Kurz nachdem in Bayern, Baden-Württemberg und in NRW die schärfsten deutschen Polizeigesetze seit Nazi-Zeiten verabschiedet wurden, will nun auch Brandenburg weitreichende Maßnahmen ergreifen und die Bürger*innenrechte einschränken.
Der Feind stand immer links
Die Verschärfung der Polizeigesetze steht in alter bundesrepublikanischer Tradition. Notstandsgesetze, Berufsverbote, Terrorismusparagrafen, Abtreibungsverbote, Schleierfahndung, Telefonüberwachung sind hier nur einige Schlagworte. In den 50er und 60er Jahren diente die politische Repression vor allem dem Kampf gegen Kommunist*innen. In den 70er und 80er Jahren traf es dann die Student*innenbewegung. Die Hausbesetzer*innenbewegung wurde kriminalisiert und Aktivist*innen der Umweltbewegung verkloppt und schikaniert. In den 90er bzw. 2000er Jahren wurden dann immer wieder antifaschistische Gruppen mit Vorwürfen und Anklagen konfrontiert, kriminelle oder terroristische Vereinigungen gegründet zu haben.
Alles hat ein Ende nur die Gesetzesverschärfung hat keins
Nachdem schon im Jahr 2006 der Brandenburger Polizei deutlich ausgeweitete Befugnisse zur Überwachung zugestanden wurden, wird sich dieser Zustand mit dem aktuell diskutierten Polizeigesetz noch einmal zuspitzen. Um verschlüsselte Kommunikation besser kontrollieren zu können, soll es nun möglich sein, in die Wohnungen verdächtigter Personen einzudringen. Sogar “präventive” Abhörmaßnahmen sind geplant und bei „Gefahr im Verzug“ können diese ohne richterlichen Beschluss erfolgen. Als „drohende Gefahr“ kann prinzipiell alles unerwünschte Verhalten betitelt werden, es braucht keinen konkreten Gesetzesverstoß mehr, um in den Fokus der Repressionsbehörden zu geraten. „Zur Abwehr einer Gefahr“ darf der Aufenthalt an „bestimmten Orten“ oder der „Kontakt mit bestimmten Personen“ verboten werden. Die Auslegung dieser Gesetze obliegt jenen Behörden, die in Potsdam bereits linke Hausprojekte und bspw. eine Verfassungsschutz-kritische Veranstaltung bespitzeln ließen. Der Wahnsinn führt soweit, dass sogar für Besuchende einer Weihnachtsfeier Einträge angelegt wurden. Der VS rauscht nach wie vor an jeder vom bürgerlichen Rechtsstaat propagierten Norm vorbei. Oder wie es der immer noch amtierenden VS-Chef Hans Georg Maaßen formuliert: “Bei uns kann man das machen, was man schon immer machen wollte, nur ist es legal.“
Konterrevolution ohne Revolution
Aber woher weht der Wind? Warum erleben wir zur Zeit weltweit eine furchtbare Rolle rückwärts in der Geschichte? Weltweit, von Trump über Bolsonaro in Brasilien, Salvini in Italien, Duterte in Indonesien und von den Australier*innen mit ihren ausgelagerten Elendslagern für Refugees ganz zu schweigen. China will bis 2020 ein System sozialer Kreditpunkte anlegen.
Die weltweite Aufrüstung gegen die jeweils eigene Bevölkerung macht nur da Sinn, wo es eine Bedrohung gibt, eine angenommene oder eine reale. Aber von wem geht diese Bedrohung aus? Wer könnte all diese Staaten ins Chaos stürzen, wenn sie nicht von starken Männern* mit viel Gewalt zusammengehalten würden? Die Ursache der Bedrohung liegt in dem derzeit herrschenden Wirtschaftssystem. Es erweist sich in zunehmenden Maße als dysfunktional. Orientiert am Profit der jeweiligen Unternehmung rauschte es schon immer an den elementarsten Bedürfnissen der Menschheit vorbei und vernichtet stattdessen Natur und Gesellschaft. Hinzu kommen die seit Jahren fallenden Profitraten welche nur durch staatliche Interventionen wie Deregulierungsmaßnahmen und Sozialisierung der Verluste gestützt werden. Alle Finanzblasen, alle Immobilien- und Kreditblasen sind in der Vergangenheit an irgendeinem Punkt geplatzt. Sie werden es weiterhin tun. Die letzte schwere Wirschaftskrise von 2007 konnte nur durch die massive Verstaatlichung der Verluste der Banken (also die Bankenrettung durch Steuergelder) und milliardenschwere Konjunkturprogramme aufgefangen werden. Weltweit kam das Wirtschaftswachstum zum erliegen, bis heute ist keine Erholung in Sicht. Im Gegenteil: neue Wirtschaftskrisen drohen. Und diese werden nicht mehr mittels Verstaatlichung der Verluste auffangbar sein. Was bisher eher im Hintergrund tobte (zumindest für Westeuropäer*innen), sind Verteilungskämpfe. Kämpfe um Wohlstand, um Nahrungsmittel um Zugang zu Wasser, darum, wer wem billige Elektrogeräte produziert und wer den Schrott am Ende ausweiden muss. In aller Öffentlichkeit wird das Massensterben an der europäischen Seegrenze legitimiert, während die mittelafrikanische Wüste durch die Auslagerung der europäischen Außengrenzen bereits als größeres Massengrab gilt als das Mittelmeer. Es wird noch jeder faschistoide Massenmörder unterstützt, Hauptsache er tritt mit uns zusammen nach unten.
Revolution Chemnitz und Konsorten
Die AfD hat für solche Probleme der Reichtumsverteilung eine klare Antwort: Kartoffeldeutsche zuerst, auf allen Ebenen mit allen Mitteln. Mit dieser Position treibt sie andere Parteien vor sich her, vor allem solche, die sich nicht klar und eindeutig von jedweder Spielart des Rassismus distanzieren. Kurz gesagt: alle großen „Volksparteien“. Die konservative Adelung der zunehmend faschistoid auftretenden AfD erfolgt durch die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“. Die Normalisierung der menschenverachtenden Positionen der AfD, ebnen den Weg zu einer autoritären Gesellschaft. Das Ziel der Einschüchterungsversuche ist dabei die ganze Zeit offensichtlich. Das kann in Medien, bei den Wählenden, am Stammtisch, beim Familiengeburtstag nur übersehen, wer garnicht erst hinschauen will. Beim Aufstieg der Neuen Rechten ist Widerspruch unerwünscht. Antifaschistischer Widerstand soll weitgehend unterbunden werden. Gegenbewegungen werden von vorn herein kriminalisiert, eingeschüchtert oder unterbunden, indem entsprechende “Exempel” statuiert werden.
Keine Freunde – Keine Helfer!
Polizist*innen schauen zu, wenn neben ihnen Hitlergrüße gezeigt werden, wenn in Chemnitz der braune Mob Menschen jagt, die als nicht-deutsch gelesen werden oder wenn in Dortmund Neonazis die antisemitische Parole “Wer Deutschland liebt, ist Antisemit!” skandieren. Diese Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Die im deutschen Staatsapparat angestellten Naziversteher*innen sind an diesen Tagen weitgehend damit beschäftigt, zivilgesellschaftlichen Widerstand präventiv zu ersticken.
Ein*e Antifa muss tun was ein*e Antifa tun muss
Es ist dringend notwendig dem Nationalismus den Kampf anzusagen. Unsere Zeit, die rechte Hegemonie aufzuhalten, wird knapper. Autoritäre Regime wie Ungarn, Polen, Türkei, Indonesien, Brasilien, China oder Russland sind keine anachronistischen Auslaufmodelle. Die Ursachen für Repression und Überwachung müssen in den Widersprüchen und Krisenerscheinungen der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft gesucht werden.
Wir glauben nicht an eine „gute Polizei“ oder an einen progressiven, die Verfassung schützenden Verfassungsschutz. Unser Ziel kann nicht sein, den Staatsapparat menschenfreundlicher anzupinseln. Gerade in Zeiten, in denen jedes selbstorganisierte, progressive oder abweichende Handeln der Tendenz nach als verdächtig gilt, muss es darum gehen, das Ganze zu ändern. Das Polizeigesetz verhindern, im Mittelmeer Rettungsaktionen durchführen, gegen die Normalisierung der AfD ankämpfen, all das sind kleine Schritte. Aber das ändert nichts daran, dass sie gegangen werden müssen. Von uns! Gemeinsam!
Deshalb rufen wir euch dazu auf, am 10. November 2018 zur Großdemonstration gegen das neue Brandenburger Polizeigesetz nach Potsdam zu kommen.
Alerta! Fight control!
EAP — Emanzipatorische Antifa Potsdam
Eine ausführlichere Fassung findet ihr unter www-e-a‑p.org
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