Die Corona-Proteste in Cottbus sind die größten im Land Brandenburg und gehören zu den bestorganisierten. Sie gelten in anderen Orten als Vorbild. Deutlicher noch als anderswo sind die Cottbuser Demonstrationen von Rechtsextremen dominiert: das Bündnis aus AfD, dem Verein Zukunft Heimat, Neonazis und Adepten der „Identitären“ haben die Protest-Regie bisher fest unter ihrer Kontrolle. Noch immer gibt es wöchentlich Demonstrationen mit einer hohen dreistelligen Anzahl an Teilnehmer*innen.
Dem Gesamtbild der Cottbuser Proteste soll hier ein wichtiges Puzzlestück hinzugefügt werden: Die größte Telegramgruppe für die Coronaproteste wird von einem Hardcore-Antisemiten administriert. Erst im Dezember hatte es einen grausamen, antisemitisch motivierten Vierfachmord in Königs Wusterhausen gegeben – der Täter war ein „Querdenker“ und in einschlägigen Telegramkanälen unterwegs [1]. Vor diesem Hintergrund sollte die Reichweite antisemitischer Hetze in den Kommunikationskanälen Brandenburger Coronaproteste besondere Aufmerksamkeit erfahren. Darum: Blicken wir auf den Cottbuser Telegram-Administrator Heiko Kolodzik.
Nachdem im Dezember der lokale AfD-Vorsitzende Jean-Pascal Hohm dazu aufrief unangemeldet zu demonstrieren [2] verbreitete sich im Januar der Link zur Telegram-Gruppe „Widerstand Cottbus“ in der Szene. Die Gruppe wuchs innerhalb von nur zwei Wochen auf über 1.000 Mitglieder. Vorrangiges Ziel ist sich intern auf der Straße zu koordinieren.
Der Admininstrator „reißzahn“ brachte mit dem Kanal nicht nur die Spaziergänger miteinander ins Gespräch, sondern nutzte ihn auch als eigenes Sprachrohr. Schon nach wenigen Tagen begann er Schreibrechte für die Gruppenmitglieder einzuschränken, weil er befürchtete, dass seine „Wahrheit“ zwischen den hunderten anderen Nachrichten untergeht. Zwischenzeitlich ist er fast der einzige, der dort noch regelmäßig schreiben darf, dafür in einer hohen Frequenz. Inhaltlich geht es bei den Posts von „reißzahn“ um die „Corona-Giftspritze“ und die „BRD-Besatzung“, ihre „Söldner“ usw.. Er sieht sich und seine Mitstreiter*innen in einer Art Endkampf auf Leben und Tod. Es ist ein verschwörungsideologisches Potpourri, wie es für Brandenburger Corona-Protestkanäle auf Telegram nicht untypisch ist.
Der Admin „reißzahn“ verweist immer wieder auf die Telegram-Kanäle “CoronaWahnArchiv“, „ImpfWahn“ und „BRD-Besatzer-Politik“ deren Inhalte darauf hindeuten, dass diese ebenfalls von ihm selbst verwaltet werden. Auf allen diesen Kanälen finden sich PDF-Dokumente aus der Feder des Cottbuser Finanzberaters Heiko Kolodzik. Am 18. Januar postete „reißzahn“ ein Foto aus der Perspektive des Firmenbüros von „Kolodzik & Kollegen“ am Altmarkt. Am 31. Januar verbreitete „reißzahn“ dann ein PDF mit einem Widerspruchsschreiben gegen eine polizeiliche Verbotsverfügung – dessen Urheber ebenfalls „Heiko“ heißt. So wird nachvollziehbar: Admin „reißzahn“ ist Heiko Kolodzik.
Heike Kolodzik ist ein Antisemit mit nationalsozialistischer Schlagseite. Schon oberflächliche Suchen im Internet zeigen dies. Heiko Kolodzik verbreitet unter seinem vollen Namen und auch im Namen seines Unternehmens ultra-antisemitische Inhalte bis hin zu Holocaust-Leugnung. Er bezieht sich in seinen kruden Texten positiv auf die Nazi-Ideologie, beispielsweise auf die Schrift „Kampf gegen die Hochfinanz“ des Nazi-Wirtschaftstheoretikers Gottfried Feder. Auf YouTube und dem Portal Odysee verbreitet er krude selbstproduzierte Videos.
Dass jemand mit Firmensitz in bester Cottbuser Altstadtlage auf seiner Homepage offenbar seit Jahren Inhalte verbreitet, die sogar strafrechtlich relevant sein könnten, zeigt, wie fest rechte Strukturen in Cottbus verankert sind und wie sicher sie sich fühlen können. Kolodzik ist aktuell Geschäftsführer der HIH Wertholz GmbH, die mit Holz handelt. Bis 2020 hatte er die gleiche Funktion bei der HWA Hanseatische Werte GmbH in Hamburg inne. Die zugehörigen Adressen in Hamburg und am Altmarkt in Cottbus sind auch als Büros auf den Webseiten kolodzik.de und risk-management.org angegeben.
Kolodziks politische Biografie ist mit der AfD verbunden. Nach der Gründung der Partei in Cottbus war Kolodziks Büro 2013 die Adresse des ersten lokalen Parteisitzes. Kolodziks selbst war Leiter der Gründungsversammlung und zählt somit zur Gründungsgeneration der AfD [3]. 2014 trat er aus der Partei allerdings aus, weil er sich nach eigener Aussage zu den „Zuständen in Gaza“ nicht frei genug äußern könne [4]. Auch in der aktuellen Telegram-Gruppe zeigt „reißzahn“ ein ambivalentes Verhältnis zur AfD. Einerseits werden die Aktionsaufrufe der Partei und der mit ihr assoziierten Gruppen verlässlich verbreitet. Auf der anderen Seite wird von „reißzahn“ und anderen auch AfD-Kritik geäußert. Die Partei sei zu systemkonform und angepasst. Wahrhaft revolutionär seien nur unangemeldete Versammlungen im Gegensatz zur taktischen Flexibilität der AfD in dieser Frage.
In der „Widerstand Cottbus“ ‑Gruppe gibt es zahlreiche personelle und organisatorische Schnittmengen zur örtlichen AfD. Mit-Administrator ist der Senftenberger AfD-Abgeordnete Matthias Stein. Bei der Landtagswahl 2019 scheiterte dieser nur knapp dabei, ein Direktmandat zu erringen [5]. Bei Telegram posiert Stein mit dem SS-Symbol der Schwarzen Sonne. Auch AfD-Kreischef Jean-Pascal Hohm erteilte am 18. Januar taktische Ratschläge: „Einfach nicht so viel Zeug schreiben, was einem auf die Füße fallen kann“. Zumindest Heiko Kolodzik beherzigt diesen Tipp nicht.
Diese Telegram-Gruppe dient der AfD und ihren Aktionen in Cottbus als Vergrößerung ihres Resonanzraums. Für einen Antisemiten wie Heiko Kolodzik sind die aktuellen Corona-Proteste ein Glücksfall: im sozialen Nahraum seiner Heimatstadt schenkt ihm im Zuge der aktuellen Mobilisierungen ein Publikum Aufmerksamkeit, dass eine vierstellige Größe hat. Sein Fall zeigt , dass auch härtester Rechtsextremismus in der Spaziergänger-Szene auf keinen Widerspruch mehr trifft. Die Fanatisierung bis hin zu brutalsten Gewalttaten, wie in Senzig, verläuft in Cottbus weiter ungebremst.
[1] https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/02/bmi-antisemitismus-koenigs-wusterhausen-mord-senzig-brandenburg.html
[2] https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/anti-corona-demos-in-cottbus-warum-die-afd-nach-einer-neuen-protest-strategie-sucht-61575063.html
[3] https://www.lr-online.de/nachrichten/die-lausitzer-und-die-alternative-fuer-deutschland-35282308.html
[4] https://www.lr-online.de/nachrichten/cottbuser-afd-mitbegruender-verlaesst-enttaeuscht-landespartei-36016048.html
[5] https://www.lr-online.de/lausitz/senftenberg/wahlanalyse-fuer-oberspreewald-lausitz-und-senftenberg-einzig-roick-kann-afd-die-stirn-bieten-39643717.html