Der diesjährige »Denkzettel für strukturellen und systeminternen Rassismus« des Flüchtlingsrates Brandenburg geht an an die Richter Ilona Unger vom Amtsgericht Frankfurt/Oder, und an Bernd Frost vom Amtsgericht Eisenhüttenstadt. Die beiden Richter bekamen den »Preis« am Donnerstag für ihre Urteile gegen eine Tschetschenin, die in Deutschland Anfang Januar mit ihren sieben und zwölf Jahre alten Kindern Asyl beantragt hatte. Da sie auf dem Landweg eingereist war, hätte sie nach €päischem Recht bereits in Polen Asyl beantragen müssen. Laut Flüchtlingsrat wußte die Frau nicht von dieser gesetzlichen Regelung. Frau Unger beförderte die Tschetschenin mit ihrem Urteil ins Abschiebegewahrsam Eisenhüttenstadt und trennte sie so von ihren Kindern, die in einer Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Fürstenwalde untergebracht wurden.
Die Betroffene machte nach Darstellung des Flüchtlingsrats mehrere Eingaben bei Haftleitung und Bundespolizei, um auf ihre schwierige psychische Situation und die ihrer Kinder hinzuweisen. Der zuständige Richter Frost hob ihre Haft daraufhin jedoch nicht auf, sondern verlängerte sie für weitere zwei Wochen, um ihre Abschiebung sicherzustellen. Erst das Landericht Frankfurt/Oder entschied, daß die Festhaltung der Mutter und die Trennung von ihren Kindern gegen das im Grundgesetz verbürgte Recht auf Familieneinheit verstößt. Zur Zeit ist der Aufenthaltsort der Frau und ihrer Kinder nicht bekannt und auch nicht, ob ihr Asylverfahren in Polen wieder aufgenommen wurde. In jedem Fall sind laut Vera Everhartz vom Flüchlingsrat Brandenburg die Bedingungen in Polen für ein Asylverfahren »tendenziell schlechter« als in Deutschland. Seit dem 1999 begonnenen zweiten Tschetschenien-Krieg kommt es in der russischen Teilrepublik zu schweren Menschenrechtsverletzungen.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg verleiht den Denkzettel jährlich zum internationalen Antirassismus-Tag, der 1969 von den Vereinten Nationen eingeführt wurde. Der Tag erinnert an ein Massaker vom 21. März 1960 im südafrikanischen Sharpeville. Damals hatte die südafrikanische Polizei 69 schwarze Demonstranten getötet, die gegen die Residenzpflicht im Apartheidstaat protestierten.