Für einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik: Keine selektive Solidarität
Gemeinsam mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen und Olaf Jansen, Leiter der Zentralen Ausländerbehörde, hat der Flüchtlingsrat Brandenburg heute die Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt besucht.
Wir begrüßen, dass aus der Ukraine fliehende Menschen großzügig aufgenommen und versorgt werden. Gleichzeitig kritisieren wir die aktuelle Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Geflüchteten. Die aktuelle Situation muss jetzt Anstoß sein für einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik.
Wir fordern:
1) Verbesserung von Aufnahmebedingungen für alle Geflüchteten
Das deutsche Asylsystem steht seit langem für Abschreckung, Isolation und Entmündigung. Die Mehrheit derjenigen, die jetzt aus der Ukraine fliehen, erhalten hier temporären Schutz. Damit bleibt ihnen ein langwieriges Asylverfahren samt seinen Gängelungen erspart. Die aktuelle Situation zeigt, dass vieles möglich ist, wenn es politisch gewollt ist. Die Aufnahmebedingungen müssen nun für alle Schutzsuchenden verbessert werden:
„Wir fordern die Abschaffung des sog. Asylbewerberleistungsgesetzes, die freie Wahl des Wohnorts und dezentrale Unterbringung, eine Ende von Beschäftigungsverboten und einen umgehenden Ausbau von Beratungsangeboten und psychosozialer Versorgung. Land und Landkreise müssen sich jetzt vermehrt um dezentrale Unterbringung bemühen, um gesellschaftliche Teilhabe für alle Geflüchteten von Beginn an zu ermöglichen”, so Mustafa Hussien vom Flüchtlingsrat Brandenburg.
2) Aufenthaltssicherung für alle Menschen, die aus der Ukraine fliehen
Der Aufenthalt von allen Menschen, die aus der Ukraine fliehen, muss auch nach dem 23. Mai 2022 gesichert sein, etwa durch Erteilung des vorübergehenden Schutzes nach § 24. Für internationale Studierende muss mindestens die Übergangszeit verlängert werden, damit diese ausreichend Zeit haben, sich neu zu orientieren und ggf. um die Fortsetzung ihres Studiums in Deutschland oder in einem anderen Staat der Europäischen Union zu bemühen.
Darüber hinaus sollte das Brandenburger Innenministerium sicherstellen, dass die politisch getroffenen Entscheidungen von den lokalen Ausländerbehörden auch tatsächlich umgesetzt werden. Uns erreichen Berichte über Diskriminierungen von Personen, die zwar nach geltenden Regeln einen Anspruch auf „temporären Schutz” hätten, aber als Drittstaatsangehörige dennoch zum Stellen von Asylanträgen oder sogar zur Ausreise aufgefordert werden.
3) Schutzsuchende aus anderen Ländern evakuieren
Wir haben Außenministerin Annalena Baerbock aufgefordert, sich gegenüber der polnischen Regierung für die Freilassung von in geschlossenen Einrichtungen inhaftierten Geflüchteten einzusetzen und pushbacks an der polnisch-belarussischen Grenze scharf zu verurteilen. Die wenigen Geflüchteten aus dem Grenzgebiet sollten in der EU aufgenommen werden. Die Evakuierung von Schutzsuchenden aus anderen Ländern wie beispielsweise Afghanistan und Libyen muss ebenfalls dringend verstärkt bzw. begonnen werden.
„Es ist gut, dass ukrainischen Geflüchteten mit den neuen EU-Regelungen viele der Zumutungen des deutschen Asylsystems erspart bleiben. Gleichzeitig kommen auch sie hier in einem Aufnahmesystem an, dass seit Jahren Geflüchtete entmündigt und kontrolliert. Erleichterte Aufnahmebedingungen, auch über die Ukraine hinaus, wären ein wichtiges Signal gegen die rassistische Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Geflüchteten”, so Mara Hasenjürgen vom Flüchtlingsrat Brandenburg.