Der Verein Opferperspektive e.V. hat 2017 im Land Brandenburg 171 rechte Angriffe registriert. Dies stellt einen Rückgang gegenüber den Vorjahren (2016: 221, 2015: 203) dar. Die Zahl der rechten Gewalttaten liegt immer noch deutlich über dem Niveau des Zeitraums von 2002 bis 2014. Die Summe der gezählten Körperverletzungsdelikte (148) ist die zweithöchste Zahl, die jemals im Rahmen des Monitorings durch die Beratungsstelle erfasst wurde.
Das häufigste Tatmotiv war 2017 Rassismus: 84 Prozent aller Taten lag diese Motivation zu Grunde. Dies ist ein erneuter Anstieg gegenüber 2016 (79 Prozent). In der Mehrzahl dieser Fälle waren Geflüchtete von den Attacken betroffen. Hierzu erklärt Judith Porath, Geschäftsführerin der Opferperspektive: „Die rassistische Gewaltwelle, die vor allem geflüchtete Menschen betrifft, muss endlich gestoppt werden. Eine Gesellschaft, in der sich Alteingesessene und Neuangekommene auf Augenhöhe begegnen können, ist nicht möglich, solange die Orte fehlen, an denen sich Geflüchtete angstfrei bewegen können.“
Neben den 143 durch die Opferperspektive registrierten rassistischen Gewalttaten (2016: 175) wurden 25 (2016: 24) Angriffe durch Rechte auf politische Gegner_innen verübt. Zwei Übergriffe auf nicht-rechte und alternative Personen (2016: 14) wurden erfasst, außerdem ein Angriff aus einer sozialdarwinistischen Motivation heraus. Mehrheitlich handelte es sich bei den der Beratungsstelle bekannt gewordenen Gewalttaten um Körperverletzungsdelikte, davon 79 einfache und 69 gefährliche Körperverletzungen (2016: 85/101). In Brandenburg wurden 2017 zwei rechtsmotivierte Brandstiftungen, in Templin und Kremmen, verübt (2016: 9). Der Molotowcocktail-Anschlag von Kremmen wird durch die Opferperspektive als versuchtes Tötungsdelikt gewertet. Des weiteren wurden eine versuchte schwere Körperverletzung, 13 Fälle von Nötigung und Bedrohung (2016: 13), 3 massive Sachbeschädigungen (2016: 6), ein rechtsmotivierter Raub und ein Fall von Landfriedensbruch statistisch erfasst. In zwei Fällen versuchten rassistisch motivierte Täter mittels Kraftfahrzeugen, Personen zu verletzen.
Von den Angriffen waren 2017 264 Personen direkt betroffen (2016: 335) und 161 Personen indirekt (2016: 196), z.B. als Zeug_innen oder Angehörige. Von einem großen Dunkelfeld ist nach Ansicht der Opferperspektive auszugehen. Deutlich zugenommen hat die Zahl der betroffenen Kinder (vollendetes 13. Lebensjahr oder jünger). Die Opferperspektive erlangte Kenntnis von 35 Kindern, die 2017 Opfer rechter Gewalttäter wurden – eine deutliche Zunahme gegenüber 2016 (22) und 2015 (26).
Der schon 2016 erkennbare Trend der regionalen Ausdifferenzierung bezüglich rechter Gewalttaten hat sich auch 2017 fortgesetzt und weiter verstärkt. Die kreisfreie Stadt Cottbus ist mit 32 rechtsmotivierten Angriffen erneut der Ort mit den meisten registrierten Angriffen. Dies stellt die zweithöchste Zahl rechter Übergriffe dar, die durch die Opferperspektive jemals in einem Landkreis bzw. einer kreisfreien Stadt registriert wurde (Höchstzahl 41, ebenfalls Cottbus, 2016). Gleichzeitig gibt es in anderen Regionen teils erhebliche Rückgänge: In Spree-Neiße (von 27 Angriffen auf 8 Angriffe), Frankfurt (Oder) (von 16 Angriffen auf 5 Angriffe), in Märkisch-Oderland (von 13 Angriffen auf 2 Angriffe) und im Havelland (von 11 Angriffen auf 2 Angriffe) zeigt sich diese Entwicklung besonders deutlich. Dem entgegen stehen Steigerungen der Angriffszahlen in Teltow-Fläming (14, 2016:11), Oberhavel (12, 2016:11), Barnim (11, 2016: 5) und der Prignitz (8, 2016: 5). Neben Cottbus bleibt der Landkreis Ostprignitz-Ruppin mit 16 rechten Gewaltdelikten (2016: 21) ein Schwerpunkt rechter Gewalt in Brandenburg.
In Cottbus hat sich in der Stadt eine gewalttätige Stimmung, vor allem gegenüber Geflüchteten, verfestigt. Mit den Demonstrationen des rassistischen Vereins „Zukunft Heimat“ ist eine Mobilisierungsplattform entstanden, die unterschiedlichste Strömungen des lokalen, regionalen und überregionalen rechten Spektrums vereint und vernetzt. „Rassistische Gewalt wird durch die aktuelle Straßenmobilisierung legitimiert, indem sie als „Notwehr“ gegen einen angeblichen, durch Zuwanderung bedingten „Volksaustausch“ umgedeutet wird“, erläutert Judith Porath. Auch die örtliche rechte Hooliganszene besucht die Demonstrationen in Cottbus. So kommt es im Umfeld dieser Veranstaltungen wiederholt zu Übergriffen auf politische Gegner_innen aus diesem Personenkreis. Die Opferperspektive sieht die Gefahr, dass Cottbus zum Vorbild für rassistische Kampagnen in weiteren Kommunen im Land Brandenburg wird.
Anbei Sie das Hintergrundpapier der Opferperspektive zur Veröffentlichung der Jahresstatistik 2017 mit ausführlichen Analysen sowie die grafische Aufarbeitung der Statistik. Die Grafiken sind unter Nennung der Quelle (Peer Neumann/ Opferperspektive) frei verwendbar.
Kategorien