FRANKFURT/ODER Rund 200 AktivistInnen und Gäste waren am Montag bei der Abschlußveranstaltung der Aktion Analyse im Rathaus Frankfurt/Oder zugegen. Die Ergebnisse der Arbeit eines dreiviertel Jahres aus den elf lokalen Initiativen wurden präsentiert und prämiert. Die Laudatio teilten sich Anetta Kahane (Amadeu-Antonio-Stiftung), Karl Diefenbach (Aachener Friedenspreis) und Germ (Brothers Keepers). In Redebeiträgen wurde kritisiert, dass sich seit dem Antifasommer 2000 nichts grundlegendes in den Brandenburger Gemeinden und Kommunen geändert hat. Zudem hätte die Landesregierung die Situation der Flüchtlinge durch Verschärfung diskriminierender Regelungen weiter verschlechtert. Partizipatorische, demokratische und antirassistisch engagierte Basisinitiaiven würde immer weniger finanzielle Untertützung zuteil kommen, an ideller Rückendeckung offizieller Stellen mangelte es sowieso seit eh und je. Insgesamt sei die Aktion Analyse — der Nachfolger der Aktion Noteingang — ein voller Erflog gewesen, lautete das Fazit der AktivistInnen.
Die beeindruckenden Arbeitsergebnisse der Aktion-Analyse-Gruppen sind unbedingt lesenswert. Im Netz sind sie unter
folgender Adresse zusammengefasst abrufbar:
Ein Videozusammenschnitt der Abschlussveranstaltung sowie die Filmbeiträge aus den einzelenen Städten — allesamt von hervorragender Qualität — sind beim Umbruch Bildarchiv anzuschauen:
Interviews und Mitschnitte der Beiträge kannst du dir als Audiodateien beim Antifa-Schulnetz Cottbus herunterladen und anhören:
media.asncottbus.org
aktion-analyse.org
Hier noch ein Artikel aus der linken Zeitschrift “Analyse und Kritik” mit Hintergründen und Konzepten der Aktion Analyse:
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Trotz Schwierigkeiten: Antirassistische Jugendarbeit ist möglich
(Analyse und Kritik) Die Vernetzung von politischen AktivistInnen in einem Flächenland wie
Brandenburg stellt eine permanente Herausforderung dar. Sie ist umso
größer, wenn Vernetzung nicht nur Selbstzweck ist, sondern eine
praktische Zusammenarbeit in überregionalen Kampagnen und Initiativen
zum Ziel hat. Eine solche Vernetzung realisiert das Demokratische Jugend
Forum Brandenburg (DJB e.V.) seit etlichen Jahren mit unterschiedlichsten
Aktions- und Organisationsformen.
Nachdem die AktivistInnen 1998/ 99 eine massives Ablehnung ihres
Engagements im Rahmen der “Aktion Noteingang” durch die Kommunen erfahren
hatten, setzte mit dem “Sommer der Betroffenheit” im Jahr 2000 eine
Trendwende ein. Es ließ sich feststellen, dass inzwischen alle
vernommen hatten, dass Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft kommt.
Allerdings wollte niemand es gewesen sein und die politisch
Verantwortlichen lagerten die Verantwortung aus: Alle sollen mehr
Zivilcourage zeigen. Aus dieser Situation heraus bildeten sich allerorts
Bürgerbündnisse “gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit”, das
Land Brandenburg schuf sein Handlungsprogramm “Tolerantes Brandenburg” und
der Bund das Millionen-Förderprogramm “civitas” für Strukturförderung
gegen Rechts.
Schnell wurde klar, was all diese Institutionen gemein hatten: Wirklich
ernst gemeintes antifaschistisch-antirassistisches Engagement, welches die
wahren Ursachen der angeprangerten Zustände benennt, ist
unerwünscht. Dies wird besonders in der finanziellen Förderpraxis
deutlich. So wurde uns vom Landesjugendamt Brandenburg mitgeteilt, dass es
eine Prioritätenverschiebung in der Förderung gebe und eine Förderung
von Strukturen wie der unseren nach zehnjähriger Förderung keine
Priorität mehr habe. Zudem würden etablierte Träger schon
lange gegen Rechts arbeiten. Nun — wir machen dies nahezu seit der Wende
und ein weiterer Träger, der dies in Brandenburg mit eben solchem
Engagement seit nunmehr elf Jahren und mit gleicher Kompetenz tut, ist uns
nicht bekannt.
In diesem Kontext ist auch die Trendwende in der “civitas”-Förderung zu
sehen. Eine Rückkehr zur “Normalität” erfolgt; denn scheinbar
ist das Problem Rechtsextremismus erfolgreich bewältigt: “Die Zahl
der übergriffe sinkt beständig”; wer das nicht so sehen will,
braucht nicht mehr auf finanzielle Unterstützung zu warten, denn die
Hand, die einen füttere, so wurden wir belehrt, die beiße man
schließlich nicht. Gerade das Anprangern staatlicher Asylpraxis ist
den Verantwortlichen ein Dorn im Auge. Und so werden immer mehr
Anträge abgelehnt, die selbstorganisiertes Handeln Jugendlicher in
Initiativen und Vereinen gegen Rassismus und Rechtsradikalismus fördern
wollen.
Die Motivation der Akteure des “Sommers der Betroffenheit” war eben sehr
unterschiedlich. Manche Einzelpersonen waren ernsthaft daran interessiert,
die Lebensbedingungen von Nicht-Deutschen zu verbessern. Antirassistische
Gruppen wollten die Debatte nutzen, um die rassistische Alltagskultur zu
kritisieren. Die Innen- und SicherheitspolitikerInnen von SPD und CDU
begriffen den Kampf “gegen (Rechts-) Extremismus und Gewalt” jedoch vor
allem als autoritäre Aufrüstung des Staates und somit als Abbau
von Grund- und Bürgerrechten und einer damit einhergehenden weiteren
Diskriminierung von Flüchtlingen.
Aktion Analyse: Research n action
Demzufolge stellte sich uns die Frage: Was haben drei Jahre “Aktion
Noteingang” und ein Sommer voller Betroffenheit verändert? Nach
unserer Meinung hat im Wesentlichen lediglich eine Transformierung des
Blut-und-Boden-Rassismus in einen Rassismus nach Kriterien der
ökonomischen Verwertbarkeit stattgefunden. Doch gerade dies und die
Ergebnisse der “Aktion Noteingang” sind der Grund dafür, neue,
weiterführende Konzepte zu ersinnen. So wurde die Idee der “Aktion
Analyse” geboren.
Wie hat die gesellschaftliche Sensibilisierung in den Kommunen gewirkt?
Was ist aus der Kritik an den diskriminierenden Lebensbedingungen für
Flüchtlinge im Land geworden? Wie ist die Situation für
alternative Jugendliche heute? Was ist also angekommen, vom “Aufstand der
Anständigen” in den Gemeinden und Städten Brandenburgs? Zu
diesen und anderen Fragen haben Jugendgruppen und ‑initiativen aus
zwöf Städten und Gemeinden Brandenburgs im Rahmen der “Aktion
Analyse” recherchiert, analysiert und dokumentiert.
Ziel der Aktion war aber nicht nur eine statistische überprüfung
des Ist-Zustandes, sondern auch das Suchen nach lebendigen und
nachhaltigen Aktionsformen im Kampf gegen Rechtsradikalismus und
Rassismus. Die jeweiligen Herangehensweisen an die Thematik waren sehr
unterschiedlich, einerseits bedingt durch den hohen Grad von gewollter
Selbstorganisierung der Projekte und andererseits durch die Entstehung
neuer antirassistischer Jugendgruppen.
Die antirassistische Kampagne “Aktion Analyse” findet am 1. Juli 2002 mit
der Präsentation der Ergebnisse ihren Abschluss. Erstellt wurden
einerseits umfangreiche Analysen, wie beispielsweise “Rechtsradikalismus
in Eisenhüttenstadt” oder zum Thema Umgang von Schülern mit
Rassismus. Aktionsideen reichen vom Durchführen von
Schulveranstaltungen wie Projektwochen über Demonstrationen bis zum
Konzipieren und Anfertigen eines Brettspiels, das den Prozess des
Asylverfahrens nachzeichnet. Die Dokumentationsformen sind ebenso
vielfältig: Broschüren, Homepages, Kurzfilme und eine
Ausstellung wurden in den letzten acht Monaten angefertigt.
Der Abschluss der Kampagne bedeutet jedoch kein Ende der
Auseinandersetzung mit Rechtsradikalismus u
nd Rassismus in Brandenburg,
sondern die Ergebnisse sind die Grundlage für weiteres Handeln und
Reflektieren im lokalen wie auch überregionalen Raum. Der Erfolg
unserer Kampagne ist und bleibt gekoppelt an die selbst bestimmte Form der
politischen Organisierung von Jugendgruppen und deren kritischer
Auseinandersetzung mit staatlicher Politik und gesellschaftlicher
Wirklichkeit.
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