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Asylbewerberheim: Kreis soll Vertrag kündigen


Flüchtlingsrat fordert, die Arbeit­er­wohlfahrt Havel­land als Träger abzulösen

(MAZ, 30.12., Joachim Wil­isch) RATHENOW
Die Mit­glieder des Kreistagsauss­chuss­es für Land­wirtschaft, Umwelt, Ordnung
und Sicher­heit sind um eine ihrer ersten Auf­gaben im Jahr 2005 nicht zu
benei­den. Sie müssen eine Stel­lung­nahme der Arbeit­er­wohlfahrt Havel­land zu
einem Urteil des Amts­gericht­es Rathenow bew­erten. Im konkreten Fall geht es
um den Ver­leum­dung­sprozess gegen den Asyl­be­wer­ber Abdel Amine aus dem
Rathenow­er Heim am Birken­weg, dessen Träger die Arbeit­er­wohlfahrt ist. Amine
hat­te mit anderen einen Brief geschrieben, in dem stand, die Heimleitung
öffne pri­vate Post an die Asyl­be­wer­ber und betrete unge­fragt Zim­mer. Nach
einem lan­gen Ver­fahren wurde Amine freige­sprochen. Dies bedeutet: Die
behaupteten Tat­sachen — uner­laubtes Öff­nen von Briefen und widerrechtliches
Betreten von Zim­mern — gel­ten als erwiesen. 

Der Vere­in “Opfer­per­spek­tive” Bran­den­burg, die “Flüchtlingsini­tia­tive
Bran­den­burg” und der “Flüchtlingsrat Bran­den­burg” fordern nun die
Ver­ant­wortlichen bei der Kreisver­wal­tung Havel­land auf, “Kon­se­quen­zen aus
dem Urteil zu ziehen und den Ver­trag mit dem dis­qual­i­fizierten Heimbetreiber
Awo Havel­land endgültig zu kündigen”. 

Der Prozess habe erwiesen, dass im Asyl­be­wer­ber­heim unberechtigt Post
geöffnet wurde. Eben­so seien die Zim­mer unge­fragt betreten wor­den. “Das sind
keine Bagatellen”, heißt es in ein­er Mit­teilung der Flüchtlingsinitiative.
“Die rechtswidri­gen Kon­troll­maß­nah­men kön­nen nur als Aus­druck einer
feindlichen und mis­strauis­chen Hal­tung gegenüber den Heimbewohnern
ver­standen wer­den, ins­beson­dere, wenn diese es wagen, poli­tisch aktiv zu
wer­den und ihre Rechte ein­fordern.” Nach wie vor ver­weigere die Heimleitung
den Asyl­be­wer­bern, die Beschw­er­den vor­brin­gen wollen, ein klärendes
Gespräch. 

“Wir befürcht­en”, heißt es in der Mit­teilung weit­er, “dass die Awo Havelland
darauf set­zt, den Skan­dal, den sie selb­st pro­duziert hat, aus­sitzen zu
kön­nen, als ob nichts geschehen wäre.” Die Vertreter von “Opfer­per­spek­tive”,
“Flüchtlingsini­tia­tive” und “Flüchtlingsrat” appel­lieren an die
Ver­ant­wortlichen im Land­kreis, den Ver­trag mit dem Heim­be­treiber “umge­hend
zu kündigen”. 

Wie Kreis­sprecherin Anett Kleinke dazu sagte, habe die Kreisver­wal­tung beim
Geschäfts­führer der Arbeit­er­wohlfahrt Havel­land eine Stel­lung­nahme zum
Ver­lauf des Prozess­es und dem Urteil abge­fordert. “Wenn diese vor­liegt, dann
soll sich der zuständi­ge Kreistagsauss­chuss damit befassen.” Weil für
Asy­lan­gele­gen­heit­en in der Kreisver­wal­tung die Ord­nungs­be­hörde zuständig
ist, wird das der Auss­chuss für Land­wirtschaft, Umwelt, Ord­nung und
Sicher­heit sein. 

Weit­er­er Kom­mentare enthielt sich die Kreisver­wal­tung. Zunächst sollte das
Gespräch mit der Awo gesucht werden.

AWO-Heim­leitung nicht mehr tragbar

Flüchtlingsrat, Opfer­per­spek­tive und Flüchtlingsini­tia­tive Brandenburg
fordern Kon­se­quen­zen aus Urteil

(Flüchtlingsrat, 22.12.) Am 1. Novem­ber 2004 sprach das Amts­gericht Rathenow das Urteil im so genan­nten “AWO-Ver­leum­dungs-Prozess”. Zwei ehe­ma­lige Bewohn­er des Rathenow­er Asyl­be­wer­ber­heims wur­den von der Anklage der üblen Nachrede freige­sprochen. Die schw­eren Vor­würfe gegen den Betreiber des Flüchtling­sheims, die AWO Havel­land, haben sich in der Gerichtsver­hand­lung bestätigt. Wir appel­lieren an die poli­tisch Ver­ant­wortlichen auf Kreis- und Lan­desebene, endlich die Kon­se­quen­zen aus dem Urteil zu ziehen und den Ver­trag mit dem dis­qual­i­fizierten Heim­be­treiber AWO Havel­land unverzüglich zu kündigen. 

Wir haben den Ein­druck, dass das Urteil bis zum heuti­gen Tag noch nicht ver­standen wurde. In einem Prozess wegen übler Nachrede freige­sprochen zu wer­den, bedeutet, dass es den Beschuldigten gelun­gen ist, den Wahrheits­be­weis für die bean­stande­ten Behaup­tun­gen zu erbrin­gen. Auf den Fall bezo­gen heißt das, dass die Vor­würfe, die Bewohn­er des Heims im Rathenow­er Birken­weg in einem offe­nen Brief im Som­mer 2002 erhoben, tat­säch­lich zutr­e­f­fen. Es geht hier um keine Bagatellen, son­dern um den Ver­dacht von Straftat­en, ins­beson­dere um die Ver­let­zung des Briefge­heimniss­es. Diesen Vor­wurf kon­nten mehrere Zeu­gen bestäti­gen, so ein ehe­ma­liger Sozialar­beit­er des Heims, der ver­sichert hat, dass er geöffnete Briefe in den Fäch­ern der Heim­be­wohn­er gese­hen hat, sowie ein Bil­dungsref­er­ent des DGB, der an einen Heim­be­wohn­er eine Ein­ladung zu einem Sem­i­nar geschickt hat­te und sich wenige Tage später wun­dern musste, warum die Heim­lei­t­erin ihn wegen des Sem­i­nars anrief. Seine Tele­fon­durch­wahl kon­nte sie nur aus dem ver­schlosse­nen Ein­ladungs­brief haben. 

Auch wenn keine bes­timmte Per­son über­führt wer­den kon­nte, Briefe geöffnet zu haben, so lässt das Urteil nur den Schluss zu, dass die Heim­leitung für das Öff­nen der Briefe ver­ant­wortlich war. Eben­so bestätigt wurde der Vor­wurf, Heim­per­son­al habe mehrmals ohne anzuk­lopfen Zim­mer von Heim­be­wohn­ern betreten und kon­trol­liert. Auch diese Ver­let­zung der Pri­vat­sphäre muss dem Ver­ant­wor­tungs­bere­ich der Heim­leitung zugeschrieben werden. 

Bei­de Vor­würfe hat­te die Heim­lei­t­erin Frau Pagel bei ihrer ersten Aus­sage vor Gericht bestrit­ten. Bei ihrer zweit­en Vernehmung musste sie hinge­gen ihre erste Aus­sage kor­rigieren und ein­räu­men, dass sie schon vor Veröf­fentlichung des offe­nen Briefes Ken­nt­nis von Beschw­er­den über geöffnete Briefe hat­te. Mit dem Öff­nen der Briefe will sie jedoch weit­er­hin nichts zu tun gehabt haben – eine Aus­sage, deren Glaub­haftigkeit von allen Prozess­beteiligten in starke Zweifel gezo­gen wurde. “Bei den Aus­sagen der Heim­leitung hat es mir zum Teil die Kehle zugeschnürt”, so Staat­san­walt Gerd Heininger (Jun­gle World, 47/2004). Es ist uns unver­ständlich, warum die Staat­san­waltschaft noch kein Ermit­tlungsver­fahren gegen Frau Pagel wegen unei­dlich­er Falschaus­sage ein­geleit­et hat. 

Wie ist dieses Ver­hal­ten der Heim­leitung zu bew­erten? Die Heim­leitung ist für rechtswidrige Kon­troll­maß­nah­men gegenüber Heim­be­wohn­ern und für die Ver­let­zung ihrer Grun­drechte ver­ant­wortlich. Ein solch­es Ver­hal­ten kann nur als Aus­druck ein­er mis­strauis­chen und feind­seli­gen Hal­tung gegenüber Heim­be­wohn­ern ver­standen wer­den, ins­beson­dere wenn diese es wagen, poli­tisch aktiv zu wer­den und ihre Rechte einzu­fordern. Die Heim­leitung hat damit gröblich gegen ihre Für­sorgepflicht­en ver­stoßen. Nach unserem Dafürhal­ten lässt das nur den Schluss zu, dass sich das gegen­wär­tige Per­son­al der AWO für die Leitung des Heims und die Betreu­ung sein­er Bewohn­er dis­qual­i­fiziert hat. 

Diese man­gel­hafte Eig­nung lässt sich auch am Umgang mit den Beschw­er­den der Heim­be­wohn­er able­sen. Statt die Vor­würfe ernst zu nehmen, sie direkt mit den Heim­be­wohn­ern zu klären und die rechtswidri­gen Kon­trollen abzustellen, ver­weigerte die Heim­leitung wieder­holt eine Auseinan­der­set­zung mit den Beschw­erde­führern und dem öku­menis­chen Begeg­nungskreis, der sich für Flüchtlinge in Rathenow ein­set­zt. Stattdessen startete die AWO einen Gege­nan­griff, erk­lärte die Beschw­erde­führer zu Lügn­ern, die andere Heim­be­wohn­er getäuscht und manip­uliert hät­ten. Wer sich beschw­erte, sollte krim­i­nal­isiert wer­den, so die Maxime der AWO. Die Heim­leitung führte polizeiähn­liche Ver­höre mit Heim­be­wohn­ern durch. Diese in ein­er Atmo­sphäre der Angst ent­stande­nen Aus­sagen benutzte Herr Schröder, der Geschäfts­führer der AWO Havel­land, als Beweis­ma­te­r­i­al für die Anzeige. Im Prozess hinge­gen rel­a­tivierten alle Flüchtlingszeu­gen diese unter Druck gemacht­en Aus­sagen und bestätigten zum großen Teil die Vor­würfe gegen die Heim­leitung. Wenn Herr Schröder in einem Leser­brief an die
MAZ vom 03.11.2004 die Auf­nahme von Ermit­tlun­gen durch die Staat­san­waltschaft als Erfolg ver­bucht, so zeugt das von sein­er völ­li­gen Unein­sichtigkeit. Wer so mit Kon­flik­ten umge­ht, hat sich selb­st dis­qual­i­fiziert. Auch Herr Schröder ist als Geschäfts­führer der AWO Havel­land nicht mehr tragbar. 

Zu erin­nern ist hier auch an die Affäre um die Beschäf­ti­gung von Recht­sex­trem­is­ten in der Sicher­heits­fir­ma Zarnikow, die bis März 2003 auch das Asyl­be­wer­ber­heim im Birken­weg bewachte. Erst als Reak­tion auf Veröf­fentlichun­gen in der Presse im Dezem­ber 2002 und auf Druck des dama­li­gen Sozialmin­is­ters Baaske wurde der Ver­trag mit der Fir­ma Zarnikow gekündigt, auf die Beschw­er­den von Heim­be­wohn­ern hat­te die AWO nicht reagiert. Auch damals zeigte sich der AWO-Geschäfts­führer Herr Schröder bis zulet­zt uneinsichtig. 

Wir befürcht­en, dass die AWO Havel­land darauf set­zt, den Skan­dal, den sie selb­st pro­duziert hat, aus­sitzen zu kön­nen, als ob nichts geschehen wäre. Wir appel­lieren an Sie als poli­tisch Ver­ant­wortliche im Kreis, den Ver­trag mit diesem Heim­be­treiber, der das Fehlen sein­er Qual­i­fika­tion so offen­sichtlich unter Beweis gestellt hat, umge­hend zu kündi­gen und einen bess­er geeigneten Betreiber zu suchen. Ein­er baldigen Stel­lung­nahme sehen wir erwartungsvoll entgegen. 

Mohamed Abdel Amine, Flüchtlingsini­tia­tive Brandenburg

Kay Wen­del, Opferperspektive

Judith Gleitze, Flüchtlingsrat Brandenburg

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