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Antifaschismus

Abholen ohne einzuholen…

Manch­mal ver­spricht man jeman­den abzu­holen und tut es dann doch nicht. Stattdessen wird aus dem „abholen“ ein „vor­beikom­men“. Bei Freund_innen, Genoss_innen oder anderen net­ten Men­schen ist das, geset­zt den Fall sie hal­ten sich an net­tem Orte auf, auch manch­mal ver­dammt fein. Wer kommt aber auf die Idee, den Stammtis­chdik­ta­tor von nebe­nan oder den Sieben-Bier-KZ-Wärter (Das sind Leute, die nach sieben Bier ihre gaaanz autoritäre Ader ent­deck­en.) abzu­holen? Oder schlim­mer, sich im Lokal zu ihm zu setzen?
Der Kam­pagne „Keine Stimme den Nazis“ ist das mit dem dableiben an stelle des Abholens wohl verse­hentlich auch passiert. Dabei klang die Grundüber­legung der let­zten Kampagnenzeitung
“Speziell”
eigentlich sehr vernün­ftig. “Man muss die Leute da abholen, wo sie ste­hen” (Vgl. TAZ vom 28.8.2008) war die Aus­sage von Kim Som­mer, die sich als Press­esprecherin des Bünd­niss­es vorstellte. Dage­gen kann kein­eR was sagen. Die Unsitte viel­er link­er Pub­lika­tio­nen, dass man zum Ver­ständ­nis min­destens den jew­eils aktuellen akademis­chen Jar­gon draufhaben muss, etwas ent­ge­genset­zen, ist dur­chaus ehren­wert. Auch Schach­tel­sätze müssen nicht immer sein. 
Wenn man die Zeitung dann aber in der Hand hält, merkt man, dass hier eine ganz andere Tinte im Füller war. Auf Seite eins wird man in Schrift­größe 100 ange­brüllt: „Vor­sicht Abzock­er“ und „NPD: Betrüger, Schläger, Krim­inelle“. Woher ken­nt man das? Ach genau – von der Bild-Zeitung und von der NPD. Nun ist das Prob­lem von Argu­menten aus dieser Ecke aber nicht, dass sie ein­fach nur die falsche Seite ver­wen­det. Sie sind auch inhaltlich falsch. Die Form ist sozusagen auch der Inhalt. Dass jemand „vom Knast direkt“ in den Vor­stand ein­er Partei kommt, (Speziell, S. 5 über den Nazi Michel Müller aus Rathenow) ist an sich kein Skan­dal. Dass jemand Ras­sist ist, dass jemand den Nation­al­sozial­is­mus ver­her­rlicht und seine Opfer ver­höh­nt, dass jemand, wie Michel Müller jahre­lang bru­tal­ste Über­griffe bege­ht, ist ein Skan­dal. Eine Vorstrafe an sich, ist es nicht. 
Was man der Zeitung zu Gute hal­ten kann, ist, dass sie nicht allein mit Appellen ans Ressen­ti­ment ver­sucht die Nazis madig zu machen. Im Innen­teil geht es zum Teil dur­chaus auch um wichtige The­men: Ras­sis­mus, Armut, Strate­gien gegen Nazis. Das Prob­lem: auch hier sind die Argu­men­ta­tio­nen so schlicht, dass sie zumin­d­est anschlussfähig für Diskurse aus der ganz falschen Ecke sind. Wenn gegen Ras­sis­mus vor allem mit dem Argu­ment ins Feld gezo­gen wird, dass „Aus­län­der als Fir­men­grün­der“ (S. 4) tätig sein, „Nazi-Gewalt […] dem Touris­mus“ schadet (S. 6) oder behauptet „Aus­län­der schaf­fen Arbeit­splätze.“ Nur was heißt das denn im Umkehrschluss? Gegen „nüt­zliche Aus­län­der“ hat in Bran­den­burg doch noch nicht ein­mal die NPD etwas. Nicht umson­st hat sich die BNO von ihr abges­pal­ten, nach dem ein Mann bosnis­ch­er Herkun­ft als NPD-Kan­di­dat für die Europawahl kan­di­dierte. (Vgl: NPD Kreisver­band Prig­nitz-Rup­pin aufgelöst
) Der mod­erne Ras­sist behauptet nicht umson­st, dass er zunächst die krim­inellen, schla­gen­den, betrügerischen „Aus­län­der“ loswer­den will. Ooops – das hat­ten wir ja schon. Zumin­d­est ALB und [ sol­id] waren glaube ich schon mal weit­er in ihrer Kri­tik. Ein Ras­sis­mus, der auch den ökonomis­chen Nutzen oder sozial kon­formes Ver­hal­ten mit ein­bezieht, ist immer­noch Rassismus.

Ein weit­eres Prob­lem: die Zeitung will uns vor­ma­chen, dass es eigentlich einen bre­it­en antifaschis­tis­chen Kons­es in Bran­den­burg gäbe. Über Hen­nigs­dorf heißt es: „Eine Stadt wehrt sich gegen rechts,“ gemeint ist, dass es hier offen­bar ein großes Bünd­nis gegen den örtlichen Naziladen gibt. Das ist ehren­wert, aber das bedeutet eben noch nicht, dass rechte Ein­stel­lun­gen im Ort mar­gin­al wären. Die 4,12 %, die Schill­partei und NPD bei der let­zten Wahl bekom­men haben, sind nicht so viel wie in anderen Gemein­den, sie sind aber auch nicht ger­ade neben­säch­lich. Auch die „skan­dalösen Bedin­gun­gen“ unter denen Flüchtlinge leben, will nicht nur „der Staat so,” (S. 5) son­dern lei­der auch viele Bürger_innen. (Zur Erin­nerung, das Sach­leis­tung­sprinzip wurde in Bran­den­burg von der „Mut­ter Courage des Ostens“ – der all­seits beliebten SPD-Poli­tik­erin Regine Hilde­brandt eingeführt.)

Auch wenn das Ziel ver­mut­lich ist, nie­man­den zu ver­prellen und alle anzus­prechen — diejeni­gen, die so richtig auf autoritäre Posi­tio­nen, wie sie im Blatt imi­tiert wer­den, abfahren, entschei­den sich im Zweifel dann doch lieber für das Orig­i­nal. Die Leute, die man aber ansprechen kön­nte – und davon gibt es in Bran­den­burg so wenige auch nicht, wer­den durch diese Zeitung im Zweifel düm­mer, nicht schlauer. (Auf Seite 2 wer­den ja ger­ade Men­schen vorgestellt, die nicht dem typ­is­chen Klis­chee vom Antifa entsprechen und sich trotz­dem gegen Nazis zur Wehr set­zen.) Man kann nur hof­fen, dass diese Leute kein einziges Argu­ment aus der Zeitung übernehmen. 
Vielle­icht liegt aber auch genau hier das Prob­lem. Offen­bar hal­ten die Macher_innen der Zeitung alle Men­schen, die nicht aus ihrer Szene stam­men für so beschränkt, dass sie eben nur Form und Inhalt der Bildzeitung ver­ste­hen. Vielle­icht macht es Sinn sich bevor man sich dem Ressen­ti­ment der Anderen wid­met, die eige­nen Ressen­ti­ments zu befra­gen. Dann kann man die richti­gen Leute abholen und die Falschen da lassen, wo sie sind.

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