Behauptet wird, damit besitze die Potsdamer Stadtgesellschaft die Chance, anhand originaler Substanz sich ihrer eigenen jüngsten Geschichte zu vergewissern und diese weiter zu erforschen.
Der Anspruch klingt honorig, aber er ist geschichtsvergessen und politisch problematisch.
Es handelt es sich hier nicht um eine „originale Substanz“. Die Garnisonkirche selber existiert weder in ihrer Bausubstanz, noch in irgendwelchen Überresten, die denkmalsfähig wären. Das Glockenspiel als früherer Teil der Garnisonskirche ist ebenfalls eine Nachbildung.
Schon seine Rekonstruktion in den 1980er Jahren in der damaligen BRD war ein extrem rechtes Ideologieprojekt, das genau darauf abzielte, den ursprünglichen Symbolgehalt der Garnisonkirche aufzugreifen, um einen Symbolort für die politische Rechte zu schaffen.
Die VVN-BdA und mit ihr Gruppen und Initiativen, die sich für eine angemessene Beschäftigung mit der deutschen Zeitgeschichte engagieren, fordern eine kritische Kontextualisierung des Glockenspiels. Nur dadurch kann einerseits die durch die Obere Landesdenkmalbehörde als Grund der Unterschutzstellung genannte öffentliche Kontroverse und problematische Vorgeschichte des Glockenspiels sichtbar gemacht werden und gleichermaßen der menschenfeindliche Symbolgehalt des Glockenspiels gebrochen werden.
Wir erwarten von der Landeshauptstadt Potsdam, dass sie in einem transparenten und demokratischen Prozess Ideen für eine kritische Einbindung des Glockenspiels in den Stadtraum entwickelt. An diesem authentischen Ort muss Potsdam Farbe bekennen, eine geeignete künstlerische Intervention oder Kommentierung zulassen und einen Lern‑, Erinnerungs- und Gedenkort schaffen.
Als bundesweiter Interessenverband der Opfer des NS-Regimes und ihrer Nachkommen und Unterstützer*innen möchten wir zugleich unsere Beteiligung an diesem Prozess einfordern.