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Alarmierende Entwicklung in Südostbrandenburg

In den ver­gan­genen Monat­en ist die Zahl rechtsmo­tiviert­er Angriffe auf alter­na­tive und linke Jugendliche drama­tisch gestiegen. Zudem attack­ieren mil­i­tante Rechte alter­na­tive Jugend­pro­jek­te in Cot­tbus, Forst und Sprem­berg. Bere­its im April hat­te die Opfer­per­spek­tive auf die beden­klichen Entwick­lun­gen in Südost­bran­den­burg hingewiesen. Auf dem Sprem­berg­er Heimat­fest am zweit­en August­woch­enende dieses Jahres kam es zu ein­er Rei­he schw­er­er rechtsmo­tiviert­er Straftat­en. So wurde unter anderem ein Punk mit einem Base­ballschläger attack­iert und ver­let­zt. Direkt auf dem Fest­gelände schlu­gen ver­mummte Neon­azis mit Quarzhand­schuhen und Teleskop­schlagstöck­en zwei Jugendliche. Beobach­tun­gen zufolge zogen zudem rund 50 Neon­azis vom Heimat­fest zum nahegele­ge­nen alter­na­tiv­en Jugend­klub »Pirat­en«. Beim Ver­such, das Haus zu stür­men, wurde die Haustür beschädigt. Schon einige Tage vor dem Fest­geschehen war ein Punk von zwei Recht­en zusam­mengeschla­gen worden.

 

Gezielte Angriffe auf alter­na­tive Strukturen

 

Seit August ist es in Sprem­berg zu weit­eren recht­en Angrif­f­en gekom­men. Am 11. Sep­tem­ber 2010 schlu­gen Rechte einen Alter­na­tiv­en so heftig zusam­men, dass er im Kranken­haus behan­delt wer­den musste. Am 12. Novem­ber 2010 ran­dalierten Rechte erneut vor dem Jugend­klub »Pirat­en«. Zehn Tage später, am 22. Novem­ber 2010, trak­tierten in Großräschen vier Neon­azis mit Schlä­gen ein Vor­standsmit­glied des Trägervere­ins des Jugend­klubs. In Sprem­berg dro­ht die Gewalt­strate­gie der Neon­azis aufzuge­hen: Weil er die übri­gen Bewohner­In­nen seines Haus­es durch die Attack­en der Recht­en gefährdet sieht, hat der Ver­mi­eter den Mietver­trag mit den »Pirat­en« gekündigt. Der Klub ist dadurch in sein­er Exis­tenz bedroht.

In Forst ste­hen das unab­hängige Kul­tur- und Begeg­nungszen­trum »Park 7« und seine BesucherIn­nen im Fokus der lokalen recht­en Szene. Im Juli ran­dalierten 15 bis 20 Ver­mummte vor dem Klub­haus und war­fen Fen­ster­scheiben ein. Alles deutet darauf hin, dass die Angreifend­en dem recht­en Spek­trum ange­hörten. Mitte Okto­ber fand mor­gens ein junger Link­er aus Forst, der in Leipzig gegen einen Neon­azi­auf­marsch protestieren wollte, sein Auto mit eingeschla­gen­er Frontscheibe vor – bek­lebt mit rechtem Propagandamaterial.

In Cot­tbus war­fen Mitte Novem­ber drei ver­mummte Per­so­n­en im Haus­pro­jekt »Zelle 79« die Scheiben ein. Durch die Stein­würfe entsand erhe­blich­er Sach­schaden. Einen Tag später wurde der sow­jetis­che Ehren­fried­hof in Cot­tbus geschän­det. Seit den Som­mer­monat­en bis in den Herb­st hinein kam es in Cot­tbus immer wieder zu teil­weise mas­siv­en Belei­di­gun­gen und Ein­schüchterun­gen alter­na­tiv­er Jugendlich­er und Men­schen mit Migra­tionsh­in­ter­grund. Ins­beson­dere im Puschk­in­park wur­den mehrfach Jugendliche ange­grif­f­en. Es ist davon auszuge­hen, dass nicht alle Kör­per­ver­let­zun­gen von den zum Teil sehr jun­gen Opfern angezeigt wurden.

Eine Eskala­tion rechter Gewalt ist zu befürchten

In Südost­bran­den­burg existieren aktive Neon­azistruk­turen. Vor allem die soge­nan­nte Volk­stod-Kam­pagne der Kam­er­ad­schaftsstruk­tur »Spreelichter« ent­fal­tet seit Anfang 2009 aus­ge­hend ins­beson­dere von Lübben und Lübbe­nau eine bedrohliche Wirkung. Mit­tels pathetisch insze­nierte Aktio­nen und über das Inter­net ver­bre­it­eter Texte und Videos wird ver­sucht, die Demokratie zu diskred­i­tieren und verächtlich zu machen. Spruch­bän­der, die an Häusern und Auto­bahn­brück­en aus­gerollte wer­den, Sprühereien und verklei­dete Auftritte bei Fes­ten und Ver­anstal­tun­gen sind zu einem Marken­ze­ichen der »Spreelichter« in ganz Südost­bran­den­burg gewor­den. Inzwis­chen entste­hen auch in anderen Städten, z. B. in Sprem­berg, Inter­net­seit­en nach dem Vor­bild des Neon­az­izusam­men­hangs. Aktiv ist auch die NPD. Das ganze Jahr über war sie an fast jedem Woch­enende mit Infos­tän­den in Süd­bran­den­burg­er Gemein­den präsent. Seit August wird der rechte Lifestyle zudem von einem neuen Ladengeschäft in der Cot­tbuser Bahn­hof­s­traße bedi­ent. Im »Ose­berg« sind Klei­dungsstücke der Marke »Thor Steinar« zu bekom­men. Die Bek­lei­dungs­marke bedi­ent sich völkisch­er Sym­bo­l­ik mit NS-Bezug und ist unter Neon­azis sehr beliebt.

Die Angriffe auf alter­na­tive Tre­ff­punk­te in Südost­bran­den­burg müssen in einem über­re­gionalen Zusam­men­hang betra­chtet wer­den. Auf­fäl­lig ist, dass sich direk­te Angriffe von Neon­azis in Ost­deutsch­land häufen. Zu nen­nen sind etwa die Bran­dan­schläge auf Wohn­pro­jek­te in Dres­den, ein Angriff auf ein alter­na­tives Zen­trum in Salzwedel (Sach­sen-Anhalt), mehrere Angriffe auf das Jugend­wohn­pro­jekt »Mit­ten­drin« in Neu­rup­pin (Land­kreis Ost­prig­nitz-Rup­pin) sowie der Bran­dan­schlag auf einen linken Buch­laden in Berlin-Kreuzberg. Belege für ein Erstarken der recht­en Szene – nicht nur in Südost­bran­den­burg. Die Opfer­per­spek­tive befürchtet angesichts der zahlre­ichen Vor­fälle in jüng­ster Zeit, dass eine weit­ere Eskala­tion rechter Gewalt in dieser Region nicht auszuschließen ist.

siehe auch Cot­tbus: Anhal­tende Gewalt gegen alter­na­tive Jugendliche

Chronolo­gie von Angrif­f­en in Südost­bran­den­burg, die auf Recherchen der Opfer­per­spek­tive beruht.

Nr. Datum Ort Geschehen
1 15.2.10 Cot­tbus Ein junger Mann wurde am späten Abend aus ein­er größeren Gruppe her­aus ange­grif­f­en. Die Täter schlu­gen mit Flaschen auf ihn ein und trat­en ihn, bis er zu Boden ging. Dort liegend wurde er weit­er geschla­gen, getreten und mit Flaschen beworfen.
2 16.2.10 Cot­tbus Zwei deutsche Staats­bürg­er wurde Opfer ein­er gefährlichen Kör­per­ver­let­zung, die sich »gegen links« richtete. Es wur­den zwei Tatverdächtige ermit­telt. Nähere Angaben liegen nicht vor.
3 16.2.10 Cot­tbis Beim Ver­lassen sein­er Woh­nung traf ein junger Mann auf eine Gruppe Neon­azis, die ihn mit den Worten »Jet­zt kriegen wir Dich!« begrüßten. Der Jugendliche ran­nte weg. Die ihn ver­fol­gen­den Neon­azis kon­nten ihn jedoch nicht einholen.
4 20.2.10 Cot­tbus Eine 17-Jährige wurde im Stadtzen­trum von zwei jun­gen Män­nern im Alter von 18 und 20 Jahren geschla­gen und getreten. Dabei wurde die linksori­en­tierte junge Frau am Knie ver­let­zt. Die Täter sind der Polizei als recht­sori­en­tiert bekannt.
5 23.3.10 Cot­tbus In der Puschk­in­prom­e­nade wurde ein Schüler kurz nach 9 Uhr von ein­er Gruppe Rechter als Zecke beschimpft. Die Angreifer, die szene­typ­is­che Klei­dung tru­gen, schlu­gen mehrfach auf den 19-Jähri­gen ein. Ein Auffind­en der Täter gelang der her­beigerufe­nen Polizei nicht.
6 26.3.10 Döbern Nach Dro­hun­gen im Inter­net schlu­gen zwei Rechte einen 19-Jähri­gen mit der Faust ins Gesicht und ver­set­zten ihm einen Kopf­s­toß. Später skandierte unter anderem der Haupt­täter vor der Woh­nung des Ver­let­zten Parolen. Am Fol­ge­tag ran­dalierte der Rechte mit einem Begleit­er vor der Woh­nungstür des Jugendlichen und belei­digten dessen Mutter.
7 8.4.10 Cot­tbus Am Puschk­in­park wurde ein 20-jähriger Alter­na­tiv­er von zwei Recht­en geschla­gen. Am Boden liegend traf ihn unter anderem ein Tritt mit einem Springer­stiefel im Gesicht.
8 8.4.10 Cot­tbus Ein 17-Jähriger wurde aus ein­er Gruppe von etwa zehn Recht­en als »Scheiß Zecke« belei­digt, vom Fahrrad gezo­gen und mit einem Teleskop­schlag­stock zusam­mengeschla­gen. Das Opfer erlitt unter anderem einen Trom­melfel­lan­riss und musste ambu­lant im Kranken­haus behan­delt werden.
9 4.5.10 Drebkau Ein Staats­bürg­er viet­name­sis­ch­er Herkun­ft wurde aus ras­sis­tis­chen Motiv­en Opfer ein­er gefährlichen Kör­per­ver­let­zung. Es wurde ein Tatverdächtiger ermit­telt. Nähere Angaben liegen nicht vor.
10 3.6.10 Drebkau Ein Deutsch­er viet­name­sis­ch­er Herkun­ft wurde aus ras­sis­tis­chen Motiv­en Opfer ein­er gefährlichen Kör­per­ver­let­zung. Es wurde ein Tatverdächtiger ermit­telt. Nähere Angaben liegen nicht vor.
11 4.6.10 Cot­tbus Vier im Puschk­in­park Punkmusik hörende Jugendliche wur­den von etwa 15 Recht­en ange­sprochen und provoziert. Kurz danach eskalierte die Sit­u­a­tion. Zwei der alter­na­tiv­en Jugendlichen wur­den mehrfach geschlagen.
12 7.7.10 Cot­tbus Vor dem Cot­tbuser Bahn­hof wurde ein Stu­dent aus Sim­bab­we ras­sis­tisch belei­digt und bedroht.
13 15.7.10 Forst In den frühen Mor­gen­stun­den betrat­en 15 bis 20 ver­mummte Per­so­n­en das Gelände des alter­na­tiv­en Jugendtr­e­ffs »Park7« und war­fen mit Pflaster­steinen die Fen­ster­scheiben des Haupt­ge­bäudes ein.
14 19.7.10 Cot­tbus Beim Fil­men von soge­nan­nten Stolper­steinen zur Erin­nerung an von Nation­al­sozial­is­ten deportierte Cot­tbuser wurde ein rbb-Kam­era­mann angerem­pelt. Anschließend spuck­te der unbekan­nte Angreifer in Rich­tung des Gedenksteins.
15 31.7.10 Sprem­berg In der Nacht zum Son­ntag wurde ein Punk, der auf dem Fahrrad unter­wegs war, von zwei Recht­en ange­hal­ten. Sie ver­stell­ten ihm den Weg, stießen ihn zu Boden und schlu­gen auf ihn ein.
16 7.8.10 Sprem­berg Während des Heimat­festes griff eine Gruppe rechter Jugendlich­er wieder­holt das Haus an, in dem sich der alter­na­tive Jugendtr­e­ff der »Pirat­en e.V.« befind­et. Sie bedro­ht­en den Ver­mi­eter und beschädigten die Eingangstür.
17 8.8.10 Sprem­berg Ein Jugendlich­er wurde gegen 21.30 Uhr von drei dunkel gek­lei­de­ten unbekan­nten Per­so­n­en mit einem Teleskop­schlag­stock geschlagen.
18 8.8.10 Sprem­berg Ein als gewalt­tätig bekan­nter Neon­azi näherte sich mit dem Ruf »Hey, die Zeck­en« zwei jun­gen Besuch­ern des Heimat­festes. Als sie auf­grund der bedrohlichen Sit­u­a­tion flo­hen, wur­den sie verfolgt.
19 8.8.10 Sprem­berg Auf dem Heimat­fest bedro­hte eine Gruppe rechter Jugendlich­er linksalter­na­tive Fes­t­be­such­er. Die Angreifer ver­fol­gten die Jugendlichen und prügelte auf zwei von ihnen ein. Ein­er der Betrof­fe­nen wurde durch Schläge mit Quarzsand­hand­schuhen leicht ver­let­zt, ein ander­er erlitt durch einen Schlag mit einem Totschläger ein Schädelhirntrauma.
20 8.8.10 Sprem­berg Am Rande des Heimat­festes schlug eine Gruppe Rechter einen Punk mit einem Base­ballschläger. Der Betrof­fene musste sich im Kranken­haus behan­deln lassen.
21 9.9.10 Cot­tbus Zwei schwarz gek­lei­dete Män­ner fol­gten nachts einem Mann aus Burk­i­na Faso und bedro­ht­en ihn unter anderem mit den Worten »Hier regiert der Nation­al­sozial­is­mus« ein. Sie zeigten den soge­nan­nten Hit­ler­gruß. Als der Betrof­fene die Polizei ver­ständigte, hiel­ten die Angreifer ihn von hin­ten fest und nötigten ihn, das Gespräch zu beenden.
22 11.9.10 Sprem­berg Ein Alter­na­tiv­er wurde von Recht­en so heftig geschla­gen, dass er ins Kranken­haus ein­geliefert wer­den musste.
23 14.9.10 Cot­tbus In Sach­sendorf wurde eine 29-jährige Kameruner­in ras­sis­tisch belei­digt. Der 22-jähriger Täter wurde von der Polizei gefasst.
24 15.10.10 Forst Am Auto eines gegen Rechts engagierten Mannes wurde die Frontscheibe einge­wor­fen und das Fahrzeug mit recht­en Aufk­le­bern beklebt.
25 11.11.10 Cot­tbus Drei Per­so­n­en, mut­maßlich Rechte, war­fen im Alter­na­tivtr­e­ff­punkt »Zelle 79« zwei Fen­ster­scheiben ein und flüchteten.
26 12.11.10 Cot­tbus Am sow­jetis­chen Ehren­fried­hof wur­den 26 Grab­steine umgestoßen und auf ein­er Stele mit Farbe das Wort »Juden« aufgetragen.
27 12.11.10 Sprem­berg Sachbeschädi­gun­gen an den Räu­men des alter­na­tiv­en Jugend­klubs »Pirat­en«. Es wur­den Mar­mor­plat­ten zer­schla­gen, Eimer umherge­wor­fen und eine Markise durch Böller beschädigt. Laut Zeu­gen fie­len Worte, die deut­lich auf eine rechte Moti­va­tion der Tat hinweisen.
28 22.11.10 Großräschen Ein Vor­standsmit­glied des Sprem­berg­er Klubs »Pirat­en« wurde von vier Neon­azis zusammengeschlagen.

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