Die Familie Kutlu aus Neuruppin ist kein Einzelfall. Denn es gibt rund 50000 Menschen, die wie sie nur mit kurzfristigen Duldungen in der BRD leben, obwohl sie sich bereits seit zehn Jahren oder länger hier aufhalten. Sie müssen Monat für Monat, manchmal sogar alle zwei Wochen, um ihren Aufenthalt in Deutschland bangen. Die Kutlus könnten zum 31. März abgeschoben werden. Doch Einwohner der Fontanestadt stemmen sich gegen die Abschiebung der türkisch-kurdischen Familie.
Vor zehn Jahren sind die Kutlus wegen politischer Verfolgung nach Deutschland geflohen. Die Eltern, Celal und Fatma Kutlu, und ihre vier Söhne sind inzwischen echte Neuruppiner geworden. »Die Familie ist fest integriert und kümmert sich nach ihren Möglichkeiten um ihre Existenzsicherung«, erklärte die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Kirsten Tackmannn, gegenüber jW. Rund 5000 Bürger der 30000-Einwohner-Stadt haben mit ihrer Unterschrift ein Bleiberecht für die Familie gefordert. Seit Mitte 2005 bemühen sich ein Unterstützerkreis, dem Politiker mehrerer Parteien angehören, und das Aktionsbündnis »Kutlu bleibt« um Öffentlichkeitsarbeit.
Der Familie wurde schon im September 2002 erstmals die zwangsweise Ausreise angedroht. Seitdem leben die Kutlus in ständiger Angst. Nachdem das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ihre Klage abgewiesen hat und in der brandenburgischen Härtefallkommission im Juni 2005 nicht die nötige Zweidrittelmehrheit für die Kutlus zustande kam, kann jetzt fast nur noch der Landrat Christian Gilde (SPD) eine Abschiebung verhindern.
Tackmann nahm deshalb am Freitag gemeinsam mit der migrationspolitischen Sprecherin ihrer Fraktion, Sevim Dagdelen, an einem Gespräch mit Gilde teil. Die Abgeordneten forderten den Landrat auf, seinen Spielraum zu nutzen. Auch bundespolitische Diskussionen sprächen für eine weitere Duldung der Familie, denn eine Lösung für seit langem geduldete Familien scheint in Sicht zu sein. »Es wäre katastrophal, wenn man die Familie jetzt voreilig abschieben würde«, so Dagdelen gegenüber jW.
Der Landrat klammert sich jedoch an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und hofft auf eine freiwillige Ausreise der Familie. Zugleich machte er klar, daß er »keine Tatsachen« schaffen wolle, falls der Fall erneut vor die Härtefallkommission kommen sollte. Die brandenburgische Ausländerbeauftragte Almuth Berger bemüht sich derzeit darum. Man könne jedoch noch nicht sagen, »ob und wann der Fall noch mal verhandelt wird«, sagte Berger auf Nachfrage von jW.
Eine Abschiebung hätte fatale Folgen für die Familie. Die Mutter Fatma und der jüngste Sohn sind gesundheitlich angeschlagen. Die jüngeren Söhne sprechen besser Deutsch als Türkisch; ihre türkische »Heimat« kennen sie praktisch nicht. Dem Vater drohen wegen seiner politischen Aktivität Gefängnis und Folter.
Von Mehmet Ata