Werder — Es ist eine brenzlige Situation gewesen, wie sie der türkische Wirt Fahrettin Altunsoy (40) aus Berlin öfter erlebt. Gäste in seinem City-Café in Werder (Potsdam-Mittelmark) fangen Streit an; eine Zeitlang toleriert man die Radau-Brüder; dann bittet man sie vor die Tür — und die Sache ist erledigt. Anders an diesem Abend, Ende Dezember 2004.
“Mein Café war voll, mehr als 30 Gäste waren hier”, erinnert sich Altunsoy. In der einen Ecke, gleich am Fenster, feierten vielleicht 13 junge Leute einen Geburtstag. In der anderen Ecke, in der Nähe der Tür, saßen Stephan L. (19), Daniel K. (23) und Werner G. (44).
Eigentlich wollten die drei an diesem Abend in ihre Lieblingskneipe, doch die war geschlossen. Also gingen sie ins City-Café. “Plötzlich gab es Streit zwischen der Geburtstagsrunde und den drei Männern”, erinnert sich der Wirt. Schließlich griff Fahrettin Altunsoy ein: Er bat die drei Männer aus dem Lokal. Daniel K. drohte mit Karateschlägen. Stephan L., der in Werder als Rechtsradikaler gilt, setzte noch drauf: “Du bekommst heute noch einen Kopfschuß!” Es gab eine kurze Rangelei, doch die Situation beruhigte sich. Das Trio verschwand. Wirt Altunsoy ging wieder hinter seinen Tresen.
Knapp 30 Minuten später zersplitterte die große Fensterscheibe des Cafés mit einem lauten Knall. Eine 0,3er-Becks-Bierflasche, präpariert als Molotowcocktail, flog in den Gastraum. “Die Flammen schlugen hoch. Bei einem Gast brannten die Haare. Er löschte sie mit seinen Händen. Ein junges Mädchen hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Ohren zu. Alle waren in Panik”, erzählt der Gastronom.
Sein Bruder Haydar (30) und weitere Gäste nahmen die Verfolgung der mutmaßlichen Täter auf.
Altunsoy rief unterdessen die Polizei. In der Brandenburger Straße hielten die Verfolger zwei junge Männer fest — Daniel K., der eigentlich in der Mozartstraße wohnt, und Stephan L., der mit seiner Schwester zusammenlebt und zuletzt in einer Drückerkolonne arbeitete. Die Polizei nimmt beide fest. Stephan L. soll die Brandflasche geworfen haben, wird den Türken erklärt. Am frühen Morgen stürmen die Beamten auch die Wohnung von Werner G. im Kugelweg. Er hat eine Platzwunde am Hinterkopf und Rippenprellungen. Warum, sagt er zunächst nicht. G. soll das Geschehen von der gegenüberliegenden Straßenseite aus beobachtet haben.
Seit dem 30. Dezember sitzen die drei Männer in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen unter anderem versuchten Mord vor.
Eigentlich wollte Fahrettin Altunsoy den Vorfall nicht an die große Glocke hängen — um dem Image der Stadt nicht zu schaden, auch um den beiden jungen Tätern nicht die Zukunft zu verbauen.
Doch dann zeigten ihn die mutmaßlichen Brandstifter wegen schwerer Körperverletzung an. Der Wirt mußte zur erkennungsdienstlichen Behandlung aufs Revier. “Ich habe mich gefühlt wie ein Verbrecher”, beklagt Altunsoy, “und von der Stadt gab es keinerlei Reaktion oder Unterstützung.” Jetzt will er, daß die Täter hinter Gitter bleiben.
Der Prozeß beginnt heute um 10 Uhr im Saal 015 des Landgerichts in Potsdam.