Miriam Tödter vom Verein Wir packen’s an erklärt die Hintergründe der Petition: “Wir starteten die Petition, um auf das sehr intransparente, überdimensionierte Abschiebezentrum aufmerksam zu machen.” Sie fährt fort: “Unsere Kritikpunkte sind einerseits dieser ganze fragwürdige Prozess, aber anderseits auch die Abschiebepraxis insgesamt. Aus der Ukraine wurden kurzfristig über 1 Millionen Menschen aufgenommen, was wir sehr begrüßen. Letztes Jahr waren allerdings auch ca. 12.000 Menschen aus Deutschland von Abschiebung in Länder wie Pakistan betroffen. Und wir fragen uns: Ist gerade in Brandenburg angesichts des demografischen Wandels kein Platz für die paar Menschen? Warum wird hier wieder selektiert nach Herkunft?”
Innerhalb von nur 2 Wochen konnten über 18.400 Unterschriften gesammelt werden. Eingerahmt wurde die heutige Übergabe von drei symbolischen Flugzeugen mit Spruchbändern mit klaren Botschaften an die drei Regierungsparteien.
Henrike Koch vom Flüchtlingsrat Brandenburg merkt dazu an: “Über 18.400 Unterschriften in nur zwei Wochen zeigen deutlich, dass die Zivilgesellschaft nicht will, dass Schönefeld zu einem Hot-Spot für Abschiebungen, Inhaftierungen und Asylschnellverfahren wird.” Und weiter: “Die Brandenburger Landesregierung sollte die Errichtung und Inbetriebnahme des Abschiebezentrums sofort stoppen.”
Auch die Jusos Brandenburg und die Grüne Jugend Brandenburg haben sich mittlerweile öffentlich gegen dieses fragwürdige Projekt ausgesprochen. Über 80 Organisationen und Initiativen aus Brandenburg, Berlin und ganz Deutschland unterzeichneten vor kurzem eine gemeinsame Stellungnahme gegen den Bau des Abschiebezentrums. Anlässlich einer Preisverleihung am 7.11. adressierte der Verein Wir packen‘s an den Protest direkt gegenüber Ministerpräsidenten Woidke.
Beide Organisationen erwarten eine zeitnahe Antwort des Petitionsausschusses und der Brandenburger Regierungsfraktionen auf die eingereichte Petition. Koch und Tödter stimmen in der Ablehnung des Projektes überein. “Brandenburg braucht ein Willkommenszentrum, und kein Abschiebezentrum! Niemand flieht ohne Grund!” so Tödter. Und Koch ergänzt: “Wir erwarten, dass die Mitglieder des Landtags diesem menschenrechtsfeindlichen Prestigeprojekt bei den aktuellen Haushaltsverhandlungen ihre Zustimmung verweigern. Statt Hunderte Millionen in Abschottung und Abschreckung zu investieren, müssen Teilhabe- und Bleiberechtsmöglichkeiten ausgebaut werden.”
Skandal um das geplante Abschiebezentrum am Flughafen BER: Kein Abschiebezentrum nirgendwo!
Die heutigen Veröffentlichungen von FragDenStaat, rbb und dem ARD-Politikmagazin Kontraste führen vor Augen, zu welchen fragwürdigen Mitteln das Brandenburger Innenministerium greift, um am eigenen Koalitionspartner und dem Landtag vorbei den Bau eines Abschiebezentrums am Flughafen BER durchzusetzen. Es ist nicht nur ein politischer Skandal, diese Pläne selbst vor dem eigenen Finanzminister geheim zu halten. Auf intransparente Art wurde von Anfang an mit einem windigen Investor zusammengearbeitet, der anschließend als angeblich alternativlos vorgestellt wird.
Der eigentliche Skandal ist, dass am BER ein Abschiebezentrum gebaut wird, in dem geflüchtete Menschen bewusst isoliert und eingesperrt werden. Geplant ist ein Abschiebegewahrsam, um 120 Personen festzuhalten und perspektivisch könnte das Zentrum sogar zu einem Abschiebegefängnis ausgebaut werden”, sagt die Pressesprecherin der Initiative “Abschiebezentrum BER verhindern” Alexis Martel.
“Die zwielichtigen Machenschaften der Firma Harder & Partner waren und sind dem Brandenburger Innenministerium bekannt. Anscheinend hat Jürgen B. Harder die Politik fest im Griff und kann die Bedingungen zugunsten seiner neuen Großbaustelle “Abschiebeknast” maßgeblich mitbestimmen. Das dürfte in seinem Interesse sein: Denn mit dem rassistischen Geschäft lassen sich Millionen verdienen.
Während europäische Regierungen das Recht auf Asyl mehr und mehr aushöhlen, setzen Brandenburg und der Bund auf noch mehr Abschiebungen. Seit Bekanntwerden der Pläne für das Abschiebezentrum machen wir deutlich: Kein Mensch ist illegal. Wir stehen gegen alle Formen der rassistischen Inhaftierung von geflüchteten Menschen, egal, ob es sich Ausreisegewahrsam, Abschiebehafteinrichtung oder Flughafenasylverfahren nennt.
Die systematische rassistische Unterdrückung, Abschiebung und Diskriminierung von Menschen nehmen wir nicht hin! Deshalb wehren wir uns gegen die Inhaftierung und Abschiebung von Menschen und werden das Abschiebezentrum am BER verhindern. Unser Widerstand hat erst begonnen.
Kein Abschiebezentrum am Flughafen BER!
Kein Abschiebezentrum nirgendwo!
Über “Abschiebezentrum BER verhindern” Die Initiative hat sich Ende 2021 gegründet, um sich gegen das geplante Abschiebezentrum am Flughafen BER zu organisieren und den Protest auf die Straße und ins Netz zu tragen. Zuletzt arbeitete die Initiative an einer Kampagne gegen die fragwürdige Investorfirma “Harder & Partner” und rief zu einem Online-Aktionstag auf (siehe auch https://dumpharder.neocities.org/).
Für einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik: Keine selektive Solidarität
Gemeinsam mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen und Olaf Jansen, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde, hat der Flüchtlingsrat Brandenburg heute die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt besucht.
Wir begrüßen, dass aus der Ukraine fliehende Menschen großzügig aufgenommen und versorgt werden. Gleichzeitig kritisieren wirdie aktuelle Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Geflüchteten. Die aktuelle Situation muss jetzt Anstoß sein für einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik.
Wir fordern:
1) Verbesserung von Aufnahmebedingungen für alle Geflüchteten
Das deutsche Asylsystem steht seit langem für Abschreckung, Isolation und Entmündigung. Die Mehrheit derjenigen, die jetzt aus der Ukraine fliehen, erhalten hier temporären Schutz. Damit bleibt ihnen ein langwieriges Asylverfahren samt seinen Gängelungen erspart. Die aktuelle Situation zeigt, dass vieles möglich ist, wenn es politisch gewollt ist. Die Aufnahmebedingungen müssen nun für alle Schutzsuchenden verbessert werden:
„Wir fordern die Abschaffung des sog. Asylbewerberleistungsgesetzes, die freie Wahl des Wohnorts und dezentrale Unterbringung, eine Ende vonBeschäftigungsverbotenund einenumgehenden Ausbau von Beratungsangeboten und psychosozialer Versorgung. Land und Landkreise müssen sich jetzt vermehrt um dezentrale Unterbringung bemühen, um gesellschaftliche Teilhabe für alle Geflüchteten von Beginn an zu ermöglichen”, so Mustafa Hussien vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
2) Aufenthaltssicherung für alle Menschen, die aus der Ukraine fliehen
Der Aufenthalt vonallen Menschen, die aus der Ukraine fliehen, muss auch nach dem 23. Mai 2022 gesichert sein, etwa durch Erteilung des vorübergehenden Schutzes nach § 24. Für internationale Studierende muss mindestens die Übergangszeit verlängert werden, damit diese ausreichend Zeit haben, sich neu zu orientieren und ggf. um die Fortsetzung ihres Studiums in Deutschland oder in einem anderen Staat der Europäischen Unionzu bemühen.
Darüber hinaus sollte dasBrandenburger Innenministerium sicherstellen, dass die politisch getroffenen Entscheidungen von den lokalen Ausländerbehörden auch tatsächlich umgesetzt werden. Uns erreichen Berichte über Diskriminierungen von Personen, die zwar nach geltenden Regeln einen Anspruch auf „temporären Schutz” hätten, aber als Drittstaatsangehörige dennoch zum Stellen von Asylanträgen oder sogar zur Ausreise aufgefordert werden.
3) Schutzsuchende aus anderen Ländern evakuieren
Wir haben Außenministerin Annalena Baerbock aufgefordert, sich gegenüber der polnischen Regierung für die Freilassung von in geschlossenen Einrichtungen inhaftierten Geflüchteten einzusetzen und pushbacks an der polnisch-belarussischen Grenze scharf zu verurteilen. Die wenigen Geflüchteten aus dem Grenzgebiet sollten in der EU aufgenommen werden. Die Evakuierung von Schutzsuchenden aus anderen Ländern wie beispielsweise Afghanistan und Libyen muss ebenfalls dringend verstärkt bzw. begonnen werden.
„Es ist gut, dass ukrainischen Geflüchteten mit den neuen EU-Regelungen viele der Zumutungen des deutschen Asylsystems erspart bleiben. Gleichzeitig kommen auch sie hier in einem Aufnahmesystem an, dass seit Jahren Geflüchtete entmündigt und kontrolliert. Erleichterte Aufnahmebedingungen, auch über die Ukraine hinaus, wären ein wichtiges Signal gegen die rassistische Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Geflüchteten”, so Mara Hasenjürgen vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
Die Corona-Proteste in Cottbus sind die größten im Land Brandenburg und gehören zu den bestorganisierten. Sie gelten in anderen Orten als Vorbild. Deutlicher noch als anderswo sind die Cottbuser Demonstrationen von Rechtsextremen dominiert: das Bündnis aus AfD, dem Verein Zukunft Heimat, Neonazis und Adepten der „Identitären“ haben die Protest-Regie bisher fest unter ihrer Kontrolle. Noch immer gibt es wöchentlich Demonstrationen mit einer hohen dreistelligen Anzahl an Teilnehmer*innen.
Dem Gesamtbild der Cottbuser Proteste soll hier ein wichtiges Puzzlestück hinzugefügt werden: Die größte Telegramgruppe für die Coronaproteste wird von einem Hardcore-Antisemiten administriert. Erst im Dezember hatte es einen grausamen, antisemitisch motivierten Vierfachmord in Königs Wusterhausen gegeben – der Täter war ein „Querdenker“ und in einschlägigen Telegramkanälen unterwegs [1]. Vor diesem Hintergrund sollte die Reichweite antisemitischer Hetze in den Kommunikationskanälen Brandenburger Coronaproteste besondere Aufmerksamkeit erfahren. Darum: Blicken wir auf den Cottbuser Telegram-Administrator Heiko Kolodzik.
Nachdem im Dezember der lokale AfD-Vorsitzende Jean-Pascal Hohm dazu aufrief unangemeldet zu demonstrieren [2] verbreitete sich im Januar der Link zur Telegram-Gruppe „Widerstand Cottbus“ in der Szene. Die Gruppe wuchs innerhalb von nur zwei Wochen auf über 1.000 Mitglieder. Vorrangiges Ziel ist sich intern auf der Straße zu koordinieren.
Der Admininstrator „reißzahn“ brachte mit dem Kanal nicht nur die Spaziergänger miteinander ins Gespräch, sondern nutzte ihn auch als eigenesSprachrohr. Schon nach wenigen Tagen begann er Schreibrechte für die Gruppenmitglieder einzuschränken, weil er befürchtete, dass seine „Wahrheit“ zwischen den hunderten anderen Nachrichten untergeht. Zwischenzeitlich ist er fast der einzige, der dort noch regelmäßig schreiben darf, dafür in einer hohen Frequenz. Inhaltlich geht es bei den Posts von „reißzahn“ um die „Corona-Giftspritze“ und die „BRD-Besatzung“, ihre „Söldner“ usw.. Er sieht sich und seine Mitstreiter*innen in einer Art Endkampf auf Leben und Tod. Es ist ein verschwörungsideologisches Potpourri, wie es für Brandenburger Corona-Protestkanäle auf Telegram nicht untypisch ist.
Der Admin „reißzahn“ verweist immer wieder auf die Telegram-Kanäle “CoronaWahnArchiv“, „ImpfWahn“ und „BRD-Besatzer-Politik“ deren Inhalte darauf hindeuten, dass diese ebenfalls von ihm selbst verwaltet werden. Auf allen diesen Kanälen finden sich PDF-Dokumente aus der Feder des Cottbuser Finanzberaters Heiko Kolodzik. Am 18. Januar postete „reißzahn“ ein Foto aus der Perspektive des Firmenbüros von „Kolodzik & Kollegen“ am Altmarkt. Am 31. Januar verbreitete „reißzahn“ dann ein PDF mit einem Widerspruchsschreiben gegen eine polizeiliche Verbotsverfügung – dessen Urheber ebenfalls „Heiko“ heißt. So wird nachvollziehbar: Admin „reißzahn“ ist Heiko Kolodzik.
Heike Kolodzik ist ein Antisemit mit nationalsozialistischer Schlagseite. Schon oberflächliche Suchen im Internet zeigen dies. Heiko Kolodzik verbreitet unter seinem vollen Namen und auch im Namen seines Unternehmens ultra-antisemitische Inhalte bis hin zu Holocaust-Leugnung. Er bezieht sich in seinen kruden Texten positiv auf die Nazi-Ideologie, beispielsweise auf die Schrift „Kampf gegen die Hochfinanz“ des Nazi-Wirtschaftstheoretikers Gottfried Feder. Auf YouTube und dem Portal Odysee verbreitet er krude selbstproduzierte Videos.
Dass jemand mit Firmensitz in bester Cottbuser Altstadtlage auf seiner Homepage offenbar seit Jahren Inhalte verbreitet, die sogar strafrechtlich relevant sein könnten, zeigt, wie fest rechte Strukturen in Cottbus verankert sind und wie sicher sie sich fühlen können. Kolodzik ist aktuell Geschäftsführer der HIH Wertholz GmbH, die mit Holz handelt. Bis 2020 hatte er die gleiche Funktion bei der HWA Hanseatische Werte GmbH in Hamburg inne. Die zugehörigen Adressen in Hamburg und am Altmarkt in Cottbus sind auch als Büros auf den Webseiten kolodzik.de und risk-management.org angegeben.
Kolodziks politische Biografie ist mit der AfD verbunden. Nach der Gründung der Partei in Cottbus war Kolodziks Büro 2013 die Adresse des ersten lokalen Parteisitzes. Kolodziks selbst war Leiter der Gründungsversammlung und zählt somit zur Gründungsgeneration der AfD [3]. 2014 trat er aus der Partei allerdings aus, weil er sich nach eigener Aussage zu den „Zuständen in Gaza“ nicht frei genug äußern könne [4]. Auch in der aktuellen Telegram-Gruppe zeigt „reißzahn“ ein ambivalentes Verhältnis zur AfD. Einerseits werden die Aktionsaufrufe der Partei und der mit ihr assoziierten Gruppen verlässlich verbreitet. Auf der anderen Seite wird von „reißzahn“ und anderen auch AfD-Kritik geäußert. Die Partei sei zu systemkonform und angepasst. Wahrhaft revolutionär seien nur unangemeldete Versammlungen im Gegensatz zur taktischen Flexibilität der AfD in dieser Frage.
In der „Widerstand Cottbus“ ‑Gruppe gibt es zahlreiche personelle und organisatorische Schnittmengen zur örtlichen AfD. Mit-Administrator ist der Senftenberger AfD-Abgeordnete Matthias Stein. Bei der Landtagswahl 2019 scheiterte dieser nur knapp dabei, ein Direktmandat zu erringen [5]. Bei Telegram posiert Stein mit dem SS-Symbol der Schwarzen Sonne. Auch AfD-Kreischef Jean-Pascal Hohm erteilte am 18. Januar taktische Ratschläge: „Einfach nicht so viel Zeug schreiben, was einem auf die Füße fallen kann“. Zumindest Heiko Kolodzik beherzigt diesen Tipp nicht.
Diese Telegram-Gruppe dient der AfD und ihren Aktionen in Cottbus als Vergrößerung ihres Resonanzraums. Für einen Antisemiten wie Heiko Kolodzik sind die aktuellen Corona-Proteste ein Glücksfall: im sozialen Nahraum seiner Heimatstadt schenkt ihm im Zuge der aktuellen Mobilisierungen ein Publikum Aufmerksamkeit, dass eine vierstellige Größe hat. Sein Fall zeigt , dass auch härtester Rechtsextremismus in der Spaziergänger-Szene auf keinen Widerspruch mehr trifft. Die Fanatisierung bis hin zu brutalsten Gewalttaten, wie in Senzig, verläuft in Cottbus weiter ungebremst.
Dieser Beitrag war als Redebeitrag der Kampagne “Kein Acker der AfD” für die Gegenproteste zum abgesagten Landesparteitag der Brandenburger AfD geplant. Da wir es trotzdem wichtig finden, ein Schlaglicht auf Birgit Bessin zu werfen, wird er an dieser Stelle veröffentlicht.
Viele Artikel lassen sich finden über den rechten Netzwerker Lars Günther, den Faschisten Andreas Kalbitz oder den vermeintlichen rechten Biedermann Christoph Berndt. Wenig jedoch über Birgit Bessin, die treue Anhängerin des völkischen Flügels, die beim Landesparteitag der AfD für den Landesvorsitz kandidiert. Bisher ist sie stellvertretende Landesvorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorisitzende im Brandenburger Landtag. Im Sommer war Bessin überall dort zu finden, wo die AfD Infostände, Aktionen oder Kundgebungen angemeldet hatte – häufig in moderierender oder organisierender Rolle.
Der Frauenanteil unter den Parteimitgliedern der AfD liegt bei 13%. Bessin ist zusätzlich eine der wenigen Frauen in den oberen Rängen der Brandenburger AfD. Immer wieder tritt sie gemeinsam mit der Vorsitzenden der Jungen Alternative, Anna Leisten, gemeinsam auf. Dass Frauen sich gegenseitig hochziehen und unterstützen, sieht man in der AfD eher selten. Und dass die anwesenden Frauen häufig in ihrer sozialen und organisatorischen Funktion häufig unterschätzt werden, zeigt die noch immer vorherrschende doppelte Unsichtbarkeit rechter Frauen. Damit ist zum einen gemeint, dass Frauen häufig als friedfertiger wahrgenommen werden und somit weniger einer rechten Szene zugeordnet, und dass ihre Aktivitäten innerhalb rechter Gruppen häufig übersehen werden.
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass diese Unsichtbarkeit bei Bessin nicht verschleiert, mit was für einer Person wir es zu tun haben: Einer knallharte rechte Netzwerkerin, die innerhalb des völkischen Flügels und darüber hinaus gut vernetzt ist und erst garnicht versucht, der AfD einen biederen Anstrich zu geben.
Bessin ist bereits seit 2013 Mitglied der AfD und hat somit schon viele Veränderungen, Abspaltungen und Radikalisierungsprozesse der AfD überstanden. 2015 war sie Erstunterzeichnerin der Erfurter Resolution und so Gründungsmitglied des aufgelösten völkischen „Flügels“ der Partei. Immer wieder ist bei von Bessin organisierten Veranstaltungen auch der aus der AfD ausgeschlossene Andreas Kalbitz anzutreffen. Maßgeblich hat Bessin am ersten Novemberwochenende ein Rechtsrockkonzert im Hönower Restaurant „Mittelpunkt der Erde“ veranstaltet. Für die geladenen WahlkampfhelferInnen spielte Sacha Korn, welcher bereits mit der Neonaziband Kategorie C auftrat und dessen Lieder sich 2011 auf der Schulhof-CD der NPD wiederfanden. Bessin hat keinerlei Berührungsängste nach ganz weit rechts aussen, sondern fühlt sich am rechten Rand mehr als wohl.
Mit ihrer Bewerbung auf den Landesvorsitz wird die faschistische Bezugnahme inhaltlich und ästhetisch noch sichtbarer. Die Kampagne „MOTORFÜRBRANDENBURG“ ziert ein Zahnrad mit zwei Kolben und den Worten „Kraftvoll – zuverlässig – leistungsstark“. Wirkt dieses Motto auf den ersten Blick wie ein abgeklatschtes FDP-Zitat, so lässt die Ästhetik doch Böses ahnen: Das Zahnrad war im Nationalsozialismus das Symbol der größten NS-Massenorganisation, der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Auch die neonazistische Kleinstpartei III.Weg bedient sich einem Zahnrad mit Hammer und Schwert als Logo. Eine Ähnlichkeit ist hier sicher nicht zufällig gewählt, sondern zeigt das Fischen nach Zustimmung in extrem rechten Strukturen.
Es bleibt dabei: Die AfD ist keine normale Partei. Normalität mit der AfD bedeutet Rassismus und Abschottung an den deutschen und europäischen Grenzen. Normalität mit der AfD bedeutet in einer weltweiten Pandemie ohne Maske weiterhin Impfverweigerer zu verteidigen und Tote in Kauf zu nehmen. Normalität mit der AfD heißt, dem Faschismus die Tür auf zu halten.
Wir setzen dem etwas entgegen: Solidarität, Feminismus, Antirassismus. Unter dem Hashtag #helfenistnormal sind grad viele Hilfsorganisationen und Freiwilllige in Polen und Deutschland unterwegs, um Geflüchteten zu helfen, die zum Spielball internationaler Politik geworden sind. Lasst uns zeigen, welche Normalität wir wollen: ohne Rechtsrockkonzerte, ohne Politikerinnen wie Birgit Bessin und ohne die AfD!
Auf ihrem Bundeskongress vom 17. und 18. April 2021 hat die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) ein neues Führungsduo gewählt. Eine Doppelspitze, bestehend aus Carlo Clemens (JANRW) und Marvin T. Neumann (JA Brandenburg), sollte die unterschiedlichen Strömungen vereinen und ein neues Kapitel in der Geschichte der noch jungen Parteiorganisation einleiten. Parteichef Tino Chrupalla sprach gar von einem „Aufbruch in eine neue Junge Alternative“. Nur zwei Wochen später ist vom Aufbruch nichts mehr übrig. Ein internes Gutachten der AfD empfiehlt, Neumann aus der Partei zu werfen. Der Bundesvorstand der Partei hat den Fall offenbar am 30. April in einer Telefonkonferenz besprochen. Neumann soll am kommenden Montag, 3. Mai angehört werden. Laut der weit rechts stehenden Wochenzeitung „Junge Freiheit” soll sich auch AfD-Fraktionschefin Alice Weisel für „schnelle und harte Maßnahmen” ausgesprochen haben.
Grund dafür sind rechtsextremistische und rassistische Äußerungen Neumanns. Was für die „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ (AGVS), die innerhalb der Partei einen Umgang mit der Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst finden soll, und den Rest der Partei offenbar eine große Überraschung darstellt, ist Beobachter*innen schon lange bekannt. Immer wieder hat Neumann auf Twitter und Instagram deutlich gezeigt, welches Gedankengut er vertritt. Mit seinen provozierenden, mehr als grenzwertigen („nonkonformistischen“) Tweets hat er sich einen gewissen Ruf (und auch viele Gegner*innen) in der Rechtstwitter-Blase erarbeitet.
Im Vorfeld der Wahl für den Chefposten der JA hatte er sich in einem Interview mit dem „neurechten“ „konflikt Magazin“ als „Ideologen“ bezeichnet, der sich vor allem gegen das „geistige Boomertum“ der Partei stellen würde. Ein Seitenhieb auf Parteichef Jörg Meuthen, der als Vertreter eines eher gemäßigten Kurses gilt. Denn „gemäßigt“ — was auch immer dieses Adjektiv im Zusammenhang mit der AfD bedeutet — ist Neumann keinesfalls. In seiner Bewerbungsrede um den Vorstandsposten beim Bundeskongress der JA kritisierte er angebliche „Massenmigration als Normalzustand“, „Weißen-feindlichen Rassismus“ und „72 oder mehr Geschlechter“.
Neumanns Nähe zur Ideologie der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) und anderen Teilen der sogenannten „neuen“ Rechten, die schlussendlich die Werte der Aufklärung und der Moderne ablehnt, hat er immer wieder deutlich gemacht. Auf Twitter bezeichnete er vor seiner Wahl Liberalismus als „volksfeindlichen Müll“. „Nation und Kultur“ könnten nur ohne Liberalismus bewahrt werden. Liberalismus sei der „Erzfeind aller, die an der Konservierung von Traditionen, überlieferter Kultur, Religion, Volk und Nation (…) festhalten“, schreibt er im Januar.
Dabei bezieht sich Neumann ganz direkt auf faschistische Vordenker wie Arthur Moeller van den Bruck (1876–1925), zentraler Autor der von Armin Mohler kanonisierten „Konservativen Revolution“ und Schöpfer des Begriffs „Drittes Reich“. Van den Brucks Liberalismus-Diktum („An Liberalismus gehen die Völker zugrunde“) ist in der „neuen“ Rechten ein geflügeltes Wort. Auch andere Faschisten gelten ihm offenbar als Vorbild, in Stilfragen scheint es Oswald Mosley zu sein, der Gründer der „British Union of Facists“ (und erklärtes Vorbild des Rechtsterroristen von Christchurch). An anderer Stelle bezieht er sich positiv auf neoreaktionäre und neofaschistische Denker wie C.A. Bond oder Jonathan Bowden.
Seine Thesen brachten ihm immer wieder Lob von rechtsaußen ein. Zum Beispiel von Martin Sellner, Chef-Kader der „Identitären Bewegung“ (IB). Und auch das sich selbst als intellektuell bezeichnende Milieu rund um das „Institut für Staatspolitik“, das dem Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ gilt, unterstützt Neumann nach dem angekündigten Rauswurf. Benedikt Kaiser, heute Redakteur der „neurechten“ Zeitschrift Sezession des Kleinstverlegers Götz Kubitschek, früher Teil der rechtsextremen Kameradschaftsszene mit Verbindungen zum NSU, beteiligt sich auf Twitter mit Retweets an den Mitleidsbekundungen von rechtsaußen für Neumann.
Dabei steckt — wie so oft bei der angeblich „neuen“ Rechten — hinter dem bemüht intellektuellen Habitus und den rhetorisch aufgeplusterten Debatten im Wesentlichen Altbekanntes: NS-Relativierungen und Rassismus. Auch im Auftreten des nun in Bedrängnis geratenen JA-Co-Chefs Neumann schlägt dieser Umstand durch: In einer Instagram-Story postet er ein Spiegel-Selfie mit der Bemerkung „Opa hatte definitiv die frischeren Seiten“. Auf der Handyhülle das Foto eines Mannes in Wehrmachtsuniform. In einem Instagram-Post feiert Neumann Heinrich Ehrler, einen NS-Luftwaffenoffizier und „Helden“ des Nationalsozialismus.
Im Dezember 2020 schreibt Neumann auf Twitter: „Es gibt keine ‚Schwarze Deutsche und Europäer‘. Sie sind bestenfalls Teil der Gesellschaft und besitzen bestimmte Staatsbürgerschaften, aber sie sind nicht Teil einer tradierten, authentischen‚ europäische[n] Identität.‘“ In einem andere Tweet heißt es: „Andere weiße Europäer bzw. ihre Nachfahren könn(t)en Deutsche werden, Schwarzafrikaner aber nicht.“ Eine Argumentation, die man so auch von der NPD und andere rechtsextremen Akteur*innen immer wieder hört. Dementsprechend verwundert es nicht, wenn Neumann auch gegen „gemäßigtere“ Stimmen im eigenen Umfeld schießt. Als Erika Steinbach, Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, in einem Tweet stolz auf die Existenz von AfD-Abgeordneten mit Migrationsgeschichte hinweist, schreibt Neumann nur „Gehen Sie endlich in den Ruhestand.“ Als Götz Frömming, Abgeordneter der AfD im Bundestag, über „deutsche Schüler muslimischen Glaubens“ twittert, bringt Neumann ihn in Zusammenhang mit der CDU und sieht einen Versuch, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz durch solche Formulierungen zu vermeiden. In einem weiteren Tweet zu Frömmings Aussage betont er, dass „Mut zur Wahrheit bedeutet, auch bei der demographischen Frage Alternative zu sein“.
In Neumanns „identitärem“ Weltbild wird praktisch alles ethnifiziert. Auch Religion und Kultur werden als Wesenszüge vermeintlicher „Rassen“ gedacht, die unveränderbar nebeneinander stehen und sich nicht vermischen können oder dürfen. Genau das meint das diffuse Konzept des „Ethnopluralismus“, das dem altbekannten Rassismus lediglich ein neues Gewand verleiht. Die „demografische Frage“ ist schließlich nur eine andere Formulierung für die Wahnvorstellung vom „großen Austausch“, einer rassistische Verschwörungserzählung der sogenannten „neuen“ Rechten, laut der Europäer*innen von meist jüdisch imaginierten Eliten durch muslimische Migrant*innen ersetzt würden. Dazu passt auch ein Tweet von Neumanns Partnerin Zita T., einer Volontärin bei der rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“, den Neumann retweetet. Für T. ist auf einem Instagram-Bild der EU-Kommission, auf der ein Mann mit schwarzer Hautfarbe und ein Kind abgebildet sind, „nicht ein einziger ethnischer Europäer zu sehen“.
Dabei ist für Neumann am Islam nicht alles schlecht. Besonders bei den Intellektuellen der sogenannten „neuen“ Rechten gibt es immer wieder auch Bewunderung für einen rigiden Islamismus. Die „dekadente“ und von „Verfall“ gezeichnete westliche Gesellschaft sei demnach selbst für die angebliche „Islamisierung“ verantwortlich, die als Symptom des Liberalismus betrachtet wird. Im Unterschied zum „degenerierten“ Westen halte der Islam an tradierten Werten fest und zementiere so den eigenen Einfluss. Etwas, was sich Neofaschisten für die eigenen Ideologie und das eigene „Volk“ wünschen.
Marvin T. Neumann gilt als „Chef-Ideologe“ der JA Brandenburg. Seine rechtsextreme Weltanschauung ist umfassend und hört nicht bei der Ausgrenzung von Geflüchteten und pseudointellektuell verkleidetem Rassismus auf. Sie geht bis hinein in persönliche, zwischenmenschliche Beziehungen und äußert sich auch in einer rückwärtsgewandten Sexualmoral; ein Gebiet, das von den einschlägigen „neurechten“ Akteuren aus guten Gründen zumeist nicht näher thematisiert wird. Neumann kennt in dieser Hinsicht allerdings tatsächlich keine Hemmungen. Er fordert ausdrücklich eine „moralisch-reaktionäre Wende. Untreue gehört gesellschaftlich geächtet, Sexualität wieder mehr sakralisiert.“ Also zurück in Zeiten, als „uneheliche“ Kinder diskriminiert wurden und Frauen bis zur Ehe „enthaltsam“ sein sollten. Zeiten, in denen Menschen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprachen, kriminalisiert, an den Rand der Gesellschaft gedrängt und alltäglich diskriminiert und bedroht wurden.
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Die tödliche Dimension von Rechtsterrorismus, Antisemitismus, Rassismus und rechter Gewalt wird noch immer unterschätzt
Neun Menschen wurden beim rechtsterroristisch und rassistisch motivierten Attentat in Hanau am 19. Februar 2020 ermordet. Doch trotz aller Erklärungen von Strafverfolgungsbehörden, Justiz und Innenpolitik wird die tödliche Dimension rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt noch immer nicht ausreichend erfasst.
Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsnarrative haben in 2020 während der Coronapandemie zu einer für viele Menschen extrem bedrohlichen Zunahme von politisch rechts motivierten Gewalttaten geführt. Am 19. Februar 2020 wurden in Hanau Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih Saraçoğlu durch einen rassistisch motivierten Attentäter ermordet, der weitere Menschen verletzte und anschließend seine Mutter und sich selbst tötete. Dass Rassismus und Rechtsterrorismus die Motive für eines der schwersten rechtsterroristischen Attentate seit der Jahrtausendwende waren, wird auch von den Strafverfolgungsbehörden ebenso wie von Bundes- und Landespolitikern anerkannt.
„Wie schon in den Vorjahren müssen wir feststellen, dass in den Jahresbilanzen der Strafverfolgungsbehörden der Länder und des BKA zahlreiche Gewalttaten aus 2020 fehlen, in denen die Täter mit unglaublicher Brutalität vorgegangen sind und offensichtlich aus rassistischer und rechter Motivation gehandelt haben”, kritisiert Robert Kusche vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.). „Dabei haben die Betroffenen die Schussverletzungen, Tritte, Schläge und Messerstiche der rechten Täter oft nur durch glückliche Umstände überlebt.”
„Die nach wie vor mangel- und lückenhafte Erfassung und Anerkennung von Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus als Tatmotive durch Polizei und Justiz verschleiert das Ausmaß der tödlichen Dimension rechter Gewalt und lässt die Betroffenen im Stich”, betont Robert Kusche.
Folgende Beispielfälle vollendeter und versuchter Tötungsdelikte haben Opferberatungsstellen des VBRG in 2020 registriert, die bislang von den Landeskriminalämtern und dem BKA nicht als Politisch motivierte Kriminalität-Rechts (PMK-Rechts)-Gewalttaten gewertet werden.
Altenburg, 12.02.2020: Ein 52-Jähriger wird in seiner Wohnung von zwei jungen Männern mit Bezügen zur rechten Szene mit einem Messer angegriffen und mit Schlägen und Tritten gegen Oberkörper und Kopf so lange misshandelt, bis er stirbt. Zu ihren Motiven geben die Angreifer im Mordprozess am Landgericht Gera im März 2020 an, sie hätten den Mann für seine angebliche Homosexualität und vermutete Pädophilie bestrafen und ihm einen „Denkzettel” verpassen wollen. Bislang ist offen, ob das LKA Thüringen den Mord als PMK-Rechts Tötungsdelikt wertet. www.ezra.de
Schweinfurt, 25.02.2020: Ein 19-jähriger Algerier wird am Faschingsdienstag auf dem Roßmarkt durch einen Messerstich in den Herzmuskel lebensgefährlich verletzt. Bei dem 27-jährigen Täter werden zahlreiche rechtsextreme Propagandagegenstände und einschlägige Szenekleidung gefunden. Dennoch lässt das Urteil der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Schweinfurt die Frage nach Rassismus als Tatmotiv offen. Der Täter wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu fünf Jahren Haft verurteilt. In den PMK-Rechts Statistiken des LKA Bayern wird der Fall nicht erwähnt. www.bud-bayern.de
Halle/Saale, 01.05.2020: An einer Straßenbahnhaltestelle werden kurz vor 1 Uhr nachts zwei syrische Geflüchtete von drei Unbekannten umringt, rassistisch und homophob beleidigt und dann unvermittelt zu Boden geschlagen. Einer der beiden Angegriffenen erleidet lebensbedrohliche Kopf- und Gesichtsverletzungen und muss mehrfach operiert werden. Die Ermittlungen wegen versuchten Totschlags sind über Monate blockiert, weil die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungsakten „verliert”. Das LKA Sachsen-Anhalt führt den Angriff nicht in der PMK-Rechts Statistik. Auch in der Anklage, die die Staatsanwaltschaft Halle mittlerweile erhoben hat, fehlen Rassismus und Homophobie als Tatmotive. www.mobile-opferberatung.de
Stralsund, 21.05.2020: Eine Gruppe von fünf Rechten greift nach rassistischen Beleidigungen einen Geflüchteten aus Somalia an und schlägt ihn bewusstlos. Dann zerren die Angreifer den leblosen Körper des Betroffenen auf eine viel befahrene Straße. Nur Dank des beherzten Eingreifens eines Zeugen überlebt der Betroffene den Angriff. Obwohl der Betroffene die rassistischen Beleidigungen verstanden und der Ersthelfer die Angreifer als Rechte beschrieben hat, wertet das LKA Mecklenburg-Vorpommern den Angriff nicht als PMK-Rechts Gewalttat. Eine Anklage gegen die polizeibekannten Angreifer gibt es bis heute nicht. www.lobbi-mv.de
Guben, 22.05.2020: Zwei Geflüchtete sind mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Supermarkt, als ein Auto mit überhöhter Geschwindigkeit auf sie zufährt mit frt Absicht, sie anzufahren. Beim Versuch auszuweichen, verletzt sich einer der Geflüchteten. Dann legt der Autofahrer den Rückwärtsgang ein und versucht erneut, die Geflüchteten anzufahren. Kurze Zeit später versucht der Autofahrer einen dritten Geflüchteten anzufahren. Die Amokfahrt endet erst, als das Auto des Angreifers sich am Bürgersteig verkantet. Die Täter flüchten zu Fuß und werden kurze Zeit später gefasst. Einer von ihnen wird der rechten Szene zugeordnet. Eine Anklage ist bis heute nicht erhoben. Das LKA Brandenburg wertet den Fall nicht als PMK-Rechts Gewalttat. www.opferperspektive.de
Dresden, 30.08.2020: Bei einer Open-Air-Technoparty in der Dresdener Heide mit vielen Besucher*innen aus der alternativen Szene beleidigt ein 16-jähriger Rechter zunächst eine Besucherin rassistisch und zeigt den Hitlergruß. Dann sticht er mit einem Messer auf einen jungen Mann und eine jungen Frau ein und verletzt beide lebensgefährlich. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat inzwischen Anklage wegen zweifachen versuchten Mordes erhoben, sieht jedoch kein rechtes Tatmotiv. Das LKA Sachsen führt den Angriff nicht als PMK-Rechts Gewalttat. www.raa-sachsen.de/support/beratung
13.06.2020, Coburg: Am Goldbergsee greifen drei Männer eine syrische Familie mit Kleinkindern an. Mit der Drohung „Ich steche euch ab, ihr K***[rassistisches Schimpfwort]!” schlägt der Haupttäter so brutal mit einer Metallstange auf den Kopf des Familienvaters, dass dieser dauerhaft den Großteil seines Hörvermögens verliert. Obwohl die Staatsanwaltschaft von einer rassistisch motivierten Tat ausgeht und Rassismus im Plädoyer hervorhebt, hält das Amtsgericht Coburg das Angriffsmotiv für ungeklärt und verurteilt den Angreifer wegen Körperverletzung zu einer 16-monatigen Haftstrafe. Das LKA Bayern führt den Angriff nicht als PMK-Rechts Gewalttat. www.bud-bayern.de
Esens, 20.07.2020: Am Abend des 20. Juli 2020 wird ein somalischer Familienvater unvermittelt vom Gastgeber einer privaten Party mit einem umgebauten Luftgewehr bedroht und dann durch Schüsse lebensgefährlich verletzt. Der Betroffene verliert einen Teil seiner Lunge und muss intensivmedizinisch behandelt werden. Das Landgericht Aurich verurteilt den 29-jährigen Täter, der Mitglied rechtsextremer Chatgruppen war und in seiner Wohnung Schwarzpulver gehortet hatte, im März 2020 zu 9,5 Jahren Haft wegen versuchten Mordes und benennt Rassismus und Ausländerfeindlichkeit als Tatmotive. Dennoch wird der Fall vom LKA Niedersachsen bislang nicht als PMK-Rechts Gewalttat genannt. https://betroffenenberatung.de/
Antifaschistischer Protest laut und sichtbar gegen die Brandenburger AfD in Frankfurt (Oder)
Am vergangenen Samstag kam die Brandenburger AfD in Frankfurt (Oder) zu einem Parteitag zusammen, um ihre Kandidat_innen für die kommende Bundestagswahl zu bestimmen. Die Teilnehmenden wurden an der Zufahrt zum Olympiastützpunkt, wo der Parteitag in der Brandenburghalle stattfand, von einem breiten antifaschistischen Bündnis „begrüßt“.
Nach langem Hin und her wegen des zunächst nicht ausreichenden Hygeniekonzepts konnte der Parteitag des stark vom angeblich aufgelösten „Flügel“ beeinflussten Landesverbands nun doch in Frankfurt (Oder) stattfinden. Ursprünglich wollte der austragende AfD-Stadtverband um den Bundespolizisten Wilke Möller eine Genehmigung für 700 Delegierte durchsetzen, scheiterte aber an der Stadtverwaltung, die nur 500 genehmigte, was vom Verwaltungsgericht später bestätigt wurde. Für die unter hohem Polizeiaufgebot geschützte Parteiversammlung hätten sich die Verantwortlichen juristische Auseinandersetzungen auch sparen können. Am Ende waren nicht einmal 300 Menschen in der Halle.
Direkt an der Zufahrt zum Sportgelände an der Kieler Straße kamen rund 250 Antifaschist_innen zusammen, um gegen den Parteitag der extrem rechten Partei zu demonstrieren. Aufgerufen hatte das Frankfurter Bündnis „Kein Ort für Nazis“, welches von zahlreichen Initiativen und Parteien aus ganz Brandenburg unterstützt wurde. Auch das Berliner Bündnis „Kein Raum der AfD“, die das Wochenende zuvor gegen den Berliner AfD-Parteitag im havelländischen Paaren am Glien demonstrierten, mobilisierten an die Oder. In mehreren Redebeiträgen wurde auf die Gefährlichkeit der Partei im Land hingewiesen. Mit regelmäßigen Anfragen zu linken und alternativen Projekten im Landtag versucht die unter dem Rechtsextremen Christoph Berndt geleitende Fraktion diese unter Druck zu setzen und ihre Finanzierung in Frage zu stellen. Aber auch auf lokaler Ebene versucht die extrem rechte Partei ihre Strategie umzusetzen. In Frankfurt geriet so der Verein Utopia unter Druck. Einer der Stichwortführer des Prinzips der Rückgewinnung kultureller Hegemonie ist der Neonazi Andreas Kalbitz. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende ist nach wie vor der Teil der Fraktion im Landtag und es gibt kaum Anschein, dass sich seine ehemaligen Parteikameraden von ihm distanzieren wollen. Das frühere HDJ-Mitglied Kalbitz hatte vor kurzem sogar versucht sich als Direktkandidat in Südbrandenburg aufstellen zu lassen.
Gewählt wurde er dieses Wochenende nicht, dafür aber der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. Eine deutliche Mehrheit der Anwesenden wollte ihn auf Listenplatz 1 sehen. Der Höcke-Vertraute wolle es noch einmal wissen und auch der nächsten Bundestagsfraktion angehören. Verhindern wolle er damit wahrscheinlich einen zu großen Einfluss des nur wenig radikaleren rechtskonservativen Flügels um Jörg Meuthen, der als Gaulands Widersacher gilt.
Die Brandenburger AfD tagte nach 2017 nun zum zweiten Mal in der Brandenburghalle. Da die AfD im Stadtparlament sitzt, stehen ihr öffentliche Räume zu. Der Widerstand dagegen wird fast ausschließlich von parteiunabhängigen Initiativen geführt, die in der Vergangenheit auch auf verfassungsfeindliche Äußerungen lokaler AfD-Akteur_innen hingewiesen haben. Inzwischen soll es Überlegungen in der Parteizentrale der Rechtsnationalen geben, ihren nächsten Bundesparteitag in Frankfurt (Oder) stattfinden zu lassen.
Wenn es dazu kommen sollte, wird es auch dagegen zu verschiedenen Protesten kommen, ist sich ein Sprecher von „Kein Ort für Nazis“ gegenüber Inforiot sicher. Der Austragungsort musste im Übrigen noch bis kurz vor Eintreffen der ersten AfD-Mitglieder gereinigt werden. Der Eingangsbereich war zwei Tage zuvor großflächig mit Anti-AfD-Parolen verschönert worden.
Rainer Thiel ist Fraktionsvorsitzender der AfD in Strrausberg und Kreistagsabgeordneter in Märkisch-Oderland – und befördert mit seinen Facebook-Posts rechte Umsturzpläne. Dem Jahreswechsel im Lock-Down sieht er frohlockend entgegen: „Bis dahin braut sich einiges zusammen warten wir es ab, wenn dann knallt es richtig“ (sic). Hiermit sind keine Böller und Raketen gemeint, sondern ein „Volksaufstand“. Damit spielt er auch auf die rechten und von Corona-Leugner*innen wie “Querdenken” geplanten Demonstrationspläne an Silvester in Berlin an, die aufgrund des aktuellen Shut-Down verboten worden sind, und doch weiterhin mobilisieren. Rainer Thiel war auch bei der bundesweiten Großdemonstration am 29.08.20 in Berlin, als von Coronaleugner*innen und Neonazis versucht wurde, das Reichstagsgebäude zu stürmen.
Thiels Auftreten in den Sozialen Medien ist geprägt durch eine abstruse Mischung auf rechter Propaganda, Urlaubserlebnissen und übergriffigem Verhalten. Mehrfach belästigte er bei Facebook junge Frauen* mit sexualisierten Postings. Zusätzlich betreut er die Facebook-Seite des AfD-Ortsverband Strausberg i.G., welche jedoch hinter dem aggressiven Massenpostings anderer AfD-Seiten zurückbleibt und eher wie ein unregelmäßig erscheinender Newsletter wirkt.
Auf seiner Facebookseite schwadroniert der AfD-Lokalpolitiker mit einigen seiner virtuellen FreundInnen über den Umsturz in der Bundesrepublik. Dass rechte Netzwerke den Sturz der Regierung planen oder sich auf den Tag X vorbereiten ist nichts Neues. Erst in der letzten Woche wurden ein großes Waffenarsenal in Österreich beschlagnahmt, mit dem eine rechte Miliz in Deutschland aufgebaut werden sollte – so der Verdacht. „Fordern Politiker*innen, die auf Basis demokratischer Wahlen in ihr Amt gekommen sind, ihre Anhänger*innen öffentlich zum Umsturz auf, werden auch weiterhin Waffenfunde, die „Entdeckung“ rechte Netzwerke und Morde durch Rechtsextremisten an der Tagesordnung stehen. Politiker der AfD sind – wie eh und je – geistige Brandstifter. Gerade in den ostdeutschen Bundesländern zeigt sich hier der Einfluss des völkischen Flügels.“ so Roya Toulany, Pressesprecherin des antifaschistischen Bündnis “Kein Acker der AfD”. „Wenn sich Mitglieder der AfD immer noch fragen, warum sie in Brandenburg als rechtsextrem eingestuft werden, können wir nur empfehlen, einen Blick auf die Kommunikationskanäle der KommunalpolitikerInnen zu werfen.“
Die AfD Brandenburg stellte am 29.10.2020 eine Anfrage im Brandenburger Landtag zu den „linksextremistischen Verbindungen des Utopia e.V. in Frankfurt (Oder)“.
Im Jahr 2020 in dem die Zahl rechtsextremer Morde auf einem neuen Höchststand angekommen ist. In dem sich innerhalb der AfD die Gruppe des „Flügel“ wegen extrem rechter Machenschaften auflöst. In dem die bundesweite Jugendorganisation, der AfD, „JA“ ebenfalls als erwiesenermaßen rechtsextrem behandelt wird und der brandenburgische Landesverband der AfD trotz Rauswurf des Neonazis Andreas Kalbitz die parlamentarische Stimme der extremen Rechten bleibt. Julian Meyer, Sprecher des Utopia e.V. sagt dazu: „Es ist gleichzeitig voraussagbar und unfassbar, wie eine extrem rechte Partei versucht durch parlamentarische Anfragen unsere Arbeit als Träger*in der Freien Jugendarbeit in Frankfurt (Oder) zu diskreditieren. Gerade in Zeiten der Pandemie mit den dazugehörigen Einschränkungen ist Jugendarbeit und das Ermöglichen von Freiräumen existentiell wichtig.“
Die AfD stellt systematisch in Parlamenten Anfragen zu demokratischen Vereinen und Institutionen der Zivilgesellschaft. So stellte die AfD in Brandenburg in diesem Jahr schon Anfragen zum Beratungsnetz „Tolerantes Brandenburg“ [1], dem Bildungs- und Kulturort Freiland in Potsdam [2] und auch schon zur Schüler*innengruppe „Fridays for Future“ in Frankfurt (Oder) [3].
In einem Antrag mit ähnlicher Absicht der AfD zu den Falken Brandenburg, in der eine Rückzahlung der Fördergelder gefordert wird, zeigt deutlich das eigentliche Ziel der Partei [4]. Julian Meyer meint dazu: „Wir als kleiner ehrenamtlicher Verein haben dadurch einen erhöhten Verwaltungsaufwand sowie schwierigere Förderbedingungen, müssen viel mehr Elternarbeit leisten und sehen uns direkt bedroht“.
Antidemokratische Tendenzen und Verbindungen zur extremen Rechten wurden der AfD auf Bundesebene [5], Brandenburger Landesebene [6] und auch dem Frankfurter Stadtverband [7] schon mehrfach nachgewiesen. Julian Meyer ergänzt dazu weiter: „Es ist nicht neu, dass die AfD durch Angriffe auf die demokratische Zivilgesellschaft versucht ihre Macht auszubauen. Rassistische, nationalistische und patriarchale Kernelemente existieren bereits seit der Gründung der AfD“.
Derweil scheint die AfD ihren antidemokratischen Kurs weiterzuführen. Nach dem Rauswurf des Neonazis Andreas Kalbitz, der neben Daniel Freiherr von Lützow und Wilko Möller Verfasser der Anfrage war, wählte die AfD nun den nächsten Faschisten, Hans-Christoph Berndt, zum Vorsitzenden. Dieser gelang in der extremen Rechten in den letzten Jahren zu Ruhm durch die Gründung und Leitung des rassistischen Vereins Zukunft Heimat. Julian Meyer stellt dazu abschließend fest: „Wir erkennen hier eine Kontinuität extrem rechte Positionen innerhalb einer Partei, die in sämtlichen Parlamenten sitzt. Antifaschistische, demokratische Werte, wie die der Emanzipation, der Gleichberechtigung, der Menschenrechte und der Solidarität stellen für diese Partei offensichtlich Feindbilder dar.“