Die von der Stadt und der Camino gGmbH vor zwei Jahren gegründete Servicestelle gegen rechte Gewalt stellt ihre Arbeit ein. Die Förderung läuft aus. Mit jährlich 40 000 Euro hat das Bundesprogramm Entimon zwei Halbtagsstellen und eine studentische Hilfskraft finanziert, die die
Aktivitäten von 80 Vereinen und Einrichtungen, die sich in Potsdam gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt einsetzen, koordinierten. Man habe sich als unabhängiger Berater gesehen, erklärte Servicestellen-Mitarbeiterin Esther
Lehnert. Gestern dankte Oberbürgermeister Jann Jakobs ihr und Ingo Siebert. Jakobs erinnerte an den Anschlag auf den jüdischen Friedhof 2001 und an den lokales Aktionsplan für Demokratie und Toleranz, den die Stadtverordneten zu
erarbeiten beschlossen hatten. Es sei damals sehr wohl diskutiert worden, ob sich ein solcher Plan für eine Stadt empfiehlt, in der weit weniger Übergriffe als anderswo zu verzeichnen sind. Die Entscheidung war richtig, so Jakobs. Die Öffentlichkeit sei für Themen wie Rassismus und rechte Gewalt
sensibilisiert; immer wieder hat sie Stellung bezogen. Das sei auch ein
Verdienst der Servicestelle.
In Potsdam kann man über Rechtsextremismus diskutieren, “ohne gleich als Nestbeschmutzer dazustehen”, erklärte Siebert. Das sei beileibe nicht in allen Städten so. Potsdam demonstriere politischen Willen. Man spüre, dass
nicht nur Initiativen und Einrichtungen wie Schulen, Jugendhilfe und Sport, Antifa, Hochschulen und Wohnungsfirmen, sondern auch Oberbürgermeister und
Fraktionen die Angelegenheit zur Chefsache gemacht haben, so Siebert. Das müsse beibehalten werden. Das Ringen um ein demokratisches, weltoffenes Klima brauche langen Atem; Feuerwehraktionen helfen wenig, so Lehnert. Ihrer
Einschätzung nach ist Alltagsrassismus auch in Potsdam präsent: “Die Stadt macht da keine Ausnahme.”
Beendet die Servicestelle ihre Arbeit, übernehmen andere Einrichtungen die Aufgaben. Die Sicherheitskonferenz der Stadt koordiniert künftig die Initiativen in Potsdam, auch das Jugendamt wird eingebunden, sagte Jakobs. Der Bereich analysiere derzeit in einer Umfrage, wie sich Rechtsextremismus heute in Jugendklubs darstellt, sagte Jugendamtsleiter Norbert Schweers. Die rechte Szene habe sich gewandelt und weitgehend aus den Jugendklubs
zurückgezogen.
Die finanzielle Hilfe für Projekte liegt künftig in den Händen eines Bürgervereins, der den Aktionsfonds für Toleranz und Demokratie verwaltet. Mit 3200 Euro daraus hatte die Servicestelle bislang 20 Projekte unterstützt. Nach einem Benefizkonzert beläuft sich der Etat jetzt auf 600 Euro.