­lang lediglich 21 Mit­glieder umfasst. Den­noch macht man sich daran schnell wieder eine „nationale Gruppe“ aufzubauen. Am Sam­stag, den 17. April soll es bere­its einen ersten Stammtisch gegeben haben. Als Admin der Gruppe tritt der User „Sig­gi Pauly“ auf, der mit richtigem Namen sehr wahrschein­lich Siegfried Pauly (auch als Siegfried Gün­ther bekan­nt) heißt. Bis­lang ist der Neon­azi eher unauf­fäl­lig gewe­sen. Seine let­zte Teil­nahme an ein­er extrem recht­en Ver­anstal­tung in der Oder­stadt nah­men Antifaschist*innen im Jahr 2017 wahr. Damals nahm er am 1. Mai an ein­er Quer­front-Kundge­bung vor dem Frank­furter Rathaus teil.[2] Neben Pauly find­en sich noch weit­ere bekan­nte Gesichter in der Face­book-Gruppe. Dazu gehören die seit Jahren in der Szene aktiv­en Neon­azis Mario Schreiber, Mar­i­an Schulz, Ron­ny Standera und Marko Deich­mann. Ein Fan der Frank­furter Kamerad*innen scheint zudem der NPD-Lan­desvor­sitzende Klaus Beier zu sein. Er taucht eben­falls als Mit­glied der Gruppe auf. Auf den Beitrags­bildern der Seite erken­nt man weit­ere bekan­nte Rechte, die eben­falls schon früher auf neon­azis­tis­chen Ver­samm­lun­gen gesichtet wurden.
Auch im Stadt­bild wollen die Ewiggestri­gen nun aktiv­er auftreten. Haben diese Anfang April noch Fly­er gegen den „Coro­na-Wahnsinn“ verteilt, konzen­tri­eren sie sich inzwis­chen auf das The­ma Kindesmissbrauch.

Geben sich bürg­er­nah: „Sig­gi Pauly“ (oben r.) und ein Kam­er­ad verteilen Flyer

Aus­lös­er dafür dürfte sein, dass in der Oder­stadt die Adresse eines verurteil­ten Sex­u­al­straftäters an die Neon­azis gelangt ist. Eine erste unangemeldete Demon­stra­tion zum Wohnort des beschuldigten Mannes soll es bere­its ver­gan­gene Woche gegeben haben. Etwa 15 Per­so­n­en zogen mit Fack­eln vom Dres­den­er Platz kom­mend durch die Tun­nel­straße und Große Müll­ros­er Straße zur Kleinen Müll­ros­er Straße. Auf selb­st­ge­mal­ten Trans­par­enten war dort zu lesen „Todesstrafe für Kinder­schän­der!!!“ und „Miss­brauch ist See­len­mord – FN-Bürg­er FFO“. Eine erste offizielle Kundge­bung soll es dazu nun am 8. Mai geben.

Fack­el­marsch extremer Rechter vor ein­er Woche

Kindesmissbrauch beliebtes Thema von Neonazis

Dass sich Neon­azis für Kindesmiss­brauch inter­essieren ist kein neues Phänomen. Bere­its vor über zehn Jahren grif­f­en NPD-Struk­turen das The­ma auf und forderten an Orten wo ver­meintliche Sex­u­al­straftäter leben die Todesstrafe für die Beschuldigten. Auch in Bran­den­burg stand Kindesmiss­brauch im Mit­telpunkt mehrerer Demon­stra­tio­nen, wie etwa im kleinen Örtchen Joachim­sthal, im Barn­im, im Som­mer 2009.[3] Mit dem Schutz von Kindern hat­te das Engage­ment der Neon­azis damals wie heute jedoch nichts zu tun. Das The­ma ist hochemo­tion­al beset­zt. Obwohl die Straftat­en an Kindern nur einen sehr gerin­gen Prozentsatz in der Krim­i­nal­sta­tis­tik einnehmen,[4] wird darüber deut­lich häu­figer in der Öffentlichkeit disku­tiert als über andere Gewaltver­brechen. Der Grund ist, dass min­der­jährige Opfer von sex­ueller Gewalt ein Trau­ma, nicht nur in den betrof­fe­nen Fam­i­lien, son­dern in ein­er gesamten Stadt, Region oder Land aus­lösen kön­nen. Die Empörung darüber ist enorm und die berechtigten Äng­ste, dass das eigene Kind auch davon betrof­fen sein kön­nte sind weit ver­bre­it­et nach solchen Tat­en. Die Verurteilung solch­er Ver­brechen ist ein­deutig und so machen sich Neon­azis seit Jahren eben deshalb das The­ma zu Nutze. Wenn die extreme Rechte gegen Kindesmiss­brauch Posi­tion bezieht, erfährt sie auch Zus­tim­mung in der Bevölkerung. NPD und andere extrem rechte Struk­turen waren in den ver­gan­genen Jahren sehr schnell und mitunter die Ersten, die nach Bekan­ntwer­den solch­er Tat­en auf­taucht­en und mit ein­deuti­gen Trans­par­enten vor Ort demon­stri­erten. Der Schutz der betrof­fe­nen Fam­i­lien und Kinder spielte dabei keine Rolle. Sitzt der Schock der Opfer noch tief, nutzen Neon­azis die Sit­u­a­tion, um diese mit eige­nen Parolen zu instru­men­tal­isieren. Schon vor über zehn Jahren gehörte das zur „Nor­mal­isierungsstrate­gie“ der Recht­en: Das auf­greifen pop­ulär­er The­men, um sich selb­st als sym­pa­this­che poli­tis­che Alter­na­tive erscheinen zu lassen.[5]
Doch hin­ter dieser Tak­tik ver­steckt sich Anti­semitismus, Ras­sis­mus und völkisches Denken.
Die Forderung nach ein­er „Todesstrafe für Kinder­schän­der“ tauchte bere­its zu Zeit­en des Nation­al­sozial­is­mus auf. Jüdinnen*Juden wur­den in der Pro­pa­gan­da der Nazis als „Rassen­schän­der“ beze­ich­net. In ein­er Vielzahl an anti­semi­tis­chen Darstel­lun­gen wurde das Bild des „Juden“ als Täter sex­ueller Gewalt und „Knaben­schän­der“ repro­duziert. Unter der Herrschaft der NSDAP wur­den drakonis­che Strafver­schär­fun­gen einge­führt, in deren Folge die ein­schlägig vorbe­straften Täter*innen kas­tri­ert und in die Konzen­tra­tionslager ein­geliefert wur­den, wo sie zu den ersten gehörten, die gezielt ermordet wurden.[6] Heute wie damals wird zudem Schwarzen Män­nern ein trieb­haftes Sex­u­alver­hal­ten unter­stellt. Dies gren­ze sich aber von dem gewoll­ten Liebe­sakt weißer Nordeuropäer*innen ab. Ist der*die Täter*in nicht-weiß, so wird das Ver­brechen zusät­zlich ras­si­fiziert, wobei die Deu­tung­shoheit hier eben vor allem von Män­nern bes­timmt wird, in deren Rhetorik es um den ver­meintlichen Schutz ihrer Frauen und Kindern geht.[7]
Ein weit­er­er Aspekt ist die Ablehnung des demokratisch ver­fassten Rechtssys­tems. Dies wird im Beitrag in einem Beitrag von „Sig­gi Pauly“ deut­lich, wo dieser schreibt: „Lei­der mussten wir erfahren,das auch in unser­er Oder­stadt Pädophilie und Kinder­schän­der ihren Trieben zum Nachteil unser­er Kinder nachge­hen kön­nen, ohne das es die Behör­den Interessiert,ob die nur zu Bewährungsstrafen- trotz nach­weis­lich mehrfach­er Ver­brechen Ver­brechen an Kindern-verurteil­ter Triebtäter wahrschein­lich weit­er ihr Unwe­sen treiben.“[8] (Fehler im Orig­i­nal) Nach Logik der Neon­azis würde das „Sys­tem“ zu wenig gegen die Täter*innen tun. Lieber wollen die Neon­azis das Recht in eigene Hand nehmen. Die Forderung der Todesstrafe gehört dabei zu der rigi­den Law-and-Order-Logik der extremen Recht­en. Men­schen­leben sind in ihren Augen wenig wert, wenn sie dem „Volk“ schaden. Die Aus­löschung „unnützen Lebens“ ist die ein­fach­ste Lösung.

Die NPD in der Oderstadt seit Jahren am Boden

Frank­furt (Oder) galt einst als eine Hochburg der NPD in Bran­den­burg. In den 1990er Jahren ter­ror­isierten ihre Anhänger*innen in der Stadt alle Men­schen die nicht in ihr men­schen­ver­ach­t­en­des Welt­bild passten. Het­z­jag­den, Bran­dan­schläge und schwere Kör­per­ver­let­zun­gen wur­den fast täglich von Antifaschist*innen reg­istri­ert. Mit Jörg Häh­nel saß sog­ar ein führen­der Vertreter der Partei ab 1998 im Frank­furter Stadt­par­la­ment. Nach dem Wegzug des auch als Lie­der­ma­ch­ers bekan­nten Neon­azis nach Berlin 2001, ver­lor die örtliche Szene zunächst sein wichtig­stes Zugpferd. Neon­azis­tis­che Gewalt bes­timmte zwar weit­er­hin das Bild der Stadt, aber Parteistruk­turen kon­nten keine neuen aufge­baut wer­den. Ab 2006 ver­stärk­te jedoch die NPD wieder ihre Aktiv­itäten. Der für die Region zuständi­ge Kreisver­band „Oder­land“ der NPD wollte das Poten­tial der mit Abstand größten Stadt im Ver­band nicht ver­schenken. Nach eini­gen Anlauf­schwierigkeit­en präsen­tierte sich der Frank­furter Roland Weiß während ein­er Demon­stra­tion am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung 2007 als neues Gesicht eines zukün­fti­gen neuen Stadtver­bands und kündigte einen „Sturm auf das Rathaus“ an.[9]
Von den großen Ankündi­gun­gen blieb damals nicht viel übrig. Der neue Vor­sitzende Weiß zog sich bere­its im Herb­st 2007 von der NPD zurück. Aus­lös­er dafür kön­nten die Aufk­lärungsar­beit örtlich­er Antifaschist*innen und ein Bran­dan­schlag auf seinen PKW gewe­sen sein. Neue Aktiv­itäten kon­nte die Partei seit­dem in der Stadt kaum noch ent­fal­ten. Zwar gibt die NPD bis heute an einen Stadtver­band in Frank­furt zu besitzen, Aktiv­itäten sind seit Jahren, abge­se­hen von gele­gentlichen Flug­blat­tak­tio­nen, so gut wie keine zu beobacht­en. Bei Demon­stra­tio­nen und Ver­samm­lun­gen von Neon­azis in den ver­gan­genen Jahren waren Frank­furter Neon­azis höch­stens als Fah­nen- oder Transparent-Träger*innen gesichtet wurden.[10]
An fähi­gen Kamerad*innen scheint es weit­er­hin zu fehlen. Zudem hat die AfD mit ihrer extrem recht­en Rhetorik der NPD auch in der Oder­re­gion viele Stim­men abgenom­men. Nun wollen also Siegfried Pauly, Mario Schreiber und Co. erneut ver­suchen durch das The­ma „Kindesmiss­brauch“ Sympathisant*innen für örtliche NPD-Struk­turen zu gewin­nen. Wieviele Teil­nehmende die Neon­azis mit dem The­ma am Sam­stag zu ihrer Kundge­bung lock­en kön­nen, bleibt abzuwarten. Dass sich mehr als 20 Teil­nehmende vor Ort ver­sam­meln, wie zulet­zt die eben­falls am Boden liegende Berlin­er NPD am 1. Mai am Berlin­er Alexan­der­platz ver­sam­melte, darf bezweifelt werden.[11] Mit ein­er Offen­sive zur anste­hen­den Bun­destagswahl dürfte eben­so wenig zu rech­nen sein. Bei den let­zten Land­tags- und Kom­mu­nal­wahlen trat die Partei schon gar nicht mehr an und bei der Wahl zum Europa­parla­ment vor zwei Jahren gaben im Frank­furter Wahlkreis lediglich 112 Men­schen (0,5%) der NPD ihre Stimme.[12]

1 Vgl. Antifaschis­tis­che Recherchegruppe Frank­furt (Oder) (2021): Kein Platz für Neon­azis? – Extrem rechte Beteili­gung auf Frank­furter Quer­denken-Kundge­bung am 28. Novem­ber 2020. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2021/03/02/kein-platz-fuer-neonazis-extrem-rechte-beteiligung-auf-frankfurter-querdenken-kundgebung-am-28-november-2020/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
2 Vgl. Infori­ot (2017): Quer­front-Kundge­bung am 1. Mai in Frank­furt (Oder) ohne Gegen­protest. https://inforiot.de/querfront-kundgebung-am-1-mai-in-frankfurt-oder-ohne-gegenprotest/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
3 Vgl. Infori­ot (2009): NPD erneut in Joachim­sthal — Mah­nwache mit 70 Nazis am ver­gan­genen Fre­itag. https://inforiot.de/npd-erneut-in-joachimsthal-mahnwache-mit-70-nazis-am-vergangenen-freitag/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
4 Vgl. Bun­de­spressekon­ferenz e.V. (2020): Vorstel­lung der Zahlen kindlich­er Gewal­topfer –Auswer­tung der Polizeilichen Krim­i­nal­sta­tis­tik 2019. https://beauftragter-missbrauch.de/fileadmin/Content/pdf/Meldungen/2020/05_Mai/11/Pressemappe_PK_PKS_2019.pdf (abgerufen am 04. Mai 2021)
5 Vgl. Rafael, Simone (2009): Warum engagieren sich Neon­azis gegen „Kinder­schän­der“? https://www.belltower.news/warum-engagieren-sich-neonazis-gegen-kinderschaender-30514/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
6 Vgl. Rad­van, Heike (2015): His­torische Per­spek­tiv­en. In: Amadeus Anto­nio Stiftung (Hrsg.): Instru­men­tal­isierung des The­mas sex­ueller Miss­brauch durch Neon­azis. S. 10f. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2018/08/instrumentalisierung-des-themas-sexueller-missbrauch-durch-neonazis‑1.pdf.
7 Vgl. Berg, Anna; Goetz, Judith; Sanders, Eike (2018): Tox­is­che Männlichkeit von Kan­del bis Chem­nitz. https://www.apabiz.de/2018/toxische-maennlichkeit-von-kandel-bis-chemnitz/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
8 Face­book-Beitrag von „Sig­gi Pauly“ vom 25.04.2021 (09:43 Uhr)
9 Vgl. Antifaschis­tis­che Recherchegruppe Frank­furt (Oder) (2007): Ver­stärk­te NPD-Aktiv­itäten mün­den in Stadtver­bands­grün­dung. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2007/03/03/verstaerkte-npd-aktivitaeten-muenden-in-stadtverbandsgruendung/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
10 Vgl. Antifaschis­tis­che Recherchegruppe Frank­furt (Oder) (2014): Die NPD am 1. Mai in Bran­den­burg – Gewalt­bere­it in den Wahlkampf. https://recherchegruppeffo.noblogs.org/post/2014/05/21/die-npd-am-1-mai-in-brandenburg-gewaltbereit-in-den-wahlkampf/ (abgerufen am 04. Mai 2021)
11 Vgl. Press­eser­vice Rathenow [@PresseserviceRN]. (2021). Am #Alexan­der­platz in #Berlin endete ger­ade eine Spon­tankundge­bung der JN. Die Polizei führt die Neon­azis nun in den Bahn­hof #b0105 [Tweet]. Twit­ter. https://twitter.com/PresseserviceRN/status/1388534723614543872. Twit­ter-Ein­trag vom 1. Mai
12 Vgl. Europawahl 2019 (2019): Stim­menan­teile für die Stadt Frank­furt (Oder). https://www.bundeswahlleiter.de/europawahlen/2019/ergebnisse/bund-99/land-12/kreis-12053.html abgerufen am 04. Mai 2021)

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Antifaschismus Parlamentarismus

Strausberger AfD-Stadtverordnete ruft zum Aufstand auf

Rain­er Thiel ist Frak­tionsvor­sitzen­der der AfD in Str­raus­berg und Kreistagsab­ge­ord­neter in Märkisch-Oder­land – und befördert mit seinen Face­book-Posts rechte Umsturz­pläne. Dem Jahreswech­sel im Lock-Down sieht er frohlock­end ent­ge­gen: „Bis dahin braut sich einiges zusam­men warten wir es ab, wenn dann knallt es richtig“ (sic). Hier­mit sind keine Böller und Raketen gemeint, son­dern ein „Volk­sauf­s­tand“. Damit spielt er auch auf die recht­en und von Corona-Leugner*innen wie “Quer­denken” geplanten Demon­stra­tionspläne an Sil­vester in Berlin an, die auf­grund des aktuellen Shut-Down ver­boten wor­den sind, und doch weit­er­hin mobil­isieren. Rain­er Thiel war auch bei der bun­desweit­en Großdemon­stra­tion am 29.08.20 in Berlin, als von Coronaleugner*innen und Neon­azis ver­sucht wurde, das Reich­stags­ge­bäude zu stürmen.

Thiels Auftreten in den Sozialen Medi­en ist geprägt durch eine abstruse Mis­chung auf rechter Pro­pa­gan­da, Urlaub­ser­leb­nis­sen und über­grif­figem Ver­hal­ten. Mehrfach belästigte er bei Face­book junge Frauen* mit sex­u­al­isierten Post­ings. Zusät­zlich betreut er die Face­book-Seite des AfD-Ortsver­band Straus­berg i.G., welche jedoch hin­ter dem aggres­siv­en Massen­post­ings ander­er AfD-Seit­en zurück­bleibt und eher wie ein unregelmäßig erscheinen­der Newslet­ter wirkt.

Auf sein­er Face­book­seite schwadroniert der AfD-Lokalpoli­tik­er mit eini­gen sein­er virtuellen Fre­undIn­nen über den Umsturz in der Bun­desre­pub­lik. Dass rechte Net­zw­erke den Sturz der Regierung pla­nen oder sich auf den Tag X vor­bere­it­en ist nichts Neues. Erst in der let­zten Woche wur­den ein großes Waf­fe­narse­nal in Öster­re­ich beschlagnahmt, mit dem eine rechte Miliz in Deutsch­land aufge­baut wer­den sollte – so der Ver­dacht. „Fordern Politiker*innen, die auf Basis demokratis­ch­er Wahlen in ihr Amt gekom­men sind, ihre Anhänger*innen öffentlich zum Umsturz auf, wer­den auch weit­er­hin Waf­fen­funde, die „Ent­deck­ung“ rechte Net­zw­erke und Morde durch Recht­sex­trem­is­ten an der Tage­sor­d­nung ste­hen. Poli­tik­er der AfD sind – wie eh und je – geistige Brand­s­tifter. Ger­ade in den ost­deutschen Bun­deslän­dern zeigt sich hier der Ein­fluss des völkischen Flügels.“ so Roya Toulany, Press­esprecherin des antifaschis­tis­chen Bünd­nis “Kein Ack­er der AfD”. „Wenn sich Mit­glieder der AfD immer noch fra­gen, warum sie in Bran­den­burg als recht­sex­trem eingestuft wer­den, kön­nen wir nur empfehlen, einen Blick auf die Kom­mu­nika­tion­skanäle der Kom­mu­nalpoli­tik­erIn­nen zu werfen.“

Inforiot