17. April 2002 · Quelle: Märkische Allgemeine

Azubis und Berufsschüler anfällig für Rechtsextremismus

POTSDAM Auszu­bildende und Beruf­ss­chüler mit rel­a­tiv niedri­gen Bil­dungsab­schlüssen sind in punc­to Frem­den­feindlichkeit und Recht­sex­trem­is­mus die Haupt­prob­lem­gruppe. Allerd­ings seien sie schwieriger zu erre­ichen als Schüler in all­ge­mein­bilden­den Schulen, wie Uta Leich­sen­ring, Lan­des­beauf­tragte für das Hand­lungskonzept Tol­er­antes Bran­den­burg, gestern sagte. Deshalb arbeit­en die bei­den Pro­jek­te “Heimat” und “Die Welle” seit dem ver­gan­genen Jahr gezielt mit Auszu­bilden­den gegen Rechts. 

“Heimat” ist langfristig angelegt und soll im Ide­al­fall mit ein­er ganzen Klasse plus Lehrer sog­ar bis nach Aus­bil­dungsab­schluss durchge­führt wer­den. Jede Gruppe kann dabei inner­halb von drei Jahren an min­destens acht Sem­i­naren teil­nehmen. Ort der Ver­anstal­tung ist nicht das Schul­ge­bäude, son­dern die DGB-Bil­dungsstätte in Fleck­en Zech­lin (Kreis Ostprignitz-Ruppin). 

Dort wer­den die jun­gen Leuten zunächst danach befragt, was ihnen an ihrer Heimat wichtig ist, wovor sie sich fürcht­en und was ihnen Angst macht. “Poli­tis­che Ein­stel­lun­gen wer­den dabei nicht disku­tiert”, erk­lärt Pro­jek­tleit­er Armin Steil. Auch The­men wie Bewer­bung, Kon­flik­te im Betrieb oder Lebensper­spek­tiv­en gehören zum Sem­i­nar. “Den Schw­er­punkt bildet immer die Arbeitswelt der Auszu­bilden­den, weil dort der Recht­sradikalis­mus entste­ht”, so Steil. 

Ziel ist es, moralis­che und poli­tis­che Lern­prozesse zu fördern, damit die Auszu­bilden­den anschließend in der Lage sind, Ver­schieden­heit anzuerken­nen und Fremd­heit auszuhal­ten. “Das sind jedoch keine Ver­anstal­tun­gen, die gegen etwas, son­dern solche, die für etwas sind”, betont Steil. Das Pro­jekt verän­dere dadurch auch das Kli­ma in der Klasse. Nach den Sem­i­naren entschei­den alle gemein­sam, ob sie weit­er teil­nehmen möchten. 

Finanziert wird das auf drei Jahre angelegte Pro­jekt mit 122 000 Euro aus dem bran­den­bur­gis­chen Bil­dungsmin­is­teri­um und mit 218 000 Euro von der Europäis­chen Gemein­schaft. Gegen­wär­tig wird “Heimat” in den Ober­stufen­zen­tren Zehdenick, Bernau, Frank­furt (Oder) und Eber­swalde angeboten. 

Außer­halb des schützen­den Klassen­ver­ban­des set­zt sich das Kun­st­pro­jekt “Die Welle” mit dem Recht­sradikalis­mus auseinan­der. Dabei sollen Schüler der Abgangsklassen aus Berlin und Bran­den­burg mit Auszu­bilden­den und Jugendlichen, die sich in ein­er berufsvor­bere­i­t­en­den Maß­nahme befind­en, Vorurteile abbauen und ihr eigenes Selb­st­be­wusst­sein stärken. 

“Eine Woche lang kön­nen die Jugendlichen das The­ma Recht­sex­trem­is­mus mit ihren eige­nen Erfahrun­gen füllen”, erk­lärt Pro­jek­tleit­er Her­mann Nehls. Dazu spie­len sie The­ater und drehen Videos in Eigen­regie. “Das spricht die Jugendlichen wirk­lich an, da bei­des für sie eine fremde, faszinierende Welt darstellt”, so Nehls. 

Als Grund­lage für das Pro­jekt dienen die Texte aus dem gle­ich­nami­gen, amerikanis­chen Buch “Die Welle”. Darin will ein Lehrer seinen Schülern mit einem Exper­i­ment beweisen, dass jed­er über­all für faschis­toides Han­deln und Denken anfäl­lig ist. Die dabei von ihm aus­gelöste “Bewe­gung” gerät jedoch zunehmend außer Kon­trolle. Vor uner­warteten Emo­tion­saus­brüchen waren auch die Jugendlichen, die seit Sep­tem­ber 2001 schon an dem Pro­jekt teilgenom­men haben, nicht sich­er. “Durch die Kör­per­sprache wer­den die dun­klen Seit­en hochge­spielt und es entste­hen oft drama­tis­che Stim­mungen, in denen auch Trä­nen fließen”, sagt Nehls. Im Anschluss an den Aufen­thalt in der Bil­dungsstätte haben Jugendliche aus Fleck­en Zech­lin, Rheins­berg und Zehdenick ihre Vide­ofilme und The­ater­stücke bere­its in ihren Betrieben und Schulen gezeigt. 

Her­mann Nehls will eine Welle aus­lösen. So wird inter­essierten Sem­i­nar-Teil­nehmern eine Jugendleit­er-Aus­bil­dung ange­boten. Mit desin­ter­essierten Jugendlichen hat Nehls kein Prob­lem, “denn die kom­men erst gar nicht”.

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