Bernau | 22. — 24. Oktober
Bereits im Juni letzten Jahres organisierten Antifas ein Antifa Weekend unter dem Motto „Bernau bleibt nazifrei“. Damals ging es darum, die Bevölkerung
darauf aufmerksam zu machen, dass sich anscheinend organisierte Neonazis wieder in die Bernauer Öffentlichkeit trauen. Bekannte Nazis, Treffpunkte und Geschäfte mit rechtem Background wurden geoutet um die BernauerInnen zu sensibilisieren. Leider müssen wir konstatieren, dass sich die Situation seit dem letzten Antifa-Weekend erheblich verschlechtert hat. Beleg dafür ist die Existenz von Nazistrukturen, die
Zunahme an rechten Aktivitäten einschließlich Übergriffen und die verstärkte
öffentliche Präsenz von Neonazis.
NAZI-ACTION
Bernau scheint nach langer Zeit wieder ins Visier von Neonazis geraten zu sein: Im
Mai 2004 versuchten mehrere Nazis, darunter Gerd Walther und Rainer Linke vom
Deutschen Kolleg, Kameraden von Horst Mahler, am Bernauer Gymnasium
geschichtsrevisionistische Flyer zu verteilen.
Außerdem kam es wiederholt zu Naziübergriffen. Selbst die zentralen Freiräume der
alternativen Jugendkultur und No-go-areas für Neonazis, der Stadtpark und der
Jugendtreff DOSTO, mussten verteidigt werden: Am 19. Juli griffen Faschos eine Gruppe
Jugendlicher an, die sich im Park aufhielten. Während des Konzerts der Crushing
Caspars am 10. September im DOSTO versuchten ca. 30, teilweise aus Berlin angereiste
Suffnazis zu stören. Wie jeden Freitagabend hielten sie sich zuvor im bahnhofsnahem
„Bistro Centro“ auf, ein beliebter Treffpunkt für saufende Nazihorden
und Ausgangspunkt für rechts-motivierte Gewalt.
Die organisierten Neonazis sammeln sich im „Nationalen Bündnis Preußen“
und der „Nationalen Jugendgruppe Barnim“. Beide Gruppen pflegen Kontakte
zum „Märkischen Heimatschutz“. Gemeinsam mit der „Kameradschaft
Tor“ und der „Berliner Alternative Südost“ marschierten sie am 21.
April 2004 durch Bernau, der erste Naziaufmarsch seit 1945. Die Neuauflage dieses
Aufmarsches erfolgte am 6. September, nachdem die Bernauer Neonazis schon zuvor die
Montagsdemonstationen des rechtspopulistischen Wählerbündnis „Pro Brandenburg
– Bürger rettet Brandenburg“ unterwandert hatten.
Auch die einschlägigen rechtsradikalen Parteien sind in Bernau aktiv. Die DVU
erhielt von den Bernauer WählerInnen 5,5% der Stimmen bei der diesjährigen
Landtagswahl. Zuvor betrieb sie einen massiven Wahlkampf: unzählige Wahlplakate,
vereinzelt auch Aufkleber und ein Infostand am 24.Juni auf dem Marktplatz. Auch die
NPD machte in der Vergangenheit auf sich aufmerksam: Bemerkenswert ist die Flut an
NPD-Aufklebern, die in regelmäßigen Abständen in Bernau und den umliegenden Dörfern
auftauchen. Im Mai 2003 organisierten Bernauer NPD-Funktionäre zwei Infostände unter
dem Label der „Nationalen Bürgerinitiative Barnim“.
POLIZEIREPRESSION FEAT. NEONAZIS
Das Erstarken der Neonazis steht für uns in einem direkten Zusammenhang mit dem
Polizeieinsatz am 21. April und der anschließenden Kriminalisierung
antifaschistischer Arbeit. Wäre die Brutalität der Polizei, mit der sie beim
damaligen Naziaufmarsch gegen die meist sehr jungen DemonstrantInnen vorging direkt
proportional zu der Symphatie für den Nazimob, so müsste mensch davon ausgehen, dass
die Bullen lediglich frustriert waren nicht selbst am Aufmarsch teilnehmen zu
dürfen. Bei den Angriffen der
Polizei wurden viele Menschen wahllos festgenommen und immer wieder
auch auf Protestierende eingeschlagen. Dabei wurden mindestens zwei Menschen
schwer verletzt. Ein junger Mann musste, nachdem ihm ein Polizist völlig unnötig in
den Rücken gesprungen war, ins Krankenhaus, mit dem Verdacht einer Verletzung der
Wirbelsäule, eingeliefert werden. Den Inhaftierten wurden demokratische Rechte
aberkannt und unerhörte Beleidigungen an den Kopf geworfen. Uns ist klar, dass diese
These einer genauen Analyse nicht standhalten kann. Dennoch sind rechte Positionen
in Kreisen der Bernauer Polizei nicht von der Hand zu weisen. Wie sonst ist es zu
erklären, dass 1994 mehrere VietnamesInnen auf der Polizeiwache gefoltert wurden?
Auch die nahe Bernau gelegene Polizeischule in Basdorf, ist schon ein ums andere Mal
im Zusammenhang mit rechtsradikalen Äußerungen in die Schlagzeilen geraten. Daher
fordern wir die Polizei auf, sich von rechten Inhalen zu distanzieren und
entschieden gegen Rechtsextremismus, auch in den eigenen Reihen, vorzugehen.
GESELLSCHAFTLICHE MITTE FEAT. NEONAZIS
Schon immer standen sich gesellschaftlicher Rassismus und Rechtsextremismus sehr
nahe. Ersterer ermöglicht schließlich Neonazis in die Öffentlichkeit zu treten und
sich als radikalste Vertreter des gesellschaftlichen Mainstreams zu etablieren.
Häufig stören diesem lediglich das martialische Auftreten, menschenverachtende
Inhalte werden mit dem Pluralismus der bürgerlichen Gesellschaft legitimiert und so
heißt es oft: „Ihr habt eure Meinung, die haben ihre Meinung.“
Einerseits wirkt der Hinweis auf Demokratie und freie Meinungsäußerung geradezu
lächerlich in Anbetracht dessen, dass immer noch viele Deutsche längst nicht in der
Demokratie angekommen sind. Andererseits erfolgt eine Gleichsetzung von links und
rechts – ein wesentlicher Faktor für die Krise der Antifa. Selbst vorgeblich
antifaschistische Kräfte, wie das Netzwek für Toleranz und Weltoffenheit, setzen
Antifas und Neonazis in eins. Traurig
er Höhepunkt dieser revisionistischen Haltung war eine Veranstaltung des
Netzwerkes vor wenigen Wochen, die sich gegen Extremismus und Gewalt richtete.
Ungefähr 300 BernauerInnen applaudierten, als eine Sprecherin des Netzwerkes die
rote Fahne mit der Fahne der Nationalsozialisten verglich und den Antifas
faschistische Methoden attestierte. Leider müssen wir davon ausgehen, dass eben
diese Kräfte zu den fortschrittlichsten in der Stadt gehören. Darüber hinaus gibt
es kaum Leute, die sich mit dem Vorgehen der Antifa solidarisieren oder selbst
aktiv gegen Rechts sind.
Im Gegenteil: Es ist kein Zufall, dass bei der im September stattfindenden
Landtagswahl der Rechtspopulist Dr. Dirk Weßlau 10% der Stimmen der BernauerInnen
erhielt. Eben jener Dirk Weßlau, der gemeinsam mit den Neonazis des
„Nationalen Bündnis Preußen“ im Zuge der Montagsdemonstrationen durch
Bernau marschierte.
Antifaschistische Praxis darf sich nicht auf den Kampf gegen Neonazis beschränken.
Rassismus und Sexismus finden sogar bei einem antirassistischen Fußballturnier, so
geschehen am Jugendkulturtag „AB NACH BERNAU“ im August, ihren Platz.
Desweiteren muss in einer Kleinstadt auch der weltweit anwachsende Antisemitismus
thematisiert und als häufig halluziniertes Monopol von Neonazis negiert werden.
KRISE DER ANTIFA FEAT. NEONAZIS
Nicht nur in der fehlenden oder unzureichenden Analyse der gesellschaftlichen
Verhältnisse ist die Krise der lokalen Antifa begründet. Vor allem das Fehlen
eigener Akzente und die Beschränkung auf Reaktion steht im Kontext mit einer
offensichtlich selbstbewussteren Neonaziszene. Statt den Ausbau der eigenen,
antifaschistischen Subkultur vorranzutreiben und entsprechende Präventionsmaßnahmen
vorzunehmen, tritt die Antifa fast ausschließlich zusammen mit Neonazis auf um zum
Beispiel (sinnvollerweise) gegen ihre Präsenz auf den Montagsdemonstrationen zu
protestieren. Dies ist nicht nur „Futter“ für all diejenigen, die links
und rechts gleichsetzen und somit die Naziverbrechen relativieren. Vielmehr ist es
nicht ausreichend nur den Nazis hinterherzurennen und die eigene Subkultur zu
vernachlässigen.
Hinzu kommen innerlinke Streitigkeiten, die wie könnte es auch
sein, die Solidarität mit dem Staat Israel zum
Thema haben. In diesem Kontext werden Aufkleber und Flugzettel, die als
pro-israelisch angesehen werden, zerstört und jüdische Symbole als übertriebene
Provokation zurückgewiesen. Sogar Antisemitismus-feindliche Graffitis werden von
den „eigenen“ Leuten entfernt und als antideutsche Schmierereien
gebrandmarkt. Zwar findet zur Zeit ein Dialog in der antifaschistischen Szene über
diese Entwicklung statt, eine wirkliche Lösung erscheint jedoch schwierig.
Fazit: Das Zusammenspiel von der Kriminalisierung antifaschistischer Arbeit durch
die Polizei und der Diskreditierung durch den bürgerlichen Mob, stellt auch die
Antifa in Bernau vor Probleme: Der Handlungsspielraum für das Vorgehen gegen eine
sich zunehmend organisierende Neonaziszene ist stark eingeschränkt, innerlinke
Streitigkeiten verringern außerdem ein breites Bündnis.
BERNAU, WIR SIND DA – AUTONOME ANTIFA
In Reaktion auf diese Krise hat sich die AUTONOME JUGENDANTIFA BERNAU [AJAB]
gegründet. Unser antifaschistisches Selbstverständnis umfasst im Wesentlichen den
Imperativ Adornos, die Welt so einzurichten, dass Auschwitz nicht mehr sei und den
„Kampf ums Ganze“. Mit dem ANTIFAWEEKEND 2004 versuchen wir uns als
Antifagruppe zu etablieren und der antifaschistischen Szene in Bernau den längst
fälligen Impuls zu geben.
Im Großen und Ganzen verfolgen wir drei grundlegende Zielstellungen:
Das Erstarken der antifaschistischen Subkultur, was auch einen internen Dialog
bedingt, zu dem wir jederzeit zur Verfügung stehen.
Das Aufdecken von lokalen Nazistrukturen zum Zweck der Sensibilisierung der breiten
Öffenlichkeit und als Basis für antifaschistische Praxis.
Die Thematisierung der Kriminalisierung antifaschistischer Arbeit durch die Polizei
und die gesellschaftliche Mitte.
ANTIFA IS NOT A CRIME _FIGHT NAZIS UND POLIZEIREPRESSION!
Autonome Jugendantifa Bernau [AJAB]
Home | www.antifaweekend.tk
Mail | antifaweekend(at)mail.com
UnterstützerInnen:
[www.aktion-rot.tk] Webteam, Bürgerinitiative Bernau,
Freitag | 22. Oktober
18 Uhr | Treff 23 | Vortrag ′′Rechte Strukturen in Bernau und Umgebung′′
20 Uhr | DOSTO | Reggae Party „Radical Reggae Tunes“
Samstag | 23. Oktober
14 Uhr | Bahnhofspassage | Antifaschistische Demonstration ′′ANTIFA is not a
crime“
20 Uhr | DOSTO | Konzert mit SKA-Bands
Sonntag, 24.10.04
12 — 18 Uhr | Gesamtschule Antifa Streetball Turnier [ mit Vokü und DJ ]